Der Rassismus im NS-Staat

  • Hallo,

    da manche Interesse gezeigt haben warum ich genau diese Seiten suche,werde ich das mal für manche erklären:

    Ich habe vor kurzem angefangen mich über die Rassenhygiene der Nazis zu informieren. Besonders mit dem Thema Euthanasie.
    Da ich selber Hypospadie habe, habe ich mich gefragt was mit mir in der damaligen Zeit passiert wäre. Wäre ich sterilisiert worden?
    Mich hat aber auch gewundert dass z.b mein Uronkel der Asthma hatte in den Krieg zog. Obwohl Asthma ja eine bekannte Erbkrankheit ist.
    Vielleicht kann mir hier noch einer weiterhelfen. Über jede Antwort freue ich mich!
    Viele Grüße

    Lucas

  • Tag allerseits,

    Asthma hat eine gewisse erbliche Komponente. Unter den NS-Begriff "Erbkrankheit" fiel Asthma jedenfalls nicht.

    Es ging um folgenden Krankheiten

    1. angeborener Schwachsinn

    2. manisch-depressives Irrsein

    3. Schizophrenie

    4. Epilepsie

    5. Chorea Huntington

    6. erbliche Blindheit

    7. erbliche Taubheit

    8. schwere erbliche körperliche Missbildung.

    Was der NS-Staat unter "schwere erbliche Missbildung" verstand? Dazu kann ich eigentlich kaum eine vernünftige Aussage machen.

    Grüße

    Bert

  • Hallo Bert,

    zur damaligen Definition gab das Buch, Leitfaden der Rassenhygiene, von Otmar Freiherr von Verschuer Auskunft.

    Zur Person: https://de.wikipedia.org/wiki/Otmar_von_Verschuer

    Hier wieder Fotos der entsprechenden Seiten, da ich das Buch ebenfalls nur im Original vorliegen habe und es sich auf Grund des Alters nur schwer einscannen lässt. Es handelt sich dabei um die 2. verbesserte Auflage aus dem Jahr 1944, Georg Thieme Verlag Leipzig, S.228-230.

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    Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

    Edited once, last by Policeman (December 28, 2020 at 2:00 PM).

  • Hallo Zusammen,

    daß sich der Inhalt der Seiten mit der Ideologie des damaligen Regimes deckt wird sicher kein Zufall sein.

    Ich bin nur erschrocken, daß ausgerechnet der Thieme-Verlag, der sich selbst höchste wissenschaftlichkeit auf die Fahne schreibt, sich in diesem Maße dazu herabließ.

    Ich glaube nicht, daß solch eine Lehrmeinung dem objektiven Kenntnisstand der Medizin entsprach.

    Gruß Christian

    Dankbar für Informationen über: (Pz)PiBtl 51, PzPiErsBtl. 19, PiBtl 675 (116 PD), PiBtl 203 (203 ID)

  • Hallo Daniel,

    steht in dem Buch auch etwas über die sogenannten Hypospadie ( Urologische Fehlbildung) drin?
    Danke für die zahlreichen Antworten auch der anderen aus dem Forum.
    Grüße

    Lucas

  • Hallo hennesmeister,

    ein schwieriges Thema und auch heute noch unter Medizinern nicht gern gehört.

    Diese Werke waren Standardfachliteratur im Dritten Reich. Der Ursprung der Rassenideologie ist aber weit früher zu verorten, nämlich im 18. Jahrhundert bei einem Franzosen mit Namen de Gobineau. Zu dieser Zeit wurde sein Werk aber kaum gelesen. Später spielt Darwin weltweit auch eine große Rolle. Als Begründer der Rassenhygiene in Deutschland gilt Alfred Ploetz. Im Übrigen mussten die Spitzen der dt. Ärzteschaft nach 1933 nicht gleichgeschaltet werden, denn sie schalteten sich selbst gleich. Der bedeutende Journalist und spätere Historiker zum Thema Ernst Klee sagte dazu einmal: "Nicht die Nazis hatte die Medizin missbraucht, sondern die Medizin die Nazis." Es gibt unendlich viel gute Fachliteratur zum Thema, kann man hier alles gar nicht aufzählen.

