Hallo Ju,
Nachtrag: Wenn das Thema dadurch weiterkommt, wenn ich das empören verursachende Wort "Befreiung" weglasse, da es nicht politisch korrekt scheint, mache ich das gerne, denn ich bin nicht hier um irgendein politisches Statement oder sonst etwas abzulegen.
den damals Betroffenen darf die subjektive Wahrnehmung einer "Befreiung" erlaubt sein. Formaljuristisch und historisch eingeordnet bleibt es bei einem nüchternen Herrschaftswechsel bzw. neuem Leben unter deutscher Besatzung. Andernfalls hätten heutzutage fremde Staatsführer bei uns jederzeit ein verbrieftes Recht, auch ihre hier in Kolonien lebenden Bürger z.B. bei Steuererhöhungen oder Ungerechtigkeiten von außen zu befreien. Hat also nichts mit politischer Korrektheit zu tun.
Statistisch gesehen wurden übrigens "bockige" Mennoiten in den Jahren 1937/38 gegenüber der restlichen russischen Bevölkerung 10 mal öfter bei Säuberungen erschossen* oder in den Gulag deportiert, teilten aber ansonsten das gleiche harte Los unter Stalins Herrschaft.
Von daher werden sich alle Erzählungen ähneln, immer nur das Antreffen von leidklagenden Frauen mit ihren Kindern, die furchtbare Geschichten zu erzählen hatten und in absoluter Ungewißheit über den Verbleib ihrer Männer waren.
Über Feldpost-Trankriptionen** erhält man z.B. eindringliche Schilderungen vom ersten Aufeinandertreffen mit deutschen Soldaten, z.B.
Quote
Letzthin hatten wir verschieden Wolgadeutschedabei. Armseliges Völkchen, die noch die unverfälschte schwäbische Mundart sprechen. Zuerst staunten wir doch etwas, als die ersten in dem braunen Haufen auftauchten und auf die Fragen unseres Dolmetschers antworteten „Ich verstehe kein Russisch, Mir sein Deitsche“. Schon weiter westlich sind wir durch Gebiete von Siedlungen Wolhyniendeutscher gekommen. Oft war in einem solchen Dorf kaum noch ein Mann. Alles von den Bolschewisten verschleppt, nie wieder Nachricht bekommen. Das Hirn fasst diese Anhäufung menschlichen Leides einfach nicht. Man steht immer wieder davor und weigert sich es innerlich zu verarbeiten. Diese Schilderungen, diese traurigen Gesichert stehen in einem so unfassbaren Gegensatz zu dem fruchtbaren weiten Land in seiner sommerlichen Pracht.
Ich vermute stark, dass dir die vielen Bibliotheken der hiesigen Museen zu den Russlanddeutschen weiterhelfen können
https://www.russlanddeutsche.de/de/museum/samm…bibliothek.html
mag sein, dass der Schreiber der Ereignismeldung von der Existenz deutschsprachiger Menschen in der Gegend überrascht war. Die Existenz der deutschsprachigen Kolonisten im Zarenreich und dann in der UdSSR war aber allgemein bekannt und es gab in der SS bereits früh eine Volkstumsforschung, die sich explizit mit diesem Thema befasste.
Es war aber eine Erfindung der Nazis diese Siedler zu Volksdeutschen zu machen und die Souveränität über sie zu reklamieren.
Der Warthegau wurde Jahre zuvor bereits mit Millionen anderer "Volksdeutschen" belegt, da gab es doch Rücksiedlungsgesetze, weil Stalin sich Bessarabien und das Baltenland geschnappt hatte. Ich befürchte fast, das Antreffen von Russlanddeutschen ab Juli 1941 war dem Völkischen Beobachter nur noch eine Randnotiz auf Seite 3 wert.
Im Grunde war doch nur die SS spleenig hochverzückt. Was man da so liest, haben sie mit den Kolonien die allerreinste Form der germanischen Gensubstanz entdeckt.
Interessant bzw. auffällig war die Selbstorganisation in den fernen Kolonien, diese hatten bereits in vergangenen Jahrhunderten ein eigenes System des "Fordern und Förderns" erschaffen, inklusive Sanktionen gegen "arbeitsunwillige" Mitglieder der Gemeinschaft. Was man da bei der BPB so liest, diese preußisch Perfektion in kombination mit schwäbischer Sparsamkeit gruseln doch ein klein wenig.
mfg
Tac
* http://www.bpb.de/255396/vom-kol…m-bundesbuerger
** http://www.museumsstiftung.de/briefsammlung/…t=wolgadeutsche