Deutsches Flugzeug mit 6 Triebwerken = ( Ju 390 V1 )

  • Hallo,
    habe in einer Zeitung diese 2 Bilder gefunden, diese zeigen ein Deutsches Flugzeug.
    Die Bilder sind sehr schlecht, da diese aus der Zeitung abgescannt sind und auch im Original wohl nicht die Besten sind.
    Es herrschte damals auch absolutes Fotografieverbot!

    Interessant, es muss ein sehr großes Flugzeug gewesen sein (Prototyp) mit 6 (!!!) Motoren
    Fotos stammen vom März 1945.

    Kann jemand etwas zu dieser Maschine sagen?!

    Dank im voraus - Jürgen

  • Hallo,

    bei dem gezeigten Flugzeug handelt es sich wahrscheinlich um den Prototyp der Junkers Ju 390.
    Dieses Flugzeug war eine Weiterentwicklung der Ju 290.

    Übrigens: es gab auch "richtige" 6 motorige Flugzeuge: die Me 323 "Gigant.
    Dieser Typ wurde u.a. zur Versorgung des Afrika-Korps eingesetzt.

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

  • Hallo Jürgen,

    sehr interessant! Um welche Zeitung handelt es sich denn und wird in den Bildunterschriften irgendwas dazu gesagt?

    Die Ju 390 V1 war ja nicht allzu oft in "freier Wildbahn". Die meisten Flüge fanden in Dessau statt. Dann war sie zu verschiedenen Versuchen in Prag/Rusin und im November 1943 in Insterburg, wo sie Hitler und seinem Stab vorgeführt wurde. Ab Spätsommer 1944 bis Kriegsende war sie in Dessau abgestellt, um schließlich kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner durch Werksangehörige vernichtet zu werden. Die Fotos können also nicht von vom März 1945 stammen.

    Sind da mehrere Frauen mit auf dem Foto? Wenn ja, sehr ominös.

    Was die Me 323 und "richtiges" Flugzeug angeht, frag mal die ehemaligen Piloten. Die waren froh, wenn sie anstatt der 323 mal wieder ein richtiges Flugzeug fliegen durften.

    Viele Grüße
    Peter

    Edited once, last by Deadalus (July 22, 2016 at 10:03 PM).

  • Guten Abend zusammen!

    Ich zitiere aus der Zeitung:
    An einem trüben Tag Ende März 1945 vernahmen wir ein dröhnendes Geräusch über Hohenwald (Kreis Friedland (Sudeten) ...
    ... die Kriegsfront war schon bedenklich nahe an unsere Gegend herangerückt ... zu unserem Erstaunen sahen wir auf einem Sturzacker in Richtung Olbersdorf ein riesiges Flugzeug stehen... erst als wir die deutschen Hoheitszeichen erkannten, gingen wir näher ... Einige Männer kamen mit den Piloten ins Gespräch. Diese gaben an, auf einem Übungsflug zu sein, bei der Maschine handelt es sich um einen Proto-Typ der Luftwaffe - Treibstoffmangel war die Ursache für die Notlandung.
    Die Landung auf dem zerfurchten und teilweise schneebedeckten Acker war eine Meisterleistung des Piloten, ein entscheidenter Faktor spielte sicher der gefrorene Boden.
    Das Flugzeug stand etwa vier Tage streng bewacht auf dem Acker. In dieser Zeit strömten hunderte Schaulustige aus der Umgebung zu diesem Schauplatz, Fotografieren was streng verboten. Dennoch sind heimlich Fotos gemacht worden ...
    als aus Reichenberg der benötigte Treibstoff herangeschafft war ... mit einem Traumstart ist dem Piloten wieder eine bewundernswerte Leistung geglückt!

    aus Friedländer Zeitung ...

    Gruß Jürgen

  • Hallo Jürgen,

    danke für das Einstellen des Textes. Merkwürdig. Dann muss die Ju 390 V1 doch noch so spät im Krieg geflogen sein. Junkers-Flugkapitän Pancherz hat die Maschine am 15.11.44 von Prag-Klezan nach Dessau überführt. Danach soll sie bei Junkers bis Kriegsende abgestellt gewesen sein nach Kössler/Ott: Die großen Dessauer, S.105, Planegg 1993.