    Gehe mal in ein ehrwürdiges Krankenhaus und frage nach dem Archiv und den Unterlagen aus der NS-Zeit. ;) Du wirst ganz sicher auf Ablehnung stossen, ich spreche da aus Erfahrung. Mir ist generell überhaupt keiner bekannt, der mit offenen Armen empfangen wurde.

    @ Lucas

    Kann ich momentan aus dem Stegreif nicht sagen, müsste ich erst mal in Ruhe durchblättern.

    Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Hallo daniel,

    Du hast in allen Punkten völlig Recht! Ich sehe das genau so. Ich komme beruflich aus der Medizin und habe auch auf diesem Feld meine Rechercheerfahrungen gesammelt.

    Ich habe in 2017/ 2018 eine akademisierte Weiterbildung abgeschlossen. Als erstes lernten wir wir wissenschaftlich zu arbeiten und die Bedeutung der Wissenschaft, wie sie sich selbst sieht (in diesem Zusammenhang: besser sehen sollte!) auch im Laufe der Zeitgeschichte - angefangen bei Plato. Ich kenne auch die Diskussionen an der hiesigen Uni über Lehrwerke aus der NS-Zeit, die jetzt plötzlich verboten werden sollten. Mir ist wer wen "ausgenutzt" hat bekannt. Aber daß derart renomierte Institutionen die Erkenntnisse ad absurdum führten und solch einen Qutsch als höchst wissenschaftlich darstellten ... läßt bei mir eine Welt zusammenbrechen.

    In diesem Kontext habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht. Vielleicht bin ich naiv aber sicher bin ich empört, welche Ausmaße die rassistische Ideologie angenommen hatte. Sorry - aber hier und in meinem vorherigen Post mußte ich ein wenig Dampf ablassen.

    Gruß Christian

    Dankbar für Informationen über: (Pz)PiBtl 51, PzPiErsBtl. 19, PiBtl 675 (116 PD), PiBtl 203 (203 ID)

  • Hallo Christian,

    ich empfinde es überhaupt nicht so, dass du Dampf abgelassen hast. Du hast halt nur die Wahrheit gesagt, daher ist alles gut. Sowas sollte auch mal erwähnt und klargestellt werden. Man spricht eigentlich viel zu wenig über das unangenehme Thema Medizin im NS-Staat, leider bis heute.

    Ich muss auch ehrlich gestehen der Thread und die Diskussion haben mich erneut ein wenig heiß laufen lassen, mich wieder mehr dieser interessanten Thematik zu widmen und um den Finger bei passender Gelegenheit in die Wunde der Gesellschaft zu legen.

    Danke dafür & viele Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Quote

    Mir ist wer wen "ausgenutzt" hat bekannt. Aber daß derart renomierte Institutionen die Erkenntnisse ad absurdum führten und solch einen Qutsch als höchst wissenschaftlich darstellten ... läßt bei mir eine Welt zusammenbrechen.

    Hallo,

    mit dieser Aussage zeigst du eigentlich, dass du den Sachverhalt, den du nur wenige Sätze davor ausgeführt hast, nämlich, dass sinngemäß gesprochen Konzepte von Wissenschaftlichkeit einem Wandel unterliegen, nicht verinnerlicht hast. Ansonsten würdest du das Wort "Quatsch" vermeiden.

    Die Konzepte und Theorien der Eugenik, in Deutschland "Rassentheorie" genannt, waren in der damaligen "westlichen Welt" akzeptierte, ernst genommene Lehrmeinungen. Und das ist zunächst einmal völlig wertfrei gemeint und auch so zu betrachten. Die Verwerfungen die das nach sich gezogen hat, sind bekannt.

    Als "Quatsch" können wir dies heute nur etikettieren, weil man durch die nach 1945 sich immer stärker etablierenden biomedizinischen Laborwissenschaften, hinsichtlich Vererbung, Erbkrankheiten, etc. schlauer geworden ist.

