Kriegsschicksal des Großvaters

  • Hallo,

    vorweg schon einmal vielen Dank für etwaige Unterstützung und Beantwortung meiner Fragen: Nach einem ersten Blick durch das Forum bin ich optimistisch, dass ich mit eurer Unterstützung etwas mehr Licht in das Kriegsschicksal meines Großvaters bekomme :):

    1) Am drängensten ist für mich zunächst die Kriegsgefangenschaft meines Großvaters: Laut seines eigenen Berichts war er mit seiner Einheit (I Batterie Stum. Brig. 239) im Mai 45 in Ungarn / Österreich stationiert und wurde dort am Kriegsende entlassen. Ein entsprechender Eintrag findet sich auch im Soldbuch, das mir vorliegt. Von dort ist er dann von Freystadt bei Linz/Österreich nach Hause gelaufen. Auf dem Weg ist er von amerikanischen(?) Truppen aufgegriffen worden, aber erfolgreich getürmt. Wieder zu Hause, ist er zur Ausstellung des Entlassungsscheins ca. 1/4 Jahr später (d.h. August/September 45) nach Ansbach gefahren. Dort wurde er verhaftet und nach Belgien in die Kriegsgefangenschaft überführt, aus der er im November 47 zurückkehrte.

    Nun zu meine Fragen:

    Meine Großvater (Jahrgang 1923, Rang Obergefreiter) sagte dazu, dass er in Ansbach mit einem gleichnamigen Offizier verwechselt worden sei: Ihm wurden Parteiämter (goldenes Abzeichen?) vorgeworfen, obwohl er niemals in der Partei war - mit Jahrgang 1923 ist eine große Parteikarriere wohl auch ziemlich unrealistisch, denke ich.

    - Gibt es zu solchen Fällen Akten, aus denen der genaue Vorgang / Begründung für die Gefangenschat hervorgeht? War eine solche nachträgliche Gefangenschaft üblich? Mir kommt die Dauer für die Westmächte auch relativ lange vor?

    - Kann es sein, dass sich die Amerikaner dafür "gerächt" haben, dass mein Großvater aus der "ersten Gefangenschaft" getürmt ist? (Meine eigene Theorie)

    -> Ich habe beim WASt die Auskunft erhalten, dass der Tag der Gefangenschaft der 9. Mai 1945 in Österreich gewesen sei - dies passt ja nicht wirklich zum obigen Bericht (Gefangennahme in Ansbach!) bzw. stützt sich meine Theorie darauf.

    2) Wo kann man die Einsätze seiner Einheit bzw. speziell sein Schicksal weiter recherchieren? Falls Informationen aus dem Soldbuch dienlich sind, kann ich diese gerne posten!

    3) Im Soldbuch finden sich auf der ersten Seite auch Stempel "Blacklist" und ein weitere der US Army, den ich nicht genau entziffern kann: Counter Intelligence Corps? Was bedeuten diese?

    Soweit erst einmal :-)!

    Grüße

    Matze

  • Hallo,

    CIC war ein Nachrichtendienst der amerikanischen Armee.

    Rache der Amerikaner kann ich nicht ganz glauben, sie hatten sich verpflichtet eine bestimmte Anzahl von arbeitsfähigen Kriegsgefangen an Belgien zu liefern. Grossvater hat wohl einfach Pech gehabt. Meinem Vater ging es im August 1945 ähnlich, nur er landete in einem Offizierslager, Entlassung Anfang Juni 1947 u. a. aus gesundheitlichen Gründen.

    Im Soldbuch sind alle Einheiten und auch die Ersatzeinheiten angegeben. Damit kann man im Lexikon der Wehrmacht weiter forschen.

    Gruss

    Rainer

    P.S.: Herzlich willkommen im Forum.

    Suum cuique

  • Hallo Matze,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Die Einheit deine es Vaters war die 1. Bttr. Sturmgeschütz-Brigade 239. Wenn du die relevanten Seiten
    (wo die Einheiten stehen) des Soldbuches einstellst ist das ggf. noch zu ergänzen

    Das mit der belgischen Gefangenschaft ist so zu erklären das Belgien kaum eigene dt. Gefangenen hatte.

    Hier war quasi als Reparation wurden von den Amerikanern dt. KGF überstellt.

