Hallo Gemeinde,
im Zusammenhang mit meinen Recherchen zur Sauerstoff-Erzeugung im Oertelsbruch bin ich in einem Punkte nicht weiter gekommen: die Funktion des 1944 gebauten, kleinen Lagerhauses am Ortsrand von Lehesten, das im Volksmund allseits als "Abfüllstation" bezeichnet wird. Doch für was ? Da es im Schieferbruch ein Sauerstoffwerk gegeben hatte, wird dies gerne mit der "Abfüllstation" in Verbindung gebracht - doch bisher konnte offenbar noch niemand einen klaren Beleg dazu finden.
Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, daß hier tiefkalter, - 183 ° C kalter verflüssigter Sauerstoff in Spezialwaggons abgefüllt wurde, da:
- die mehrere Kilometer lange Steigleitung ( Werk im deutlich tiefer liegenden Schieferbruch gelegen ) hätte eine deutliche Erwärmung und damit zusammenhängend eine teilweise Rückumwandlung in den gasförmigen Zustand bedeutet. Also ein deutlicher Qualitäts- sowie Quantitätsverlust. => Bei diesem sehr begehrten Stoff nicht hinnehmbar.
- Für das Hochpumpen wären sehr große Pumpenleistungen erforderlich geworden - für damalige Zeiten nicht vorstellbar.
- Die Rohrleitung hätte sehr dick isoliert sein müssen und es hätte dennoch Vereisungserscheinungen gegeben, da die in der Umluft enthaltene Luftfeuchtigkeit dort kondensiert und vereist worden wäre. Zudem hätte das Eis regelmäßig abgeschlagen werden müssen, es hätten also Arbeitskräfte dazu eingeteilt werden müssen.. => verm. wären wohl KZ-Häftlinge dazu eingesetzt worden.. ( kein Zeitzeuge, weder aus dem Bereich der KZ-Häftlinge noch aus der Bevölkerung, hat bisher über dieses Phänomen berichtet )
.( nach Rücksprache mit der Uni Darmstadt, dem Max-Planck-Institut Mainz ( beide sind in verwandten Themen am Forschen ) und Ingenieuren von der Firma Sauerstoffwerk Friedrichshafen schließe ich tiefkalten Sauerstoff ebenso wie den in dreifacher Menge anfallenden, noch kälteren Stickstoff als zu transportierendes Medium für diese Rohrleitung definitiv aus )
- Das Gebäude der "Abfüllstation" hat den Krieg überstanden und wurde zu DDR-Zeiten ab 1965 von einem Reifen-Vulkanisierbetrieb genutzt. Der erste Leiter des Betriebes berichtet heute, daß als einzige Einrichtung bei der Übernahme ein rechteckiger "größerer" Tank im Keller vorhanden war. ( auf eine Größenangabe konnte er sich nicht festlegen ). Auch hier -unabhängig von der Dimension- scheidet ein (direkter) Zusammenhang des Tanks mit verflüssigtem Sauerstoff aus: die Tanks dafür waren rund, oft sogar kugelförmig.
Dieser Tage lies sich nun mit hoher Wahrscheinlichkeit klären, daß die im Sommer 1944 gebaute Rohrleitung vom Werk hinauf nach Lehesten ( irgendwann wurde daraus die Interpretation : " hinauf zur Abfüllstation"... ) , für welche nachweislich KZ-Insassen des sogenannten "Erdbaukommandos" entlang der Werksbahn den Graben aushuben ( also die Leitung erdüberdeckt / unterirdisch verlegt wurde ) , tatsächlich der Zuführung von Wasser hinunter zu den Prüfständen als Kühlwasser etc. diente. Hierfür lies sich auch ein Beleg finden, ein Beschwerdeschreiben der naheliegenden Mühle, deren Betreiber sich über die Wasserentnahme beschwerten und darauf hinwiesen, daß das restliche Wasser im Gewässer nun nicht mehr ausreiche, um den Strom in der verlangten Menge für das Werk zu erzeugen...
Bleibt weiterhin die Frage, wozu das Gebäude ( alias "Abfüllstation" ) am Ortsrand von Lehesten diente...
In den Regional-Archiven auf Thüringer Seite ist so gut wie nichts zur Anlage erhalten geblieben, was mit einem zweimaligen Wechsel der Landkreiszugehörigkeit begründet wird... Auch sonst ist zu den Anlagen im Werk wenig in den staatlichen Archiven zu finden.
Zum letzten Mal hatte vor rund 20 Jahren jemand näher zum Standort recherchiert und auch diese Erfahrungen gemacht.. Leider ist auch das sogenannte "Betriebstagebuch" des Abnahmewerks und des Sauerstoffwerkes zwar nach dem Krieg im Original erhalten geblieben, aber im Archiv "nicht mehr auffindbar" .. ( Zitat )
Dem Vernehmen nach sollen aber mehrere Kopien dieses sicherlich sehr aufschlußreichen Schriftstückes in privater Hand existieren. Daher meine Frage, ob jemand der mitlesenden Personen über eine solche Kopie oder Auszügen daraus verfügt und mir diese zur Einsicht zur Verfügung stellen könnte. Herzlichen Dank dafür !
( Ich kann mich mit dem bisher allgemein unbekannten Bericht der französischen Expertenkommission revanchieren, die am 7.7.1945 noch schnell die Gelegenheit nutzten und vor der Übrgabe an die Sowjets die Anlage inspizierten und mit "ihrer" Anlage in Oberraderach verglichen. Maschinengeschriebener Bericht über mehrere Seiten, ältere Kopie, sehr gut lesbar erhalten geblieben.
Die "anderen" müssen sich noch ein paar Tage bitte noch gedulden, dann kann ich diesen hier gerne auch einstellen - ein kleiner Anreiz zum SIchten der eigenen Sammlungsbestände soll doch schon sein.... )
Und wer andere Erst-Quellen oder Bilder zum Werk hat - auch hier würde ich mich über eine Meldung sehr freuen.
Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen
MunaLisa