    Ich werde Herrn Kössler mal anklingeln und ihn nach seiner Meinung fragen.

    Nach dem bunten Publikum zu urteilen könnte die Landung wirklich in der "Pampa" erfolgt sein. Was mich aber stutzig macht, ist, dass alle sechs Luftschrauben schon militärisch exakt ausgerichtet sind. Dass die zufällig alle in die gleiche Richtung zeigen, kann ich mir kaum vorstellen. So was wurde eher bei Präsentationen gemacht. Jedenfalls ist das alles sehr komisch.

    Noch eine Frage: Die Zeitung ist erst nach Kriegsende erschienen?

    Viele Grüße
    Peter

    Edit: Anbei noch ein Foto der ausgebrannten Ju 390 zu Kriegsende.

  • Hallo Peter,
    aktuelle Zeitung, der diesen Bericht geschrieben hat war Zeitzeuge und hat selbst Bilder gemacht.
    Diese wurden bei der Vertreibung vernichtet. Nun hat auch eine andere Zeitzeugin diese zwei Bilder beigesteuert.
    Schreibe mir eine Mail (geschaeftsfuehrer@dgo-ev.de), ich schicke dir dann einen Scann des Artikels.

    Ach ja, oftmals sind "Dinge" doch ganz Anders gelaufen wie es bis heute so dargestellt wurde.
    Fakt - diese Menschen haben es - ERLEBT

    Gruß Jürgen

  • Hallo,
    noch was zur Ju 390. Die Ju 390 V 1(GH-UK) wurde in Dessau und die Ju 390 V2(RC-DA) in Bernburg. Die V 1 warals Transporter und die V 2 erhielt eine Ausrüstung als Seeaufklärer. Im Januar wurde siean die Fernaufklärungsgruppe 5 in Mont de Marsan. Von dort wurde ein Aufklärungsflug bis kurz vor New York durchgführt.
    Gruss
    Rainer
    P.S.: Quelle W. Green: War Planes of the Second World War, Bombers and Reconnaissance Aircraft, Volume Ten, London, Second Impression 1969, Seite 170-172

    Suum cuique

  • Hallo Rainer,

    es gab nur die Ju 390 V1. Eine V2 wurde nie gebaut. Sie befand sich in Merseburg, nicht Bernburg, im Anfangsstadium der Fertigung, wurde aber mit Abbruch des Programms Mitte 1944 nicht mehr fertiggestellt, sondern vernichtet. Es gibt dazu Protokolle und Abrechnungen mit dem Kriegsschädenamt.

    Green ist leider sehr fehlerhaft und heute in Luftfahrtkreisen keine seriöse Quelle mehr. Zur Ju 390 verweise ich auf das obengenannte Buch von Kössler/Ott, das den aktuellen Stand der Forschung repräsentiert. Die RC+DA ist übrigens eine Fotomontage von Gert Heumann, seinerzeit Redakteur bei der Flug Revue. Er hat leider mehrere solche Phantasiegrafiken auf dem Gewissen. Green und Heumann arbeiteten als duo infernale in den 50er und 60er sehr eng zusammen und haben viele Unwahrheiten in die Welt gesetzt, die später nur noch schwer zu korrigieren waren und sind.

    @Jürgen
    Danke für das Angebot, das ich gerne annehme. Also sind die Erinnerungen im Abstand von nun mittlerweile 70 Jahren niedergeschrieben. Vielleicht war es ja auch März 1944? Das würde dann gut mit der Flugerprobung in Prag zusammenpassen.

    Viele Grüße
    Peter

  • Hallo Jürgen,

    ja, das passt dann natürlich nicht zum März 1944.

    Nochmal zurück zu dem gefälschten Foto von Heumann zur angeblichen Ju 390 V2. Heumann hat leider Fotos, die er nicht hatte, selbst angefertigt. Dabei bewies er durchaus viel Zeichentalent. So hat er der Ju 89 eine fiktive Bewaffnung verpasst, ebenso der Ju 288, Ju 88 und erfand eine Hs 132. Es gibt eine Reihe von Fälschungen Heumanns, die damals alle in der Flug Revue veröffentlicht worden sind und nachfolgend noch in diversen Büchern. Dabei verkaufte er die Fotos als echt.
    Anbei das gefälschte Foto der Ju 390 V2 mit dem fiktiven Kennzeichen RC+DA. Das zweite Foto zeigt die von Heumann benutze Vorlage, die er dann entsprechend zur Ju 390 umgearbeitet hat.