    Wir sprechen heute von Humangenetik. Deren erste Vertreter übrigens großteils aus dem Kreise jener stammen, welche sich vor 1945 Rassentheoretiker nannten!

    Es fällt auf, dass hier im Forum (und besonders in diesem Thread) , wenn es um Wissenschaftsgeschichte vor allem auch der Biowissenschaften geht, doch meist nur emotional-politisch argumentiert und geschrieben wird, da den allermeisten sowohl wissenschaftstheoretische, als auch wissenschaftshistorische Hintergründe fehlen. Eine echte wissenschaftshistorisch-theoretische Debatte, welche tiefgreifende Kenntnisse historischer Konzepte von Wissenschaftlichkeit voraussetzt habe ich hier zu diesem Thema bisher nicht gesehen. Man muss leider sagen, dass hier der Vorwurf, der sonst nur von den Ewiggestrigen hinsichtlich des "Anlegens heutiger Maßstäbe an damalige Konzepte" vorgetragen wird, hier leider tatsächlich einmal zutrifft!

    Die Literatur zur Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts ist uferlos! Man kann nur ermutigen sich hier einzulesen. Es eröffnen sich einem Welten von denen man gar nicht geglaubt hat, dass es sie gibt!


    Nur nebenbei: Die Themen Vererbung von Ethnizität und Vererbung von Intelligenz sind zwar in den öffentlich-medialen Diskursen der westlichen Welt politisch völlig unkorrekt, jedoch an den Spitzenuniversitäten dieser Welt mit großem Aufwand und viel Forschung bedachte Themen, welche ganz ernsthaft diskutiert werden. Dies auch Dank der molekulargenetischen Methoden der heutigen Zeit auf einem ganz anderen Niveau. Siehe hier z.B. die Arbeitsgruppe von David Reich an der Harvard Universität.

    Beste Grüße

    OB

  • Hallo OB,

    Deine vorherigen Anmerkungen zur Eugenik / Rassentheorie sollten bitte soweit relativiert werden, dass sie immer eine, zudem noch uneinheitliche, Lehrmeinung unter anderen war, allerdings weit verbreitet. Das besondere Problem der Eugenik liegt darin, dass unterstellt wurde / wird, jeweils aktuelle soziale, ökonomische und psychosoziale gesellschaftliche Fehlentwicklungen einzig auf ererbte individuelle Defekte zurückzuführen sind. Und diese Defekte progressiv zunehmen, bis hin zur apokalyptischen Vorstellung einer völligen Degeneration und Zerstörung des Volkes. Es somit und unbedingt geboten ist, einzugreifen und die Vererbungskette zu unterbrechen. Wobei die angewandten Methoden von Sterilisation bis Vergasung (Aktion T-4) reichten.

    Ausgeprägte Armut ab der zweiten Hälfte des 19. Jh. sowie eine unterentwickelte medizinische und soziale Versorgung fand ihren Niederschlag in vielen chronischen Krankheiten, körperlichen und geistigen Missbildungen unübersehbaren Ausmaßes, für jeden täglich wahrnehmbar und scheinbar mit zunehmender Tendenz. Inwieweit biologische oder soziale Determinanten für die unterstellte gesellschaftliche Fehl- bzw. bestehende Unterentwicklung verantwortlich waren, war unentschieden und auch die Frage mit welchen Mitteln dagegen vorgegangenen werden sollte ebenso. Tendenziell waren linke Kreise (SPD, Arbeiterbewegung) eher der sozialen Komponente als Mittel zugeneigt, zogen aber auch die Eugenik in ihre Modelle mit ein. Auf der bürgerlichen und völkischen Seite neigte man eher dem gegenteiligen Modell zu. Diese Konstellation lässt sich im Grunde in allen sich damals modernisierenden und industrialisierenden Länder mit überwiegend "weißer" Bevölkerung nachweisen und hielt tlw. bis weit nach dem 2. Weltkrieg an. Festzuhalten ist jedoch, dass die entwickelten Programme (hauptsächlich Sterilisation) zur Abhilfe, niemals im Mittelpunkt der Gesellschaftspolitik der einzelnen Länder standen. Sie dienten nur begrenzt, wenn überhaupt, als ideologische Basis für den Machtanspruch und Herrschaft.

