Panzerabwehr-"Ei", wer weiß mehr?

  • Guten Abend zusammen,

    in seinem Erinnerungswerk "Mit dem Eliteverband des Heeres Großdeutschland tief in den Weiten Russlands" beschreibt Dr. Hans Rehfeldt auf Seite 308 ein Mittel zur Panzerbekämpfung, von dem ich in dieser Form noch nie etwas gehört habe:

    "Wir haben auch für diesen Einsatz etwas ganz Neues erhalten. Das ist ein gut in der Hand zu haltendes "Ei", bestehend aus einem eiförmigen Glaskörper, gefüllt mit Ammoniak, in dem sich eine Art Reagenzglas mit Salz/Schwefel-Säure befindet. Beim Aufprall platzt das Glas, die beiden Flüssigkeiten vermischen sich und es entsteht ein reizender Nebel, der die Panzerbesatzung "blenden" soll und mithin nicht mehr kampffähig lässt. Warum nun ganz genau wir mit diesen Eiern nicht losgegangen sind, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass wir erlebten, dass die Eier sehr zerbrechlich sind und uns selbst hätten schaden können. Im Kampfeinsatz habe ich diese "Eier" nie erlebt."

    Hat jemand eine Vorstellung, was für eine Waffe hier gemeint sein könnte? Vielleicht eine Feldimprovisation der Einheit, oder doch ein regulär ausgegebenes Wurfmittel zur Panzerbekämpfung? Ist eventuell auch bekannt, warum die Waffe dann doch nicht mehr zum Einsatz gelangte?

    Gruß!
    Yannik

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  • Halo,
    zu so etwas habe ich einmal irgendwo etwas gelesen. Da ging es allerdings nur um Blendung der Panzerbesatzungen.
    Gruss
    Rainer

    Suum cuique

  • Hallo Yannik,

    bevor da jetzt verschwörungstheoretische Ansätze über neuartige und streng geheime Waffen diskutiert werden, versuch' ich's mal mal mit Fakten: es handelt sich hierbei wohl um einen --> Blendkörper (auf der LdW-Seite nach unten scrollen).

    Wie kommst Du darauf, dass diese Waffe nicht mehr zum Einsatz gelangt sein sollte? Die Zahlen im LdW sprechen da eine andere Sprache ;)

    Auf der Seite von Lex Peverelli gibt es dazu auch (englisches) Text- und Anschauungsmaterial --> KLICK

    Mit dem Suchbegriff “Blendkörper“ finden sich bei Tante Google übrigens jede Menge Bilder und Infos dazu.

    Gruß, Stefan

    <edit> am Smartphone erstellten Post am Rechner noch mal überarbeitet <edit>

    "Es gibt nichts, was ein deutscher Offizier nicht kann!" (Oberst Manfred v. Holstein)

    Edited once, last by stefan_reuter (July 13, 2017 at 8:23 AM).

  • Moin Stefan,

    danke für die Infos - die Beschreibung passt hervorragend zum Blendkörper 2H. Genauso 1943 als Jahr der Einführung, der Tagebucheintrag stammt vom 8. Juli 1943.
    Bezüglich des Einsatzes habe ich mich wohl etwas missverständlich ausgedrückt: Da mir der Blendkörper 2H beim Lesen des Buches nicht bekannt war, habe ich die Aussage des Autors, dass diese Waffe zumindest bei seiner Einheit letztlich nie zur Verwendung gelangte, wohl etwas zu allgemeingültig aufgenommen. Liegen eventuell Einsatz- oder Erfahrungsberichte über diese Waffe vor?

    Gruß
    Yannik

    Suche sämtliche Bilder und Schriftstücke zum Infanterie-/Grenadier-Regiment 6

  • Hallo,

    mein Vater schreibt:

    "Heute hat der Russe unseren rechten Bataillonsabschnitt mit vier Panzern angegriffen. Dabei hat er zwei Panzer durch Glaskörper verloren. Diese gläsernen Wurfkörper haben die Form und Größe einer Eierhandgranate und sind mit einer Flüssigkeit gefüllt, die beim Zerspringen der Glashülle in Dampf übergeht, der kurzfristig eine starke Atemnot verursacht. Wirft man dieses Ding gegen den Panzer, dann saugt der Panzer den entstehenden Dampf mit der Frischluft in sich hinein. Der Besatzung bleibt bei der entstehenden Atemnot nichts weiter übrig, als schleunigst auszusteigen. Eine fantastische Waffe! – wenn man den Mut hat, den Panzer anzugehen.

