Der Rassismus im NS-Staat

  • Hallo an das Forum,

    ich habe mich die letzten Tage mit dem Thema auseinander gesetzt. Erstmal zum Fall bei meinen Nachbarn.
    Fritz Müller angeborene Hypospadie tritt 1941 in die NSDAP ein. Am 25 Juni 1942 Aufnahme in das Luftgaukomando 17 in Wien. Sein Sohn auch angebotenen Hypospadie wurde 1937 Einberufen und in die Musterung geschickt.( über ihn ist leider nicht viel bekannt). Er galt ab dem 8 Oktober 1941 als vermisst.

    Ich habe mich außerdem auf Medizinischen Plattformen umgeschaut und einen Herrn getroffen der 1944 auf die Welt kam ( auch angeborene Hypospadie).Nach längerem Schreiben fragte ich ihn wie dass mit der Hypospadie in seiner Familie war. Auch er schrieb mir dass sein Vater die Hypospadie hatte. Sein Vater hat auch im 2 Weltkrieg gekämpft und diente in der Luftwaffe. Mehr konnte er mir über die Krankheit und den Militär Dienst nicht sagen da er erst davon erfuhr als sein Vater im Sterben lag.

    Zudem habe ich mir die Dokumentation,, Soldaten der Wehrmacht mit halbem Stern‘‘, angeschaut wo mehrere in der Musterung gesagt haben sie hätten Phimose ( Fehlbildung der Vorhaut).

    Nun habe ich mir wieder die Seiten der Rassenhygiene angeschaut und mich gewundert dass das bei denjenigen kein Problem war.

    Vielleicht kann mir einer hier weiterhelfen.
    Viele Grüße

    Lucas

  • Hallo Lucas,


    wenn Du Dir zwei Aussagen in den wenigen, von Daniel eingestellten, Textseiten anschaust, dann wird Deine Frage schnell beantwortet. Zunächst geht es grundsätzlich um die Erblichkeit verschiedenster Dort beschriebener Gebrechen. Insbesondere um die Häufigkeit innerhalb einer Sippe / Familie. Man bemühte sich also darum den Grad oder die Schwere der Erblichkeit herauszufinden. In einem zweiten Schritt wurde dann die Ausprägung der jeweiligen Krankheit analysiert, also schwer, weniger schwer oder zu vernachlässigen.
    Wobei als Kriterium nicht unbedingt die individuelle Gesundheit eines Patienten im Mittelpunkt stand, sondern vielmehr das Gebrechen in seiner sozialen Wirkung.
    Kurz gesagt, solange eine ererbte Normabweichung, wie beispielsweise die erwähnte Hypospadie oder auch Phimose, einen Soldaten nicht daran hindert im Krieg zu kämpfen, war es wurscht ob ererbt oder nicht.
    Andersherum: Gesundheit und Intelligenz werden auch vererbt, aber niemand stört sich daran!
    Womit wir beim Kern der Eugenik angekommen sind.

    Beste Grüße


    Paul


    G-W-G'

  • Hallo Lucas,

    ich kann dir darauf leider auch keine zufriedenstellende Antwort geben.

    Meine obige subjektive Deutung des Leitfandens für Rassenhygiene etc. ist des weiteren auch nur mit Vorsicht zu genießen.

    Ergänzend möchte ich noch anmerken, dass es schließlich auch zahlreiche homosexuelle und nervenkranke NS-Größen gab und die wurden meines Wissens ebenfalls nicht ins KZ eingeliefert oder zwangsterilisiert. Paul hat es ja schon angemerkt, ich glaube, dass hier noch viele weitere Faktoren eine Rolle gespielt haben.

    Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • mehrere in der Musterung gesagt haben sie hätten Phimose ( Fehlbildung der Vorhaut)

    Hallo,

    dies wohl aber um die erfolgte Zirkumzision (Beschneidung) zu "erklären". Eine Phimose wäre ja eine medizinische Indikation (und keine religiös-kulturelle) für eine Beschneidung.

    Beste Grüße

    OB

  • Hallo,

    dies wohl aber um die erfolgte Zirkumzision (Beschneidung) zu "erklären". Eine Phimose wäre ja eine medizinische Indikation (und keine religiös-kulturelle) für eine Beschneidung.

