Warum finde ich nichts darüber im Internet? (= Röhrchen mit Desinfekt.-Tabletten; Feldschertasche der HJ)

  • Hallo Community,

    habe da etwas gefunden aber ich finde keinerlei Info´s über dieses Teil im Internet...ist übrigens noch mit der Original-Menge gefüllt und sogar die Original Watte ist noch drin...

    Ich hoffe hier kann mir jemand helfen?


    Vielen herzlichen Dank bereits im Voraus!!!

    Gruß Matthias

    Überschrift ergänzt; kkn

  • Hallo Matthias,

    erst einmal ein recht herzliches Willkommen im Forum.

    Eine 100 % Erklärung kann ich nicht geben. Aber vielleicht kann man es aufdröseln.

    Ein Feldscher sind Handwerker die auch kleine medizinische Eingriffe machen. Sie waren nicht in der Medizin ausgebildet. Sie erlernten ihr wissen bei Fachkräften im medizinichen Bereich. Vielleicht heute als "Ersthelfer" zubezeichnen. Natürlich können Ersthelfer auch super Fachkräfte sein :D .

    R. J. F. Berlin würde ich als den "Reichsbund jüdischer Fronsoldaten" Berlin deuten.

    Also ein Röhrchen mit Desinfektionstabletten für "Ersthelfer" ausgegeben vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten.

    Ob es richtig ist kann ich nicht 100 % sagen. Es ist meine interpretation für das Röhrchen. Bin aber natürlich auch für jede weitere Antwort dankbar.

    Gruß
    Lothar

  • Hallo zusammen,
    R.J.F. Berlin würde ich eher in "Reichsjugendführung" auflösen, die in Berlin am Prenzlauer Berg residierte.

    M.W. nach kürzte sich der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten "RjF" ab (?)

    Beste Grüsse
    Ingo

  • Hallo zusammen,

    R.J.F. Berlin würde ich eher in "Reichsjugendführung" auflösen, die in Berlin am Prenzlauer Berg residierte.

    dann liegt die Feldschertasche der Hitlerjugend nahe. Habe deren Inhalte (Salben, Tabletten, etc) einmal numerisch aufgelistet in der Ausbildungsvorschrift der Hitler-Jugend gesehen.


    Grüße Martin

  • Hallo,

    Reichsjugendführung stimmt, aber heute würde man qualifizierte Ersthelfer mit Helfer vor Ort (HvO) bezeichnen.

    Wobei man "qualifiziert" vor dem damaligen Stand der Notfallmedizin sehen muß

    Grüße
    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Hallo,

    der Beruf des Feldschers ist im deutschen Sprachraum seid dem Mittelalter überliefert. Der Beruf des Feldschers ist für alle Länder und Armeen Europas bis in die Neuzeit überliefert. Nach Wikipedia wurden in der NVA Feldschere im mittleren Sanitätsdienst eingesetzt.

    Eine weitere Bezeichnung, die auch sehr treffend die Arbeit eines Feldschers beschreibt ist: Wundarzt.
    Feldschere befassten sich ausschließlich mit der Wundversorgung auf den Schlachtfeldern und brachten es dabei zu erstaunlichen Kenntnissen und Fertigkeiten. Der größte Unterschied zwischen einem heutigen Notfallsanitäter /qualifiziertem Ersthelfer und einem Feldscher liegt darin, dass der Feldscher "schneiden" durfte und musste. Darum wird beispielsweise Feldscher im Englischen als military surgeon übersetzt, Militärchirurg. Die Feldschere haben sehr viel zur Entwicklung der Chirurgie und der chirurgischen Instrumente beigetragen.

    Gruß

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo,
    das Röhrchen oben müßte Formaldehyd-Tabletten enthalten. Inwieweit die inzwischen unbrauchbar sind kann ich jedoch nicht sagen.
    Ihre Anwendung war/ist recht universell. Je nach Konzentration wurden sie aufgelöst und zur feuchten Sterilisation genutzt - oder aber die Tablette wurde nach dem Sterilisieren von Instrumenten mit in das Aufbewahrungsgefäß gegeben. Ziel dessen war, die beim Öffnen des Deckels und der Entnahme eines Instrumentes zugewanderten Erreger zu töten. Das war bei Verwendung von Glasspritzen in Ambulanz und Krankenhaus zumindest in der DDR bis in die 80er Jahre üblich.

