Versicherungsleistung bei Bombenschäden?

  • Guten Tag,
    da habe ich mich jahrzehntelang mit dem Luftkrieg befasst und einen Aspekt völlig außer Acht gelassen: Wurden "Volksgenossen", die eine Feuer- oder Hausratversicherung hatten, bei Bombenschäden von den Versicherungen entschädigt?
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass das spätestens ab 1942 nicht mehr möglich war.
    Da bin ich für alle Hinweise dankbar .
    Beste Grüße
    Gebhard Aders

  • Tag allerseits,

    in Hausrats- und Feuerversicherungen bestanden und bestehen die sog. Kriegsklauseln. Für Bombenschäden während des Krieges zahlte keine Versicherung.

    Siehe auch

    https://www.cmshs-bloggt.de/versicherungen…t-wenns-knallt/

    Während des Krieges wurden die "Volksgenossen" angehalten, Hab und Gut zu erfassen. Der Staat machte das Gleiche; alle Wertsachen in Museen, kulturell wertvolle Gebäude usw.
    wurden nach Kriegsbeginn genau erfasst und fotografiert.

    Nach dem Krieg wurden Hausratsschäden und Vertreibungsschäden nach dem LAG (Lastenausgleichsgesetz) entschädigt. Wer in den 50er-Jahren solche Aufzeichnungen
    über sein Hab und Gut vorlegen konnte, der bekam keinerlei Probleme bei der Realisierung seiner LAG-Ansprüche.

    In letzter Konsequenz hätte auch der NS-Staat nach einem gewonnenen Krieg so etwas Ähnliches wie das LAG geschaffen. Als Grundlage dazu waren die beschriebenen
    Aufstellungen vorgesehen.

    Gruß
    Bert

  • Hallo zusammen,

    ich hatte vor 25 Jahren einen Berg von diesbezüglichen Unterlagen im Stadtarchiv bearbeitet. Es gab insgesamt zwei Luftangriffe auf die Stadt und ca. 30 lfd.m Akten über Bearbeitung der Anträge auf die Entschädigung. Soweit ich mich entsinne, sollte jeder von den "Terror-Luftangriffen der Alliierten" betroffene "Volksgenosse" entschädigt werden.

    Nach der Sichtung der ersten 20-30 Akten neigte ich dazu, bestenfalls eine Stichprobe zu archivieren. Je mehr ich jedoch las, umso mehr war ich mir sicher die gesamte Überlieferung komplett zu archivieren. Es gab ein Gezänk zw. dem Kreisleiter der NSDAP und einem PG um 1,50 RM als Schadenersatz für zerbrochene Zahnbürste, die bei der Erschütterung herunter fiel. Es waren auch Beschreibungen der Folgen der Bombenvolltreffer in die Wohnhäuser. Anhand dieser Akten hatte ich auch einen Plan der Bombentreffer im Stadtgebiet anfertigen.

    Ich kann mich erinnern, dass die Entschädigung der Betroffenen geregelt war, wobei die Versicherungen dabei keine Rolle spielten. Die Schadensregulierung dürfte über die Stadtverwaltung gelaufen sein. Da müsste ich mir die Akten gelegentlich noch einmal ansehen.

    Gruß Viktor

  • Hallo,

    auch ich konnte im Stadtarchiv Bielefeld Einsicht in die Schadensmeldungen nehmen.
    Ein Landwirt wollte Entschädigung für seinen, durch Bomben umgewühlten, Acker haben.
    Die Entschädigung wurde abgelehnt, da der Landwirt die Kartoffelsaat noch nicht ausgebracht hatte.
    Einem anderen Landwirt wurde eine Entschädigung gewährt, da er auf seiner Grünfläche
    keine Schafe mehr weiden lassen konnte.

    Auch gab es etwas Tragisches zu berichten: in einem Wohnhaus schlug eine Sprengbombe
    bis zum Luftschutzraum ein; im gleichen Augenblick schlug eine zweite Bombe aussen ein,
    so das der Luftschutzraum sowohl von innen, als auch von aussen eingedrückt wurde.
    Vier Personen wurden getötet, eine Weitere schwerverletzt gerettet.
    Die schwerverletzte Person wurde traumatisiert und psychisch krank.

    PS: alle drei Schadensfälle ereigneten sich in der Nähe des Panzerreparaturwerks in Bielefeld-Oldentrup.

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

    Edited 2 times, last by Gerd Wolf (February 22, 2018 at 5:28 PM).

  • Tag allerseits,

    für Bombengeschädigte während des Krieges fehlte ganz offensichtlich ein detailliertes Entschädigungsgesetz. Es gab nach Luftangriffen immer wieder Sonderzuteilungen für die
    Bevölkerung (mitunter Schnaps und Zigaretten). Die eigentlich Betroffenen von Bombenschäden wurden in andere Wohnungen "einquartiert" und bei der
    Wiederbeschaffung von Haushaltsgegenständen "bevorzugt" mit Bezugsscheinen bedient. Und dann gab es noch die Notbauten in Form von Baracken, die den Bombengeschädigten
    zur Verfügung gestellt wurden. Ein wahrlich "dürftiges Programm" für "die Opfer von Terrorangriffen"......