    Beste Grüße

    OB

    Hallo,

    ja genau das habe ich damit gemeint. Zeitzeugen damals sogenannte Halbjuden haben in der Musterung oft angegeben dass sie wegen Phimose beschnitten wären.
    Habe endlich eine Nachricht von einem Medizinhistoriker erhalten der geschrieben hat dass die Nazis Hypospadie nicht als Gefährdung des sogenannten,, Arischen Körpers’‘, angesehen haben. Zudem ist es nicht geklärt ob es sich hier um eine Erbkrankheit direkt handelt da es auch heute noch viele Beispiele gibt wo Menschen das haben aber in ihrem Familien Umfeld keiner Betroffen ist, und da man auch normal keine Nachteile hat gegenüber Menschen die dies nicht haben, deswegen konnte man damit in alle Truppenteile. Außerdem ist auch bekannt wie oben schon geschrieben dass manche Nazi Größen dies oder ähnliche Sachen hatten .
    Viele Grüße

  • Hallo Lucas,

    bin kein Arzt, aber ich versuche es einmal anhand der vorliegenden Quellen.

    Hypospadie galt nach dem "Leitfaden der Rassenhygiene" von Verschuer als "meist einfach dominat erbliche Missbildung", die ausserdem als schwer eingestuft wurde, siehe dazu Definition in Bauer/Fischer/Lenz, "Menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene". Wenn ich das zusammen richtig interpretiere, schlug der Leitfaden bei "Diagnose: schwer erbkrank" vor, dass "die Erzeugung von Nachkommen in jedem Fall verhindert werden" soll. Den Rest kann man sich denken, glaube ich.

    Grüße

    Daniel

    Hallo Daniel,

    habe das nicht gefunden mit dem Schwer Erbkrank. Habe mich auch nochmal Informiert mit Hypospadie.
    Würde mich über eine Antwort freuen

    Viele Grüße

  • Hallo Lucacs,

    hier nochmal die Aufschlüsselung meiner Interpretation bzw. Deutung und wie gesagt, ich bin kein Arzt.

    Zur reinen Begriffserklärung "Hypospadie" siehe Verschuer, Leitfaden, S.150 und Bauer/Fischer/Lenz, Erblehre, Band 1, S.402. Die Einstufung als schwere Mißbildung ergibt sich m.M. nach nach der Defintition in Verschuers, Leitfaden, S.228/229. Denn Hypostpadie galt als eine erblich bedingte und sichtbar werdende Störung des Körpers ("körperliche Mißbildung"). Ich konnte anfangs nur die darauffolgende Anmerkung nicht deuten: ".... , welche außerhalb der normalen Variationsbreite gelegen ist." Das würde m.M. nach bedeuten, wenn Hypospadie innerhalb der normalen Variationsbreite liegt, dann ist es keine schwere Mißbildung, wenn außerhalb, dann eine schwere Mißbildung. Im nächsten Satz findet man dazu aber auch eine genaue Festlegung, die heisst: "Alle angeborenen, also während des vorgeburtlichen Lebens entstandenen, aber auch die während des nachgeburtlichen Wachstums sich herausbildenden Körperfehler sind somit gemeint. ..."

    Weiter kann ich auch nicht helfen.

    Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Tag allerseits,

    das NS-System war vom Anfang an rassistisch geprägt.

    Selbst in der Architektur ging es um die Juden.

    Um 1934 sagte Hitler:

    "Wie wahrhaft jammervoll aber ist das Verhältnis zwischen Staat und Privatbau heute geworden. Würde das Schicksal Roms Berlin treffen, so könnten die Nachkommen

    als gewaltigste Werke unserer Zeit die Warenhäuser einiger Juden und die Hotels einiger Gesellschaften als Ausdruck der Kultur unserer Tage bewundern."

    Jedenfalls passte Hitler wohl der Bauhaus-Stil jüdischer Kaufhäuser in keiner Weise!

    Grüße

    Bert

  • Hallo Daniel,

    danke für Information habe mich darüber nochmal Informiert und bin auf einen sehr interessanten Artikel gestoßen.
    18 Walter Matheja, Ein interessanter Fall von Hermaphroditismus, in: Kinderärztliche Praxis 7 (1936), S. 158f.; C. Böhner, Waltrudis oder „Walter“?, in: Zentralblatt für Chirurgie 65 (1938), S. 142 ff.