    Einzig das NS-Regime in Deutschland (und Europa) erhob die Eugenik, den Rassismus und Sozial-Darwinismus zur Basis und Handlungsmaxime ihres Regimes, mit den allen bekannten schrecklichen Folgen.

    Die Themen Vererbung von Ethnizität und Vererbung von Intelligenz sind zwar in den öffentlich-medialen Diskursen der westlichen Welt politisch völlig unkorrekt, jedoch an den Spitzenuniversitäten dieser Welt mit großem Aufwand und viel Forschung bedachte Themen, welche ganz ernsthaft diskutiert werden. Dies auch Dank der molekulargenetischen Methoden der heutigen Zeit auf einem ganz anderen Niveau. Siehe hier z.B. die Arbeitsgruppe von David Reich an der Harvard Universität.

    Diese Forschung findet vor einem gänzlichen anderen Hintergrund statt oder wie Du schreibst "auf einem ganz anderen Niveau". Die Gefahr jedoch, dass auch hier politischer Missbrauch stattfindet ist latent vorhanden, ein kritische Öffentlichkeit ist auch hier angesagt.

    Beste Grüße

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo an das Forum,

    hätte eine letzte Frage,

    Das Thema ,,Sterilisation‘‘ in der Rassenhygiene war ja ein dominantes Thema aber wie sah es aus wenn man durch eine Operation die Fehlbildung wieder komplett beheben konnte (also nicht ersetzen von Prothesen sonder ganz natürlich alles wieder richtig wurde)und dadurch keine Nachteile hatte. Konnte man dann auch wieder jeden Beruf ausüben? ( Arzt, Handwerker, Soldat)

    Viele Grüße

    Lucas

  • Guten Abend Miteinander,

    ich schätze dieses Forum sehr. Ins Besondere weil hier in der Regel neutral und auf Fakten basierend Themen besprochen werden, die in unsere Gesellschaft in der Vergangenheit, wie auch heute tabuisiert werden. Hier wird die "böse Vergangenheit" auf eine vernünftige Weise und auf einem hohen Niveau bearbeitet.

    Genau aus diesem Grunde möchte ich mich entschuligen, daß ich mich dazu hinreißen ließ, emotinal motiviert zu Posten. Ich habe mich nich genügend in das Thema eingearbeitet um Sattelfest argumentieren bzw. diskutieren zu können ... aber impulsiv meinen Senf dazu gegeben.

    Inhaltlich bleibe ich grundsätzlich bei meiner Aussage. Jedoch möchte ich eine kleine Korrektur vornehmen. Aus heutiger Sicht ist es Quatsch ... aus damaliger Sicht halte ich es für Quatsch.

    Zu meinen Gedanken...

    Vorweg sei gesagt, daß der Autor aus damaliger(!) Sicht eine Koriphäe auf diesem Gebiet war und Mitglied beim „Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik beim Reichsinnenminister“ war. Die Arbeit dieses Beirates bildete die Grundlage für das 1933 verabschiedete "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses". Der Staat wurde im überwiegend nicht (offen) in Frage gestellt.

    Die oben abgebildeten Seiten des Buches sollten dem Aufmerksamen Leser erheblichen Anlaß zur Sorge geben und auch damals gegeben haben:

    Seite 229:

    "Heilerfolge können für die Begutachtung dann wichtig sein, wenn dadurch Schlüsse auf den Schweregrad der anlagemäßigen Störung gezogen werden können. So ist z. B. eine durch sachgerechte Frühbehandlung ausgeheilte Hüftgelensverrenkungen keinesfalls eine "schwere" Mißbildung."

    Heißt das im Umkehrschluß, daß die nicht frühzeitig behandelte "Hüftgelenksverrenkung" eine schwere Mißbildung im Sinne des Gesetzes darstellt? Leider wird das (auch heute) nicht immer rechtzeitig erkannt und somit nicht behandelt.