    Viele Grüße
    Peter

  • Halllo,
    wer hat eigentlich die Story von der 390 V2, die bis kurz vor New York geflogen sein soll, in die Welt gesetzt?
    Beste Grüße
    G. Aders

  • Hallo,

    gute Frage. Im Artikel "Die großen Dessauer - Junkers Großflugzeuge" von Heumann in der Flug Revue ist die Geschichte noch nicht drin. Ich habe zwar eine Kopie davon, kann aber im Moment nicht sagen, wann der Artikel erschienen ist. Anfang/Mitte der 60er Jahre? In Warplanes of the Third Reich von William Green, erschienen 1970, und German Aircraft of the Second World War von Smith/Kay (1972) wird der angebliche Amerikaflug erwähnt, übrigens in fast gleicher Formulierung. Also könnte die Erfindung aus der anglo-amerikanische Ecke kommen.

    Es ist übrigens eine interessant Sache, den Einfluss solcher "Erfindungen" und wie sie sich über Jahrzehhnte in verschiedenen Publikationen verbreitet haben, zu verfolgen. Die Luftfahrtliteratur ist leider voller solcher Fehler, bei denen die Autoren ihre Wissenslücken durch Phantasie ersetzt haben.

    In dem Heumann-Artikel sind übrigens neben der erfundenen Ju 390 V2 je noch eine gefälschte Ju 90 und Ju 89 drin. Anbei als Beispiel noch die verschönerte Ju 89. Oben das Originalfoto und unten die Heumann-Retusche. Er hat das Fahrwerk entfernt und dafür Hoheitszeichen und eine Bewaffnung hinzugefügt. Bloß blöd, dass die Ju 89 nun mit ausgefahrenen Landeklappen und voll ausgeschlagenem Querruder "fliegt". Das würde nicht lange gut gehen.

    Viele Grüße
    Peter

  • Bei Smith & Kay soll die V2 im Januar 44 an die FAGr 5 in Mont de Marsan ausgeliefert worden sein. Da müsste sie ja in den GQM-Stärkemeldungen auftauchen,

    Gibt es nicht auch die Story von der 390, die bei Kriegsende nach Japan geflogen ist?
    Sollte mich nicht wundern, wenn eine in Neuschwabenland gelandet ist.
    Beste Grüße
    g. Aders

  • Hallo,

    das mit der FAGr 5 und Mont de Marsan steht auch bei Green so drin. Vollkommener Unsinn. Im Januar 1944 wurde gerade erst einmal mit dem Bau der V2 begonnen [1]. Im April 1944 rechnete man mit einer Fertigsstellung der V2 im Oktober 1944. Aber wie schon erwähnt, wurde im Juni 1944 die Weiterentwicklung und der Bau der Ju 290 und Ju 390 komplett abgebrochen. Stichwort: Jägernotprogramm.

    Im Monatsbericht vom JFM-Flugzeugvertrieb vom Juni 1944 kann man wörtlich lesen: "Auftrag für Entwicklung und Bau Ju 390 V2-V7 mit RM 11.500.000,- ging ein. Infolge Streichung der Serie werden die Arbeiten abgebrochen. Ein Teil des Aufwandes muß mit dem Kriegsschädenamt verrechnet werden (Rumpf V2 und Vorrichtungen)"
    Nun werde ich nur bei dem Kriegsschädenamt etwas stutzig. Es könnte sein, dass die Ju 390 V2 doch in Dessau und nicht in Merseburg gebaut werden sollte. Es könnten bei dem Angriff auf die Dessauer Werke Ende Mai 1944 der Rumpf und die Vorrichtungen der V2 beschädigt worden sein. Merseburg wurde erst später bombardiert.