    Mir liegen diverse Unterlagen zur EH-Ausbildung und auch etwas Literatur zur Wehrmedizin im Kaiserreich vor. U.A. auch das "Amtliche Unterrichtsbuch über Erste Hilfe" von 1944.
    Für mich ist es sehr interessant zu sehen, wie weit die damalige Ausbildung ging.
    Wie auch heute enthält es Anatomie, Verbandlehre, EH bei Verletzungen & lebensbedrohlichen Umständen. Wie später auch in der DDR wurde auf Schussverletzungen eingegangen.
    Manche EH-Maßnahme von damals taucht auch heute noch in der militärischen Ausbildung auf, nicht jedoch in der zivilen.
    Zusätzlich waren aber auch Todesfeststellung, Hilfeleistung im Krankendienst (Heute Teil des Betreuungsdienstes) und Gesundheitsdienst (Seuchen & Desinfektion) Thema.
    Für mich erstaunlich ist, wie weit das Thema Desinfektion damals gesteckt war.
    Weiterhin gibt es ein intensives Thema über Gaserkrankungen, das mir auch sehr bekannt vorkommt. (Rauch, CO/CO2, nitrose und Kampfgase)
    Es sind auch Angaben über die Gasschutzausrüstung vorhanden - gesplittet in eine Tasche für Ärzte und eine für Gasschutztrupps.
    Was ganz anders gelehrt wurde als heute ist die künstliche Beatmung. Hier wurden lediglich mechanische Maßnahmen gelehrt. Auch die heute übliche Reanimation
    taucht nicht auf.
    Bei der breite der EH-Ausbildung wird die des Feldschers ein ganz anderes Kaliber sein. Da habt Ihr mich richtig neugierig gemacht.

    Gruß,
    1241

  • Hallo, Guten Abend, Moin.....

    aAWahnsinn, ich bedanke mich recht herzlich für die ganzen aufschlussreichen Beiträge und Antworten! Jetzt muss ich nur mal schauen was ich mit dem Teil mache, meine Freundin will so etwas eigentlich nicht im Haus haben...leider...ist ja doch ein kleines Stück Geschichte mit der ich mich doch sehr gerne befasse. Hab schon ne kleine Büchersammlung über die Thematik bis 1945 daheim...

    Grüße.....

  • Hallo zusammen,

    Feldschere befassten sich ausschließlich mit der Wundversorgung auf den Schlachtfeldern und brachten es dabei zu erstaunlichen Kenntnissen und Fertigkeiten

    halte ich für reichlich euphemistisch, die Lobeshymnen. Hat man nicht eher 600 Jahre lang ohne Erfolge brutal gemetzgert und mehr oder weniger nur die Schlachtfelder aufgeräumt?
    Erst die kriegstreibenden Nationen (Napoleon) brachten wahre chirurgische Innovationen hervor und hatten ein Interesse an der Wiederherstellung von Kriegern.

    Grüße Martin

  • Hallo Martin,

    in der Tat, Du hast es geschafft, die Geschichte der Schlachtnachlese und insbesondere die Arbeit der Feldschere in den letzten Jahrhunderten, voll umfassend in zwei Zeilen kritisch zu würdigen.

    Gruß

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo, Guten Abend, Moin.....

    aAWahnsinn, ich bedanke mich recht herzlich für die ganzen aufschlussreichen Beiträge und Antworten! Jetzt muss ich nur mal schauen was ich mit dem Teil mache, meine Freundin will so etwas eigentlich nicht im Haus haben...leider...ist ja doch ein kleines Stück Geschichte mit der ich mich doch sehr gerne befasse. Hab schon ne kleine Büchersammlung über die Thematik bis 1945 daheim...

    Grüße.....

    Hallo,
    falls ich etwas raten darf - behalte das Röhrchen. Falls Du unsicher bist, schweiß es in Folie. Der Grund, warum Du nix davon im www fandest ist, daß solche kleinen, aber
    wichtigen Dinge kaum Beachtung finden und als "unwichtig" entsorgt werden. Im Rahmen der Geschichte des Sanitätsdienstes sieht das etwas anders aus...

    Martin,
    Helfer gibt es so lange wie Geschädigte. Die einen Helfer bleiben namenlos, die Anderen haben eine Bezeichnung oder Rang. Wie man sie nennt ist egal - die Leistung sollte nicht durch neuzeitliche Verblendung geschmälert werden. Metzelei gab es weit länger als die von Dir genannten 600 Jahre. Ärzte auf dem Schlachtfeld gab es schon bei den alten Ägyptern, Römern und anderen damaligen Kulturen. Das Gemetzel wurde weder schöner noch für die Getroffenen angenehmer, nur weil man sich heut mehr um sie sorgt. Spätestens bei der Triage sind wir nämlich wir nämlich auch heute wieder bei den Verlassenen wie denen, die Du ansprichst.

    Gruß,
    1241

  • Hallo Ihr klugen Leute,
    wow, was hier an Wissen zusammengetragen wird ist einfach unglaublich, weiter so.
    Ihr seid der Kracher. Toll dass es das Forum gibt.