    Gruss Dieter

  • Hallo,

    Matze schreibt:

    "...….war er mit seiner Einheit (I Batterie Stum. Brig. 239) im Mai 45 in Ungarn / Österreich stationiert und wurde dort am Kriegsende entlassen. Ein entsprechender Eintrag findet sich auch im Soldbuch, das mir vorliegt." Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass ein Soldat offiziell per Eintrag ins Soldbuch bei Kriegsende aus der Wehrmacht entlassen wurde. Wahrscheinlich haben da einige geschummelt. Warum er dann aber, trotz dem Entlassungseintrag im Soldbuch (geschummelt oder nicht), dann nach Ansbach reist, um einen Entlassungsschein zu erhalten, ist zumindest seltsam. Und wer sollte den Entlassungsschein ausstellen, die Wehrmacht wohl kaum, die gab es im Juli/August 1945 nicht mehr.

    Die Amerikaner? Dass aus der Aktion eine Kriegsgefangenschaft in Belgien wurde dürfte Pech gewesen sein.

    Gruß

    Paul

      


    G-W-G'

  • Guten Abend Matze,

    hier sind die als vermißt gemeldeten Soldaten der Stug Brig 239 in der Vermißtenbildliste des DRK- Suchdienstes, mit Ortsangaben der letzten Meldung,

    http://193.159.223.62:8081/vbl/Feldpostnummer/FPN.aspx

    Such mit Band AA Seite 410

    Das mit der Entlassung kann schon stimmen, wenn der noch höchste Offizier der Einheit den Eintrag vornahm und die Einheit dann offiziell auflöste, hab ich schon öfters gelesen.

    Die Wehrmacht gab's offiziell, bis der Alliierte Kontrollrat sie ca. 1946 per Gesetz auflöste.

    Den Entlassungsschein dürfte er wegen der Meldung/ Lebensmittelkarten gebraucht haben...

    Servus Eumex

    Vivat Bavaria

  • Hallo,

    in der Tat gab es die Wehrmacht als Institution offiziell noch bis 1946, allerdings habe ich noch nie gehört, dass es irgendwo noch irgendwelche Stäbe oder Schreibstuben gab in denen Entlassungspapiere durch die Wehrmacht ausgestellt wurden. Selbst in den britischen Internierungszonen in Schleswig-Holstein, in denen es soetwas wie eine innere Selbstverwaltung durch die internierten Soldaten gab, ließen es sich die Briten nicht nehmen die Entlassungspapiere selber auszustellen.

    Gruß

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo,

    zunächst euch allen vielen Dank für die Antworten und Einschätzungen!

    Ich habe noch einige Seiten aus dem Soldbuch hochgeladen:


    - Seite mit den Stempeln CIC und Blacklist (was letzteres auch immer bedeuten mag)

    - Die Einheitenübersicht

    - Den Entlassungseintrag

    Eumex: Bei den Vermissten ist mein Großvater nicht aufgeführt, danke aber vielmals für den Link!

    Augustdieter: Kann man über die Einheit irgendwo noch mehr herausfinden? z.B. Einsätze und Einsatzorte, etc.?

    Einheit

    Gruß

    Matze

  • Hallo zusammen,

    Paul, ich kann die Angaben von Eumex nur bestätigen. Auch mir liegt ein Wehrpaß der Luftwaffe vor, in welchem der Soldat am 9.Mai 1945 durch das Wehrbezirkskommando Neumünster als Obergefreiter entlassen wurde.

    Matze, der Vorgesetzte Deines Opas, der die Entlassung unterzeichnet hat, hieß Senkpiel.

    Grüße

    Diana

    Die Frau ist die einzige Beute, die ihrem Jäger auflauert (Ingelore Ebberfeld)

  • Hallo,

    Oberleutnant Senkpiel stimmt, genannt in:

    Nortbert Számvéber: Days of Battle: Armoured Operations North of the River Danube, Hungary 1944-45, S.210.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Hallo,

    wie wurden denn solche selbstherrlichen „Entlassungspapiere“ bewertet. Bis dem 8. Mai? Desertion, Hochverrat? Ab dem 9. Mai z.B. durch die Allierten oder z.B. die heimischen Behörden?

    Gruß

    Paul


    G-W-G'

  • wie wurden denn solche selbstherrlichen „Entlassungspapiere“ bewertet. Bis dem 8. Mai? Desertion, Hochverrat? Ab dem 9. Mai z.B. durch die Allierten oder z.B. die heimischen Behörden?

    Hallo Paul,

    über diese Art "Entlassung" habe ich hier zum ersten mal gehört. Soweit ich überblicken kann, waren alle Männer im Wehrfähigen Alter aufgefordert gewesen, sich zu melden, und zwar bei allen Alliierten. Es stand nicht zur Debatte, ob aus WH entlassen oder nicht, sondern welche Zukunft jeweiligen Sieger dem Betroffenen bereit hielten.

    Mit diesen Papieren hätten die "Entlassenen" bei den Kettenhunden keinen Überlebenschance! Hierzulande gab es einige, die aus diesen Grund als Feiglinge erschosen wurden...

    Gruß Viktor