    Neuschwabenland: Die Ju 390 V2 wurde auf dem Flug dorthin bestimmt von Reichsflugscheiben eskortiert. :D

    Viele Grüße
    Peter

    [1] RLM/GL/C-B 2 I, Flugzeug-Programm, V-Muster Junkers, Ju 390 v. 24.04.44

  • Hallo,
    Richtig, Merseburg wurde erst später bombardiert. Aber eben nicht die Stadt als Ziel, sondern die naheliegenden Leuna-Werke, wo MER eben auch was "abbekam". Der Flugplatz Merseburg wurde übrigens zu keinem Zeitpunkt als Ziel bombardiert; es gab diese Tieffliegerangriffe (strafing)während der Bombenangriffe durch Begleitjäger. So wird es jedenfalls von Zeitzeugen berichtet.

    Grüße
    Fred

    Halle/Saale: Heeres- und Luftnachrichtenschule // Siebel Flugzeugwerke

    Edited once, last by FredT (July 28, 2016 at 4:15 PM).

  • Hallo Fred,

    "später bombardiert" war etwas stark verkürzt dargestellt, da es ja hier nicht wirklich Thema ist.

    Ich habe Luftaufnahmen vom 25.08.44, auf denen der Fliegerhorst noch vollkommen intakt ist. Also kann die 390 V2, wenn sie denn in Merseburg im Bau war, dort kaum Schaden genommen haben kann.

    Meine nächsten Aufnahmen stammen vom 11.04.45, und auf denen scheinen der Fliegerhorst und die Hallen auch noch intakt, bis auf die Halle 2 (die erste Halle in Richtung Werft), die wohl zufälligerweise einen direkten Bombentreffer erhalten hat. Dazu passend gibt es auch ein Dokument "Schadensmeldung - Durch Feindeinwirkung am 25.11.1944 festgestellte Schäden an folgenden Flzg. und Großbauteilen", erstellt von der Merseburger Fertigungsprüfung am 28.11.44. Darin werden in Halle 2 etliche Ju 388, Ju 88-Mistel, BMW 801 und Großbauteile wie Tragflächen als beschädigt oder vernichtet gemeldet. Ebenso sind einige Maschinen in den Splitterboxen vor der Halle 6 beschädigt worden.

    Anbei ein Ausschnitt aus dem Luftbild vom 11.04.45 mit dem erkennbaren Schaden an der Halle 2. Auf den Gesamtansichten des Fliegerhorstes sind etliche Bombentrichter zu sehen.

    Viele Grüße
    Peter

  • Hallo,
    bezüglich der 390 ist da Übereinstimmung. Die Bombenschäden vom April sind das Ergebnis von diversen Strafings durch die 2.TAF, die hier schon die Angriffsrichtung der 69. und 104. ID auf Leipzig und Halle supported hat, und im Großen und Ganzen schadensmäßig nicht so ins Gewicht fiel, wenn man andere Plätze zum Vergleich nimmt...

    Grüße
    Fred

    Halle/Saale: Heeres- und Luftnachrichtenschule // Siebel Flugzeugwerke

  • Hallo Fred,

    anbei eine etwas weiträumigere Luftaufnahme. Ich war jetzt zu faul die Bombentrichter zu zählen, aber das sind nicht alles zufällig verlorene Bomben oder gar "Strafing". Ich bitte also um belastbare Quellen für deine Strafing-Theorien und nicht um unbewiesene Behauptungen. Ich glaube so großkalibrige Bordwaffen, sie solche Krater verursachen, gibts eher nicht. :D

    Viele Grüße
    Peter

  • Hallo Peter,

    das Bild muß mal genordet werden, dann paßt das auch in die Geografie (Drehung 180°)... Auf dem Platz sind da eher kaum Einschläge, die sind alle auf dem freien Feld zwischen Horst und Flakregiment/WTS abgelaufen... und sind meines Wissens, nach Zeitzeugenaussagen Merseburger Bürger, von den Leuna-Angriffen fehlgeworfen bzw. auf den Bahnhofsangriff ("Clarion") zurückzuführen . Von einer Zielbombardierung im Sinne Teppichwurf wie anderswo ist keiner dieser Betroffenen ausgegangen...

    Grüße
    Fred

    Halle/Saale: Heeres- und Luftnachrichtenschule // Siebel Flugzeugwerke