    Gruß
    Bert

  • Vielen Dank schon mal!

    Auf die Frage wg. einer Versicherungsleistung stieß ich durch das Formular "Antrag auf Gewährung einer Entschädigung wegen Kriegssachschäden", in dem nach einer Versicherung und deren Höhe gefragt wurde.

    Die Aktenbestände mit den Kriegsschadensmeldungen sind in den meisten Kommunen nach dem Krieg kassiert sprich vernichtet worden, nachdem das LAG erlassen wurde. In "meinem" kleinen rheinischen Archiv hatte ich glücklicherweise einen Bestand von rund 20 laufenden Metern. Kurios fand ich, wie oft die Zerstörung von "Führerbildern" gemeldet wurde.
    Beste Grüße
    Gebhard Aders

  • Auf die Frage wg. einer Versicherungsleistung stieß ich durch das Formular "Antrag auf Gewährung einer Entschädigung wegen Kriegssachschäden", in dem nach einer Versicherung und deren Höhe gefragt wurde.

    Hallo Gebhard,

    ich glaube genau so hieß dieses Formular! Die Frage nach dem Versicherungsschutz bezog sich m.E. darauf, die Kommunalkasse zu entlasten.
    In übrigen enthalten die von mir erwähnten Akten seitenweise Auflistung der zerstörten Sachen, Auch ein Loch in der Gardine, infolge der zerborstenen Scheibe entstanden war, wurde gemeldet...

    Gruß Viktor

  • Tag allerseits,

    bei solchen Schadensmeldungen wurde z.T. gelogen und getrickst. Das war bei den Bombenschäden während der Kriegszeit der Fall und danach unter dem LAG.
    Gerade bei Flächen von Anwesen wurde getürkt. Heute weiß man, dass z.B. das Sudetenland flächenmäßig viel größer hätte sein müssen, wenn man es mit den Schadensfeststelllungen
    nach dem LAG vergleicht. Gewiefte Antragsteller wussten sehr bald, dass man besser ohne Nachweise und vielleicht mit ein paar Zeugen agieren kann und dabei mehr herausholen kann.
    Nur selten kam man diesen Tricksereien auf die Spur, wenn z.B. ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb von 3 ha mit 6 ha angemeldet und nach dem LAG entschädigt wurde.

    Grüße
    Bert

    Edited once, last by Jahrgang39 (February 23, 2018 at 11:52 AM).

  • ... in Hausrats- und Feuerversicherungen bestanden und bestehen die sog. Kriegsklauseln. Für Bombenschäden während des Krieges zahlte keine Versicherung ...

    Hallo,

    die Bevölkerung wurde jedenfalls aufgefordert, ihre Versicherungspolicen im "Luftschutz-Handgepäck" mitzuführen, um nach einer Ausbombung die notwendigen Unterlagen zur Schadensregulierung parat zu haben. Damit verbunden war der erneute Aufruf, ein genaues "Verzeichnis über Hab und Gut" für jeden Haushalt anzulegen.
    Quelle: Alpenländische Rundschau, Folge 4 vom 29.Januar 1944, Seite 5

    Gruß, J.H.

  • Tag allerseits,

    die Kriegsklausel in Versicherungen gab es während des 2. Weltkriegs. Hätte es aus Feuer- und Hausratsversicherungen irgendwelche Erstattungen gegeben, dann wären die
    Verfahren nach dem LAG ganz anders verlaufen. Dann wäre zuerst geklärt worden, welche Versicherungsleistungen der Geschädigte bereits bekommen hatte. Ich kenne die
    Antragsunterlagen nach dem LAG-Verfahren ziemlich genau. Und deshalb muss ich konstatieren, dass solche Fragen nie gestellt wurden, weil Versicherungen ausnahmslos nicht
    leistungspflichtig für Kriegsschäden waren. Selbst wenn heute ein Blindgänger aus der Kriegszeit in die Luft geht, zahlt keine einzige Versicherung, weil das nachrangige Kriegsschäden sind.

    Die beste Berufsunfähigkeitsversicherung nützte einem schwerbeschädigten Soldaten nichts; er ging versicherungsrechtlich leer aus.

    Zum Zeitungsartikel von J.H.: Man sollte die Versicherungsunterlagen generell mit in den LS-Keller nehmen, weil sie oftmals der einzige Hinweis auf die Vermögens- und Besitz-
    Verhältnisse waren - speziell die Höhe der Versicherungssumme. Kein einziger Fall wurde während und nach der NS-Zeit versicherungsrechtlich reguliert, sofern es Kriegsschäden
    waren. Ich brachte es bereits zum Ausdruck: Ein siegreicher NS-Staat hätte nach Kriegsende versucht, irgendwie Entschädigungsverfahren einzuleiten. Dazu hätte man solche
    Unterlagen benötigt. Die Deutschen sind ja immer "gute Bürokraten" und bereiten sich auf alle möglichen gesetzlichen Konsequenzen zielgerichtet vor. So war es auch im NS-Staat.