    Seite 231:

    Zum Thema Alkoholismus: "In allen weniger typischen Fällen ist die Sippenuntersuchung die wertvollste Stütze der Erbdiagnose. Besonders beweisend ist der Nachweis von weiteren Fällen von Alkoholismus bei nächsten Sippenangehörigen. Aber auch das Vorkommen von Schwachsinnigen in der Familie [...] hat als Ebbeweis zu gelten."

    Hier scheint der Verdacht des Alkoholismus bereits auszureichen, jemanden zwangsweise sterilisieren zu lassen. Leider habe ich keine Zahlen zu den WK1-Veteranen, die als "Kriegsschüttler" (Schwachsinnige?) oder Alkoholiker heimkehrten und bei deren in zwischen erwachsenen Kindern (> nächste Sippenangehörige) Alkoholmißbrauch vermutet wird.

    Summa Summarum ist dieses Buch, zumindest die hier geposteten Seiten und die, die ich heute gelesen habe, eine Ansammlung von vagen Legitimierungen zur Diskriminierung und "Entsorgung" unliebsamer Individuen in wissenschaftlichem Habitus. Es entbehrt die 4 Gütekriterien des wissenschaftlichen Arbeitens: Objektivität, Repräsentativität, Validität und Reliabilität. Das hätte (nicht nur) den damaligen Wissenschaftlern auffallen können ... aber gegen den Staat zu wettern war gefährlich. Das verstehe ich.

    Die beiden Beispiele sollten ausreichend darstellen, warum ich das als wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse für Quatsch halte und halten werde. Ich glaube schon, daß die Ausführungen auf den Erkenntnissen der damaligen Wissenschaftlern basieren aber die Darstellung hat nichts mit Wissenschaftlichkeit zu tun.

    Ich hoffe meine Gedanken und meinen Unmut halbwegs verständlich dargestellt zu haben. Auch wenn es mit dem nötigen Abstand ein recht interessantes Thema ist, werde ich mich aus zeitlichen Gründen nicht intensiv damit befassen (können). Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Um die von mir im ersten Satz beschriebe Qualität der hiesegen Arbeit nicht unnötig zu stören/ mindern, klinke ich mich hier aus.

    Gruß Christian

    Dankbar für Informationen über: (Pz)PiBtl 51, PzPiErsBtl. 19, PiBtl 675 (116 PD), PiBtl 203 (203 ID)

  • Hallo Christian,

    vielen Dank für deine ergänzende Erklärung, dazu fällt mir aber noch folgendes ein.

    ...

    Zum Thema Alkoholismus: "In allen weniger typischen Fällen ist die Sippenuntersuchung die wertvollste Stütze der Erbdiagnose. Besonders beweisend ist der Nachweis von weiteren Fällen von Alkoholismus bei nächsten Sippenangehörigen. Aber auch das Vorkommen von Schwachsinnigen in der Familie [...] hat als Ebbeweis zu gelten."

    Hier scheint der Verdacht des Alkoholismus bereits auszureichen, jemanden zwangsweise sterilisieren zu lassen. Leider habe ich keine Zahlen zu den WK1-Veteranen, die als "Kriegsschüttler" (Schwachsinnige?) oder Alkoholiker heimkehrten und bei deren in zwischen erwachsenen Kindern (> nächste Sippenangehörige) Alkoholmißbrauch vermutet wird.

    ...

    Bei der Erstellung von Diagnosen wird heute in einer Psychotherapie genau so vorgegangen wie damals, nur es werden andere zeitgemäßere Fachbegriffe verwendet. So zum Beispiel wird heute nicht der Begriff "Sippenuntersuchung", sondern "Familienuntersuchung" oder für das "Vorkommen von Schwachsinnigen in der Familie" wird der Begriff "Psychische Vorerkrankung in der Familie" genutzt. Viel entscheidender ist heute aber letztendlich ein anderer Umgang, nämlich nicht die deinerseits vermutete damalige Zwangssterilisation anzuwenden, sondern die Behandlung (Therapie) der Erkrankten. Aus heutiger Sicht natürlich unverständlich, aber zum damligen Zeitpunkt gehörte die Steriliesation zum "Fortschrittsdenken", um die Kette der vermeintlich erblich bedingten Krankheiten zu unterbrechen.

