Hallo zusammen,
mir liegt eine Kopie des 15. Verzeichnis der SF-Züge vom 17.5.43 vor.
Wurde zusammen mit einer Übersichtskarte vom Archiv Verlag herausgegeben.
Anbei der Kommentar von Alfred Gottwaldt vom Technischen Museum in Berlin
zu dieser Publikation.
Zitat:
Eine Quelle ganz besonderer Art, die es nur im Zweiten Weltkrieg gab, waren die in regelmäßigen Abständen gedruckten
"Übersichtskarten zum Verzeichnis der Fronturlauberzüge" als Beilagen zum "Kursbuch für Fronturlauberzüge". Über diese
"SF_Züge" (manchmal auch: SFR-Züge) erschienen in kurzen Abständen von der Generalbetriebsleitung Ost der Deutschen
Reichsbahn in Berlin immer wieder aktualisierte "SF-Verzeichnisse". Das waren Taschenfahrpläne für die von den Fronturlau-
bern vordringlich zu benutzenden und wohl auch ersehnten Verbindungen mit der Heimat und zurück.
Zuggattungen sind bis heute ein spannendes Thema: Zu Zeiten der alten Reichsbahn gab es vor 1945 zahlreiche heute ver-
gessenen Zuggattungen, die mit den entsprechenden Abkürzungen in die Fahrpläne und Kursbücher aufgenommen wurden:
Der Schnellzug aus Durchgangswagen hatte die Abkürzung D, ein Fernschnellzug trug das Kürzel FD, der Eilzug war mit
einem E markiert. Währen der gewöhnliche Personenzug lange Zeit keine Buchstaben vor der Zugnummer haben durfte und
schließlich sein "P" erhielt, kam der "Beschleunigte Personenzug" unter dem Kürzel "BP" daher.
Neue Zugarten
Im Zweiten Weltkrieg verschwanden die luxuriösen Zuggattungen "FFD" und FDt" ab September 1939 aus den Fahrplänen der
Reichsbahn. Dafür kamen neue Zuggarten auf, die sich dem vermehrten Wehrmachtsverkehr widmen sollten: Jeweils mit getren-
nten Wehrmachtsteilen rollten Schnellzüge, Eilzüge und Personenzüge unter den Signaturen "DmW" oder "EmW" und "PmW" im
Deutschen Reich. Außerdem gab es die über lange Strecken von den Kriegsschauplätzen zu den Heimatgebieten durchlaufenden
"SF-Züge", die Sonderzüge für Fronturlauber. In einzelnen Gegenden, etwa im Baltikum, fuhren die Landser streckenweise auch
mit Regelzügen in den Urlaub.
Das Kriegsjahr 1943
Anfang Juni 1942 war der propagandistische Satz "Räder müssen rollen für den Sieg!" eingeführt worden. Als das Kriegsjahr 1943
hereingebrochen und die wieder vorgelegte "Übersichtskarte zum 15. Verzeichnis der SF-Züge" gedruckt worden war, hatte die
Wehrmacht bereits die Niederlage von Stalingrad hinter sich. Bei der Deutschen Reichsbahn waren im Jahresdurchschnitt 1943 nicht
weniger als 1,5 Millionen Menschen beschäftigt. Hinzu kam nochmals eine halbe Million einheimischer Arbeiter unter deutscher An-
leitung im besetzten Polen und im Westen der Sowjetunion. Für den Personenverkehr stand der Reichsbahn 1943 eine Betriebslänge
von 73 314 km zur Verfügung.
Die Karte
Der Stand vom 17.Mai 1943 bezeichnete den üblichen Tag des Fahrplanwechsels bei der Reichsbahn im Frühsommer. Wer die Osthälfte
der Karte betrachtete, wird unschwer erkenn, das die jenseits des "Generalgouvernements" gelegenen Strecken auf dem Gebiet der er-
oberten Sowjetunion nicht dargestellt sind. Die deutschen Landser durften mit den SF-Zügen erst westlich der Bahnhöfe von Brest-Litowsk,
Wolkowysk und Kowel fahren, nachdem sie sich dort dem Verfahren der "Entlausung" unterzogen hatten.
Die auf der Karte mit einem Kreis versehenen roten Zahlen neben den Strecken bezeichneten die Nummer der Kursbuchtafeln im aktuellen
"SF-Verzeichnis", während es sich bei schwarzen Zahlen Ziffern um die geläufigen Angaben aus den amtlichen Reichsbahn-Kursbüchern,
Taschenfahrplänen und Aushängen der Reichsbahn handelte.
Bei genauer Betrachtung der differenziert dargestellten Grenzlinien dieser Karte von 1943 ist die Kontur des abhängigen "Generalgouver-
nements" ebenso zu erkennen wie die Erweiterung von Ostpreußen um "das Gebiet von Bialystok". Diese zählte damals nämlich zur Reichs-
bahndirektion Königsberg. In ähnlicher Weise waren die westlichen Grenzen der Reichsbahnverwaltungen im Elsass und Lothringen verscho-
ben worden, weil die deutsche Politik es so verlangte. Gleiches lässt sich für die zur späteren Eingliederung vorgesehenen Gebiete "Unter-
steiermark" mit Maribor oder Marburg (Drau) oder "Oberkrain" mit Lubiana (Laibach) sagen.
Besonders wichtig erscheint auch die Notiz auf der Nebenkarte in der rechten unteren Ecke des Blattes mit folgendem Wortlaut: "Die neuen
Grenzen sind noch nicht überall endgültig festgelegt." Das verbündete Bulgarien hatte sich mit Hitlers Zustimmung schon das mazedonische
Gebiet um Skopje einverleibt und dort gerade im März 1943 mit der Deportation seiner "neubulgarischen" Juden nach Treblinka begonnen.
Der kleine Ort lag südlich der von Malkinia am Ostrand des "Generalgouvernements". Dieser Zuglauf musste aus naheliegende Gründen die
damals "befreundeten" Staaten Ungarn und Slowakei westlich umfahren, während Fronturlauberzüge sie durchqueren durften. Das Ziel ist
- im Gegensatz zu den Stationen Belzec, Sobibor und Auschwitz - auf der Karte nicht dargestellt.
Die Karte im Originalformat 88 x 65 cm ist zugleich eine ordentlich Fahrplankarte für sämtliche deutsch verwalteten Strecken im Jahre 1943,
also letztmalig zur Zeit Ihrer größten Ausdehnung im Zweiten Weltkrieg. Sie lässt auf Anhieb die enorme Dichte des Schienennetzes im Ruhr-
gebiet oder im sächsischen Industriegebiet erkennen, während das Eisenbahnnetz in den eroberten Zonen recht dünn erscheint.
Auf der Rückseite des Planes ist außerdem eine Übersicht der "Fernverbindungen zum 15. SF-Verzeichnis" abgedruckt, welche die wichtigsten
Strecken unter den in Mitteleuropa benutzten Verbindungen zeigt. Damals zählte Wien zum "Großdeutschen Reich".
Andere Großstädte wie Prag oder Warschau lagen mit besonderem Status gleichfalls im deutschen Einflussgebiet und wurden von Berlin regiert.
Im Gegensatz zu den früher erschienenen Verzeichnissen der SF-Züge sind hier die Schnellzüge bis an die französische Atlantikküste bei
Bordeaux und Le Havre nicht mehr enthalten.
Alfred Gottwaldt
Zitatende
Anbei 2 Scans. Leider ist die Karte zu groß für einen Anhang.
Bei Bedarf kann ich gern Auszüge zur Verfügung stellen.
Gruß Roland