    Grüße
    Bert

  • Hallo,
    leider gab es nach dem LAG auch da Entschädigungen 2. Klasse für die, welche in der DDR lebten. Sie erhielten nach der Wende nur eine Pauschalentschädigung.
    MfG Wirbelwind

  • N'Abend zusammen,

    ist zwar etwas OT, aber im Ersten Weltkrieg war man da seitens der Versicherungen noch geschäftstüchtiger - vermutlich aber nur solange, bis es zu größeren Schadensereignissen kam ...
    Siehe unten die Anzeige im "Dillinger Anzeiger" vom 06.03.1917.

    Gruß, Stefan

  • Tag allerseits,

    um es klarzustellen, die Flüchtlinge aus der SBZ (das war damals im LAG die offizielle Bezeichnung für die DDR) wurden keinesfalls als Geschädigte 2. Klasse behandelt.
    Auch die Bewohner Westdeutschlands bekamen im Einzelfall für Hausratsschäden durch Kriegseinwirkung oftmals nur 1.200 DM. Damit konnte man in den 50er-Jahren noch
    etwas anfangen, wenn man auch keine gesamte Einrichtung neu kaufen konnte. Das LAG war eben nur ein "Ausgleich" für alle Formen von Schäden durch Kriegseinwirkung.
    Dass das zerbombte Westdeutschland auch noch Schadenersatz für kriegerische Zerstörungen leisten konnte, das war in der Tat eine einmalige Leistung. Finanziert wurde das
    Ganze auch z.T. aus LAG-Abgaben der Deutschen im Westen. In der sozialistischen DDR kam man nicht auf die Idee, solche Entschädigungsgesetze zu erlassen.

    Dass man dann noch teilweise sog. Wegnahmeschäden, die in der DDR entstanden waren, entschädigte, war eine Folge der Wiedervereinigung. Man muss auch hier berücksichtigen,
    dass es sich nur um pauschale Ausgleichszahlungen handeln konnte. Derartige Vermögensverluste in der DDR mit vollem Kostenersatz zu bedienen, dass hätte auch die damalige
    BRD nicht geschafft. Wertungen dazu, man hätte Anspruchsberechtigte aus der DDR zweitklassig behandelt, sind alles andere als stimmig.

    Während des 1. Weltkriegs gab es tatsächlich eine "Fliegerschadenversicherung" - außerhalb der Gebäudefeuer- und Hausratsversicherung.
    Dazu
    https://books.google.de/books?id=kz2EBwAAQBAJ&pg=PA30&lpg=PA30&dq=entschädigung+von+fliegerschäden+des+1.+weltkriegs&source=bl&ots=741l1Z_zMA&sig=tembrjbKjRypU1azgl-Lc0ywGHA&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwifh67CpcHZAhXHyKQKHZ9lA5QQ6AEIYTAF#v=onepage&q=entsch%C3%A4digung von fliegersch%C3%A4den des 1. weltkriegs&f=false

    Gruß
    Bert

    Edited 3 times, last by Jahrgang39 (February 25, 2018 at 3:42 PM).

  • Tag allerseits,
    die Verwaltungsbehörden der NS-Zeit arbeiteten auch in den letzten Kriegsjahren unbeirrt und geradezu bürokratisch weiter. Man bereitete sich in typisch deutscher Manier auf "das Kommende" vor.
    Die Überlegungen, die man 1944 hatte, wären später in ein Entschädigungsgesetz eingeflossen. "Leider unterblieb der Endsieg" und die damit verbundene NS-Gesetzgebung. Einiges was sich
    die damaligen Beamten bereits 1944 überlegten, war auch in gewisser Weist ein Hinweis für die künftige Gesetzgebung nach dem LAG.

    Gruß
    Bert

  • Tag allerseits,

    1952 war es dann soweit: Es wurde zum Vollzug des LAG das Feststellungsgesetz erlassen:

    https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/sta…__1519659961592

    Dieses Feststellungsgesetz regelte in den Grundzügen die Schadensfeststellung auf RM-Basis. Dazu erging eine Fülle von weiteren Vorschriften, die nähere Bestimmungen
    zur Schadensfestellung für alle denkbaren Verluste enthielten.

    Interessant ist auch der § 42 des Feststellungsgesetzes. Danach sind früher getroffene Feststellungen nach der Kriegsschäden-VO für das Verfahren nach dem
    Feststellungsgesetz nicht zu berücksichtigen.

    Die Geschädigten mussten - von der Hausratsentschädigung abgesehen - noch Jahre warten, bis die Schadensfeststellung und danach die sogenannte Zuerkennung und Auszahlung der Schadenssumme auf DM-Basis erfolgte.

    Gruß
    Bert

    Edited 3 times, last by Jahrgang39 (February 26, 2018 at 5:10 PM).