    Beste Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Hallo Daniel,

    danke für die Hinweise. Die heutigen begrifflichkeiten sind mir bekannt. Ich habe berfuflich mit Medizin zu tun. Ich habe die Termini verwandt um den Bezug zu den Zitaten deutlicher zu machen.

    Heute werden die Abhängigkeitssyndrome an sich als Krankheit gesehen. Damals ging man davon aus, daß Suchterkrankungen "nur" ein Symptom einer Erkrankung oder eines Fehlers des Erbgutes darstellt. Ergo ist die Familienanamnese wie zitiert ein sehr wichtiges diagnostisches Werkzeug.

    Gruß Christian

    Dankbar für Informationen über: (Pz)PiBtl 51, PzPiErsBtl. 19, PiBtl 675 (116 PD), PiBtl 203 (203 ID)

  • Hallo an das Forum,

    Danke für die nützlichen Informationen.

    Danke auch für die verschiedenen Beispiele.
    Da ich gelesen habe dass hier der ein oder andere im Medizinischen Bereich tätig sind hätte ich noch eine spezielle Frage. Wie wurde damals mit dem Thema Hypospadie umgegangen. Konnte aus den Seiten von dem Buch von Fritz Lenz keine klare Antwort herausnehmen.
    Viele Grüße

    Lucas

  • Hallo Lucas,

    ich kann Dir nicht sagen, wie bei konkret dieser Fehlbildung während der NS-Zeit umgegangen wurde. Es war sicher auch von der Variante abhängig ... vielleicht ist es gar nicht aufgefallen. Dann wäre auch nichts passiert.

    Du hast schon verschiedentlich danach gefragt. Vermutlich hast Du Dich mit dem Thema (auch im geschichtlichen Kontext) schon eingehend befaßt. Möglicherweise ist es für Dich zielführender wenn Du Deine bisherigen Erkenntnisse in einem eigenen Thread postest, um eine Diskussionsgrundlage zu bieten.

    Gruß Christian

    Dankbar für Informationen über: (Pz)PiBtl 51, PzPiErsBtl. 19, PiBtl 675 (116 PD), PiBtl 203 (203 ID)

  • Hallo Lucas,

    bin kein Arzt, aber ich versuche es einmal anhand der vorliegenden Quellen.

    Hypospadie galt nach dem "Leitfaden der Rassenhygiene" von Verschuer als "meist einfach dominat erbliche Missbildung", die ausserdem als schwer eingestuft wurde, siehe dazu Definition in Bauer/Fischer/Lenz, "Menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene". Wenn ich das zusammen richtig interpretiere, schlug der Leitfaden bei "Diagnose: schwer erbkrank" vor, dass "die Erzeugung von Nachkommen in jedem Fall verhindert werden" soll. Den Rest kann man sich denken, glaube ich.

    Grüße

    Daniel

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  • Hallo Lucas,

    ich kann Dir nicht sagen, wie bei konkret dieser Fehlbildung während der NS-Zeit umgegangen wurde. Es war sicher auch von der Variante abhängig ... vielleicht ist es gar nicht aufgefallen. Dann wäre auch nichts passiert.

    Du hast schon verschiedentlich danach gefragt. Vermutlich hast Du Dich mit dem Thema (auch im geschichtlichen Kontext) schon eingehend befaßt. Möglicherweise ist es für Dich zielführender wenn Du Deine bisherigen Erkenntnisse in einem eigenen Thread postest, um eine Diskussionsgrundlage zu bieten.

  • Hallo an das Forum,

    ich werde mich die Tage noch in ein oder zwei Dinge einlesen und dann meine Erkenntnisse teilen. Ich wünsche ein guten Rutsch

    Viele Grüße

    Lucas