Deutschland 1955/56: Die letzten Kriegsgefangenen werden von den Sowjets entlassen.

  • Hallo Bert,

    Adenauer und die Delegation hatten schon eine gemeinsamen Grundhaltung. Sie waren stramm gegen den Kommunismus

    der sowjetrussischen Prägung allerdings aus völlig anderen Beweggründen

    Carlo Schmidt war in seiner Funktion als Stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses Mitglied der Delegation.

    Das wird heute noch genau so gehandhabt

    Quote



    aus Z u s a m m e n s e t z u n g der G e s a m t d e l e g a t i o n 07.09.1955

    II. Vertreter der gesetzgebenden Körperschaften

    1.) Ministerpräsident Arnold, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrats

    2.) Herr Kiesinger, MdB, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages

    3.) Professor Dr .. CarloSchmid, MdB, Stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages

    Gruss Dieter

  • Moin,

    bemerkenswert - aus heutiger Sicht - ist schon, dass mit dem NSDAP-Mitglied seit 1933, Kiesinger, jemand an der Reise teilnahm, der Protagonist des "Dritten Reiches" war. Aber davon gab es viele, zu viele.

    Ein schönes Wochenende und beste Grüße

    Horst

  • Hallo Horst,


    auch Staatssekretär Dr. Globke war dabei. Aber wie du schon schreibst -aus heutiger Sicht- es war wirklich vielen anders.

    Meine Meinung, wir können das analysieren und betrachten mit dem werten/bewerten solle man sich zurückhalten

    weil im Sessel sitzen und Urteilen ist anders als, unter nicht unerheblichem Druck, Ergebnisse zu liefern.

    Das die Tatsache das 1955 noch ca.10000 Mann in russischer Gefangenschaft waren lag wie Mehltau auf dem Westen von Deutschland,

    zumindest bei der Bevölkerung. Zumal im Mai 1950 TASS meldete das die Frage der Re­pa­t­ri­ie­rung der dt. KgF abgeschlossen sei.

    Die Zeit brannte !

    Gruss Dieter

  • Tag allerseits,

    Adenauer, der ja selbst in gewisser Weise ein Verfolgter des NS-Regimes war, löste die Vergangenheitsbewältigung damals durchaus pragmatisch und entkoppelte sich von der braunen Vergangenheit, wie das Beispiel Globke vermittelt. Er konnte sich das irgendwie auch leisten, weil er selbst zu keiner Zeit Anhänger des NS-Systems war. Unmittelbar nach dem Krieg gab es die massiv durchgeführte Entnazifizierung. Mit Beginn des Ost-West-Konfliktes sahen dann die Westmächte vieles anders. Man wurde durchaus "großzügig" beim Umgang mit ehemaligen PGs.

    Heute darüber Bewertungen abzugeben, ist durchaus schwierig. Da möchte ich aber einen Zeitzeugen zitieren, der kein Anhänger Adenauers war, aber seine damalige Haltung durchaus positiv sah:


    "... weil ich erkannte, dass er eine gigantische Aufgabe vor sich hatte, nämlich die Integration des neuen Staates zu machen mit Millionen von NSDAP-Mitgliedern und Millionen von Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten, d.h., das war ja politischer Sprengstoff. Und ich glaube, das ist die größte Tat, die Adenauer geschafft hat, diesen Staat dennoch zu integrieren und Globke war ein Instrument, oder ein Zeichen oder ein Signal dafür."

    Egon Bahr, SPD-Politiker


    Sonntägliche Grüße

    Bert




  • Hallo zusammen,

    Hallo Bert,

    Quote

    Adenauer, der ja selbst in gewisser Weise ein Verfolgter des NS-Regimes war,

    den Konjunktiv können wir hier getrost weglassen. Adenauer war als OB entlassen worden 1934 u. 1944 von der Gestapo

    inhaftiert und seine zweite Frau starb mittelbar an den Folgen der Gestapo Verhöre.

    Er hätte Grund gehabt den Nazis sonst was an den Hals zu wünschen.

    Gruss Dieter

  • Grüß Dich Dieter,

    es gab natürlich im NS-Staat "Verfolgungen", die waren weit schlimmer, als im Falle des Konrad Adenauer. Natürlich kann man den Konjunktiv weglassen. Adenauer machte aus seiner Verfolgung während

    der NS-Zeit nie die "große Nummer". Selbst in seinen Memoiren schreibt er nur das Notwendigste darüber.

    Noch etwas anderes: Adenauers Verhältnis zu Prof. Carlo Schmid war ausgesprochen gut, über die Parteigrenzen hinweg. Das war sicher auch der Hauptgrund, dass Schmid 1955 Teil der Delegation war.

    Die damals wichtigsten Herren in der BT-SPD-Fraktion ERLER und OLLENHAUER wurden von vornherein von der Moskau-Reise ausgeschlossen. Adenauer war schon auch irgendwie nachtragend und

    verzieh den maßgeblichen Herren der SPD die heftigen persönlichen Angriffe in den BT-Debatten der 50er-Jahre wohl nie......


    Grüße

    Bert

  • Hallo zusammen,

    Hallo Bert,

    Quote

    Adenauer war schon auch irgendwie nachtragend und verzieh den maßgeblichen Herren

    der SPD die heftigen persönlichen Angriffe in den BT-Debatten der 50er-Jahre wohl nie......