    Wenn hingegen bei Kindern Hypospadie diagnostiziert wurde, wurde diese häufig „korrigiert“, um, wie es bereits in den 1920er Jahren hieß, Belastungen in der psychischen Entwicklung vorzubeugen. Die meisten Ärzte waren sich aber einig, dass bei Hypospadie nur selten Hermaphroditismus vorliege, vielmehr das biologische Geschlecht der Betroffenen eindeutig männlich sei, weshalb auch die psychosexuelle Entwicklung natürlicherweise männlich verlaufe.

    Also wurde im Falle ein Hypospadie oder auch Phimose nicht anders als heute gehandelt. Somit konnte man damit alles an Berufen in der damaligen Zeit werden.
    Ich hoffe ich konnte damit noch etwas beitragen. Ich danke für alle Antworten.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lucas

  • Hallo Bert,

    Um 1934 sagte Hitler:

    "Wie wahrhaft jammervoll aber ist das Verhältnis zwischen Staat und Privatbau heute geworden. Würde das Schicksal Roms Berlin treffen, so könnten die Nachkommen

    als gewaltigste Werke unserer Zeit die Warenhäuser einiger Juden und die Hotels einiger Gesellschaften als Ausdruck der Kultur unserer Tage bewundern."

    ich weiß zwar nicht woher du deine Informationen bezüglich des Jahres 1934 hast,der Richtigkeit halber möchte ich nur darauf hinweisen,dass das von dir angegebene Zitat aus Hitlers Buch "Mein Kampf" stammt (S.291) und somit aus der Zeit vor 1934 stammt.

    Diese Passage wurde dazu ebenfalls bereits im Illustrierten Beobachter von 1931 Folge 23 Seite 477 abgedruckt.

    Verfall.jpg


    Gruss Chris

  • Also wurde im Falle ein Hypospadie oder auch Phimose nicht anders als heute gehandelt.

    Hallo,

    was genau meinst du damit? Es handelt sich um 2 völlig verschiedene Diagnosen. Die Indikationen zum Handeln ergaben und ergeben sich heute auch aus dem konkreten Befund, sowie möglichen allgemeinen Komplikationen. Bei Ersterer ist natürlich für besagte Zeit, der hier ja nun auch in einiger Breite

    besprochene "rassenhygienische" Aspekt zu berücksichtigen. Grundsätzlich würde ich mich bei der Bewertung solcher Fragen nicht unbedingt nur an Autorennamen und Werken orientieren.

    Beste Grüße

    OB

  • ch weiß zwar nicht woher du deine Informationen bezüglich des Jahres 1934 hast,der Richtigkeit halber möchte ich nur darauf hinweisen,dass das von dir angegebene Zitat aus Hitlers Buch "Mein Kampf" stammt (S.291) und somit aus der Zeit vor 1934 stammt.


    Diese Passage wurde dazu ebenfalls bereits im Illustrierten Beobachter von 1931 Folge 23 Seite 477 abgedruckt.

    Hallo,

    danke hierfür. Es wäre weiterhin zu bedenken in wieweit die Thematik Juden & Architektur nicht bereits als antisemitisches Motiv im Sinne einer Kritik der Moderne bzw. antimodernisitischer Tendenzen in bestimmten Kreisen der Gesellschaft und entsprechender Publikationen bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts allgemein vorhanden war und von Hitler hier nur rezipiert wurde, wie vielerlei in Mein Kampf. Der angebotenen Allgemeinplatz "Selbst in der Architektur ging es um die Juden" mag somit zwar mitnichten falsch sein, doch erscheint er mir recht banal und verkürzt.

    Beste Grüße

    OB

  • Hallo,

    was genau meinst du damit? Es handelt sich um 2 völlig verschiedene Diagnosen. Die Indikationen zum Handeln ergaben und ergeben sich heute auch aus dem konkreten Befund, sowie möglichen allgemeinen Komplikationen. Bei Ersterer ist natürlich für besagte Zeit, der hier ja nun auch in einiger Breite

    besprochene "rassenhygienische" Aspekt zu berücksichtigen. Grundsätzlich würde ich mich bei der Bewertung solcher Fragen nicht unbedingt nur an Autorennamen und Werken orientieren.

    Beste Grüße

    OB

    Hallo OB,

    ich meinte damit dass die Operation damals wie auch heute durchgeführt wurde/wird. Das Ergebnis war dann das die Öffnung an der Eichelspitze platziert wurde. Des weitern war man dadurch ja in kleinster Weise beeinträchtigt und auch nach der Operation konnte man Äußerlich nichts mehr erkennen.
    Viele Grüße

    Lucas