    Einer der Panzer wollte gerade über den Graben rollen, als ihm ein Feldwebel einen Glaskörper an den Turm warf. Der Panzer stoppte auf der Stelle, die Besatzung sprang heraus suchte das Weite. Die anderen drei waren inzwischen weitergerollt und näherten sich unserem Dorf. Aber da ballerte unsere Pak los und schoss den zweiten kampfunfähig. Er blieb liegen. Da verloren die beiden letzten den Mut und kehrten um. Bei dem Scharmützel hatte die Kompanie nur einige wenige Verwundete, darunter der Kompanieführer, ein Oberleutnant, der einen Steckschuss ins Knie bekommen hatte."

  • Guten Morgen,

    was mir spontan einfallt, dieser Blendkörper bzw. die Füllung mit Titantetrachlorid/Siliziumtetrachlorid und Calciumchlorid erzeugt ein Gas und bewirkt Atemnot.

    Fällt das nicht unter chemische Kampfstoffe? Oder liegt die Abgrenzung ab: Verursacht Gesundheitsschäden?

    Ein Vorteil dieser Waffe liegt auf der Hand, zurück bleibt ein unbeschädigter Panzer als Beute.

    Grüße

    george

  • Hallo George,

    habe gestern zufällig einen Befehl gefunden, der genau auf die Problematik eingeht:

    http://wwii.germandocsinrussia.org/de/nodes/2723-…/inspect/zoom/4

    Es war streng verboten, Gasschutzübungsmittel (Reizstoffe) im Kampf einzusetzen um zu vermeiden, dass man der Wehrmacht eine Eröffnung des Gaskrieges nachweisen/unterstellen konnte.

    Die Blendgranaten dagegen werden ausdrücklich als "völkerrechtlich nicht angreifbar und vielfach bewährt" bezeichnet...

    Viele Grüße

    Bernhard

  • Hallo zusammen,

    Laut H.Dv. 469 'Panzerbekämpfung aller Waffen' sollten Blendmittel eingesetzt werden, um dem Zerstörer-Trupp das Heranarbeiten zu erleichtern. Dieser gab dem Panzer dann den Rest. Mann ging nicht davon aus, dass die geblendete Besatzung gleich ausbootete. Vielleicht taten sie das desöfteren, weil sie wussten, das als nächstes eine Tellermine oder Haftholladung oder dergleichen folgte.

    Gruß, Thomas

    "Lirum-larum Löffelstiel, wer nichts sagt, der weiß nicht viel - larum-lirum Gabelstiel, wer nichts weiß, muss schweigen viel!"

  • Hallo,

    natürlich war es notwendig, ein zerbrechliches "Ei" zu verpacken, wie das gemacht wurde, sieht man hier:

    https://www.lexpev.nl/grenades/europ…dkoerper2h.html

    Ich denke, die Besatzung bootete weniger wegen der direkten Wirkung des Reizstoffes aus als eher aus Angst vor einer tödlichen/erblindenden Wirkung beim längeren Einatmen des plötzlichen, beißenden Geruchs.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Hallo Thilo,

    Und das mit Recht. Zwar ist der Nebelstoff eben kein Reizstoff (dann wäre er als Weißkreuz-Kampfstoff deklariert), aber auf den Nebelhandgranaten fand sich immer der Warnhinweis 'Kein Abbrennen in geschlossenen Räumen' oder so ähnlich. Ein Freund von mir warnte einmal die Kampfmittelbeseitiger der Niederländischen Armee davor, aufgefundene Wurfgranaten in einem Atlantikwallbunker zu sprengen, da er sie als Nebelmunition identifiziert hatte. In ihrer Überheblichkeit ignorierten sie den Zivilisten und wunderten sich anschließend, dass man den Bunker längere Zeit danach wegen der Nebelwolke nicht betreten konnte, um sich vom Erfolg der Sprengung zu überzeugen. Es kam zum Glück niemand zu Schaden.

    Übrigens war durch die historischen Ereignisse klar, dass es keine Sprenggranaten waren. Diese waren während der Kämpfe 1944 vollständig aufgebraucht worden und nur die nutzlosen Nebelgranaten blieben übrig.

    Gruß, Thomas

    "Lirum-larum Löffelstiel, wer nichts sagt, der weiß nicht viel - larum-lirum Gabelstiel, wer nichts weiß, muss schweigen viel!"