    Adenauer war auf seine eigenen Art nach tagend. Das macht sich gut am Verhältnis zu Strauß deutlich.

    Adenauer hielt Strauss, nach seinen Maßstäben, für Charakterlich bedenklich was im dem überlieferten

    Satz endete "solange ich Bundeskanzler bin (Adenauer) werde ich verhindern das sie Verteidigungsminister werden

    um ihm (Strauss) einige Zeit später das Verteidigungs-Ministerium mit den Worten anzudienen

    "Man braucht nicht immer denselben Standpunkt zu vertreten, denn niemand kann einen daran hindern, klüger zu werden"

    Das Adenauer vom Grund her nicht falsch lag wurde das erst Mal in der "Spiegelaffäre" deutlich.

    Aber wir schweifen ab, wir sollten es maximal bei den Kriegsgefangenen belassen

    Gruss Dieter

  • Tag allerseits,

    eines der schlimmsten damaligen Lager, aus denen auch Spätheimkehrer kamen, war das Arbeitslager Workuta.

    Einige Spätheimkehrer, mit denen man sich in den späten 50er-Jahren unterhalten konnten, erzählten von unglaublich miserablen Lagerverhältnissen. Und dabei wurden die Gefangenen jeden Tag zu schwersten

    Arbeiten eingeteilt. Es gab keinen Sonntag, keine Feiertage und immer wieder Todesfälle.

    Aber es war damals auch schon in etwa so, wie heute. In der beginnenden Wohlstandsgesellschaft der späten 50er-Jahre ließ das Interesse nach, sich solche "Geschichten" anzuhören. Ähnlich ergeht es heute

    auch Bundeswehrsoldaten, die von ihren Einsätzen zurückkommen.

    Nicht zu vergessen: Es gab vereinzelt erhebliche familiäre Probleme für die heimkehrenden Kriegsgefangenen!

    Die Scheidungsraten schnellten in die Höhe: Wurden 1939 im Westen 30.000 Ehen, im Osten 14.000 geschieden, waren es 1948 in den Westzonen 87.000 und 38.000 in der Ostzone. Ein Grund dafür waren die vielen Blitzehen, die oft unmittelbar vor dem Einrücken der Männer überhastet geschlossen wurden. Ein anderer waren die zahlreichen losen Beziehungen der Nachkriegszeit zwischen Frauen, die kaum Informationen hatten über den Verbleib ihrer Ehemänner, und jenen Männern, die schon wieder im Land waren. Solche Beziehungen wurden "Onkelehen" genannt, weil der neue Partner den Kindern oft als Onkel vorgestellt wurde.

    Vielleicht am schwersten aber wog die Entfremdung, die sich zwischen den Eheleuten einstellte, wenn die Männer dann wieder zu Hause waren: Viele Frauen weigerten sich, wieder die anschmiegsame Gattin zu geben, nachdem sie sich und die Kinder jahrelang ohne Ernährer durchgebracht hatten. Und durchaus nicht alle Männer wollten und konnten ein neues Selbstverständnis entwickeln.

    Dazu

    https://www.spiegel.de/spiegelgeschic…-a-1192237.html


    Grüße

    Bert

    Edited 2 times, last by Jahrgang39 (February 16, 2020 at 4:49 PM).

  • Hallo zusammen,

    auch unser (verstorbenes) Mitglied Boy CHRISTIANSEN gehörte zu den

    letzten Kriegsgefangenen. Er erreichte am 14. Oktober 1955 das Lager

    Friedland.

    In seiner Heimat auf Sylt wurde er mit "großem Bahnhof" empfangen.

    Gruß

    Rudolf (KINZINGER)

  • Guten Tag Rudolf,

    deine Anhänge kommen arg klein daher,

    lassen sich nicht vergrößern, kaum zu lesen.

    Teilweise unter 100kb, 400kb wären möglich.;)

    Grüße Thomas

  • Tag allerseits,

    wahrscheinlich schon (fast) in Vergessenheit geraten:

    Der Aufstand im Arbeitslager Workuta am 1. August 1953.

    Dazu:

    https://www.spiegel.de/geschichte/ver…a-a-951212.html

    Interessant auch, in der DDR wurde schon 1950 argumentiert, dass sich in der UdSSR keine deutschen Kriegsgefangene mehr befinden.

    Hier verkündet der Journalist Karl-Eduard von Schnitzler, Chefpropagandist der SED und später langjähriger Moderator der Propagandasendung „Der Schwarze Kanal“, im Mai 1950 vollmundig: „Die gequälten deutschen Mütter erhalten endlich die freudige, wenn auch schmerzliche Gewissheit, dass es in der Sowjetunion keine deutschen Kriegsgefangenen mehr gibt.“ Nur wenige Tage zuvor hatte die sowjetische Nachrichtenagentur TASS vermeldet, dass nur noch einige „deutsche Gefangenenreste“ festgehalten würden: „9717 wegen schwerer Kriegsverbrechen Verurteilte, 3815 Untersuchungshäftlinge und 14 Kranke“.


    Grüße

    Bert

    Edited once, last by Jahrgang39 (February 21, 2020 at 4:05 PM).

  • Hallo Bert und alle anderen,

    es freut mich, wenn mein Zufallsfund bei "Zeit Online" die Diskussion ein wenig weiter gebracht hat.

    Danke für Eure Beiträge :)

    Beste Grüße aus Bonn,

    Manfred