    LG Elmar

  • Quote

    Hallo,
    falls ich etwas raten darf - behalte das Röhrchen. Falls Du unsicher bist, schweiß es in Folie. Der Grund, warum Du nix davon im www fandest ist, daß solche kleinen, aber
    wichtigen Dinge kaum Beachtung finden und als "unwichtig" entsorgt werden. Im Rahmen der Geschichte des Sanitätsdienstes sieht das etwas anders aus...

    @ 1241:

    glaubst du es würde evtl. Interesse eines "Museums" oder einer ähnlichen Einrichtung die für die Öffentlichkeit zugänglich ist geben? Ich finde es schon schade das so etwas das anscheinend nicht mehr wirklich häufig vorkommt / vorhanden ist in einer meiner Schubladen verstaubt...

    Wäre für Anregungen dankbar...

    Zitat gerichtet; kkn

    Edited once, last by da_hias (July 15, 2017 at 1:29 PM).

  • Hallo,

    Folgende Dienst - Vorschriften für den Sanitätsdienst "Unterrichtsbuch für Sanitätsunteroffiziere und - mannschaften":
    H.Dv.59
    M.Dv.Nr.275
    L.Dv.59

    führen das o. a. Röhrchen ab S. 338 e ff. Ausgabe August 1939* unter "Sanitätsausrüstung" nicht auf.
    Demnach fand dies, wenn ich obige Ausführungen zu Grunde lege, nur bei der HJ Verwendung.

    * Diese Unterrichtsbuch hatte nach Aussagen eine Sanitätsfeldwebels der Wehrmacht bis Kriegsende Gültigkeit.

    Gruß Karl

  • Hallo,

    ich würde das nicht auf die HJ beschränken. Das von mir o.g. Ausbildungsbuch (geschrieben von Dr.med Richard Krüger, SS-Standartenführer, Oberstarzt d.R.)* dient "...somit der Grundausbildung für die Angehörigen der männlichen und weiblichen Bereitschaften des des Deutschen Roten Kreuzes....". Im Vorwort nimmt der Reichs- und Preußische Minister des Inneren, Frick, Bezug auf eine "Vereinheitlichung des gesundheitlichen Hilfs- und Rettungswesens" nach dem Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz vom 9.12.37 und einem Erlaß vom 10.2.38.

    Beim Thema Desinfektion wird auf S. 115" Formalin 1% oder Chloramin 0,5% d.h. 10g Formalin oder 5g Chloramin auf 1l Wasser..." genannt. Das paßt auch zum Aufdruck des Röhrchens oben.
    Im Rahmen der Desinfektion gab es noch einen Apparat, der das Zeug verdampfen konnte (Desinfektionsapparat von Flügge, auch Breslauer Desinfektionsapparat). Dieser kam bei der sog. Schluß-Desinfektion mit Formalin-Dämpfen zum Einsatz. Während dieser sollten ganze Räume desinfiziert werden.

    @da_hias
    In wie weit ein Museum Interesse hat, kann ich nicht sagen - da hilft nur "Klinken putzen". Aber auch diese haben Lager in denen vieles verstaubt...
    Manchmal ist so eine Schublade gar nicht schlecht, denn wie die eigenen Kinder einmal darüber denken ist nicht vorher zu sagen. Erst wenn das klar ist, würde ich über das Weggeben nachdenken.
    Ich selbst verwende gerne "antiquarisches Material", wenn ich etwas Zeit bei der Ausbildung habe und dem Auditorium etwas näher bringen möchte, als es das aktuelle Ausbildungsmaterial ermöglicht.

    * Warum haben eigentlich der Verfasser und 2 Vorwortschreiber eines DRK-Buches SS-Ränge? Nur Herr Frick hatte wohl keinen.

    Gruß,
    1241


  • ein Feldscher in der HJ war ein Junge mit Interesse an Medizin, der einen Erste-Hilfe-Kurs absolvierte und eine entsprechende Prüfung bestanden hatte.

    Hallo,

    um Thilo noch etwas zu ergänzen: Die HJ-Feldschere waren im Prinzip so etwas wie der "Sanitätsdienst der HJ". Sie unterstützten die HJ-Ärzte und leisteten vor allem bei Lageraufenthalten die medizinische Erstversorgung von HJ-Angehörigen. Eine ähnliche Einrichtung war der Gesundheitsdienst des BDM, anbei mal ein kurzer Pressebericht zu Einsatz und Ausbildung.
    Quelle: Salzburger Volksblatt, Folge 143 vom 24./25. Juni 1939, Seite 18

    Gruß, J.H.