SS-Angehörige bei der Reichsbahn

  • Guten Tag,
    bei meinen Recherchen bin ich darauf gestoßen, daß nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten arbeitslosen SS-Angehörigen u.a. Stellungen bei der Reichsbahn vermittelt wurden. Zum Ende des Krieges wird dieser Zusammenhang wiederum deutlich, da in der Heimat verbliebene SS-Angehörige der älteren Jahrgänge öfters bei der Reichsbahn tätig waren. Mich würde interessieren, ob dieser Sachverhalt anderen auch aufgefallen ist ?
    Einen Beleg findet sich in folgender Dokumentation zu Adolf Storms : http://www.youtube.com/watch?v=OVboiGSysr4 (siehe Filmabschnitt ab 1:03). Meiner Meinung nach, dürften dort ebenfalls in der Bahnmeisterei Angehörige der Allgemeinen SS gearbeitet haben ("die 150% Nazi waren"), welche Adolf Storms für die SS warben.

    Gruß, westermann

    Edited once, last by westermann (October 3, 2014 at 9:55 AM).

  • Guten Tag,
    habe gerade in einem Lebenslauf eines SS-Angehörigen folgende Textpassage gefunden : "[...] Von 1936 bis 1938 war ich auf verschiedenen Wachkommandos der SS tätig als Wachmann. Nach Auflösung derselben wurden wir als Aushelfer bei der Reichsbahn eingestellt. [...]"(Quelle : BArchB). Die hier gemeinten Wachkommandos bestanden im Rahmen der Allgemeinen SS z.B. auf Flughäfen oder Parteidienststellen (an anderer Stelle wurde das Thema bereits berührt). Diese Notiz bestärkt mich in der Annahme, daß es zwischen RB. und SS irgendeine Vereinbarung gab.

    Gruß, westermann

  • Hallo Westermann,

    Aus Mangel an Personal, übernahm die Reichsbahn viele Angehörige von SA und SS.

    Zwischen DRB und SS und Partei gab es immer wieder Auseinandersetzungen.
    Partei und SS wollten, dass die Eisenbahner, auch während ihrer Dienstzeit, an Veranstaltungen
    teilnehmen sollten.

    Dies führte 1939 zu einer Beschwerde der Reichsbahn beim Stellvertreter des Führers, Reichsbahn-Personal
    nicht mehr zur Ableistung des Dienstes bei Partei oder SS heranzuziehen.
    Im August 1942 wies der Leiter der Parteikanzel in einem Rundschreiben darauf hin, dass bei Heranziehung von Reichsbahnangehörigen auf ihre starke berufliche Inanspruchnahme Rücksicht zu nehmen sei.

    Aus Mangel an Lokführern, erließ Hitler bereits im April 1942 einen Befehl, alle Lokführer aus Wehrmacht und Waffen-SS zu entlassen.

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

  • Guten Tag Gerd,
    vielen Dank für Deine Informationen !
    Seit wann gab es Personalmangel bei der RB. und warum ?
    Während des 2.Weltkrieges blieben aber wahrscheinlich die RB.-Angestellten in den Gliederungen der NSDAP., also auch Allgemeine SS, angehörig, so zumindest belegen es mir vorliegende Nachweise.
    Die Beschwerde von 1939 hatte dann wohl nicht den gewünschten Erfolg ?
    Vielen Dank noch einmal !

    Gruß, westermann

  • Hallo Westermann,

    anbei ein paar Zitate:

    Reichsbahn Heft 50 S. 1054 (1936)

    Runderlass des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern vom 6.Nov. 1936,
    der gemäß HV Verfügung vom 3.12.1936 auch für die Deutsche Reichsbahn zu beachten war und ebenfalls für Angestellte und Arbeiter sinngemäß galt.
    An Stelle des Ministers trat bei der Deutschen Reichsbahn der Generaldirektor.

    Beamte die Reichsleiter, Gauleiter, Kreisleiter oder Ortsgruppenleiter der NSDAP oder Führer von Standarten oder höheren Einheiten der SA, SS oder des NSKK sind, sollen, um der Partei Gelegenheit zu geben, ihre Entbehrlichkeit zu prüfen und für rechtzeitigen Ersatz zu sorgen, nur im Benehmen mit dem Stellvertreter des Führers versetzt werden........

    ========================================

    Jahresbericht der Deutschen Reichsbahn 1937

    Auszug - Personalstand.

    Im Jahre 1937 wurde eine besondere Förderung oder Weiterförderung eingeleitet für Inhaber des Ehrenzeichen der NSDAP und für solche Nationalsozialisten die bis zum 14. Sep. 1930 ihren Eintritt in die NSDAP erklärt haben oder die bereits vor diesem Zeitpunkt und bis zum Eintritt in die Partei der HJ, der SA oder der SS angehört haben. Hierdurch werden weitere 4000 Bedienstete bevorzugt angestellt oder befördert.......

    Quelle: Eisenbahnen und Eisenbahner, Dokumentarische Enzyklopädie IV

    Diskutieren möchte ich zur Zeit über dieses Thema nicht - da die Quellenlage und Nachweise (bei mir) zum Thema sehr sehr mager sind.
    Das wir hierzu erst einmal Quellen und Unterlagen zu oben genannten Thema hier in diesen Thread sammeln würde ich begrüßen.

  • Hallo Matthias, hallo Westemann,

    Quote

    Seit wann gab es Personalmangel bei der RB. und warum ?

    Nach der Machtergreifung durch die Nazis am 30.Januar 1933, setzte im Deutschen Reich ein Wirtschaftsaufschwung
    ein, von dem auch die Reichsbahn profitierte.
    Ausserdem konnte sich die Reichsbahn "aus den Klauen" des "Dawes-Plan" (der besagte, dass die Reichsbahn
    ihre Gewinne als Reparationen abliefern musste) befreien.
    So konnte die DRG (ab 1937 DRB) in das Streckennetz, in neues rollendes Material investieren und altes Wagenmaterial modernisieren.

    Um diese anfallende Arbeit zu bewerkstelligen, schaffte die Reichsbahn mehrere Arbeitsbeschaffungsmassnahmen.
    Viele Arbeiter dieser ABM rekrutierten aus den Reihen der SA, eventuell auch SS

    Üblich war auch, Angehörige der Teilstreitkräfte, nach Beendigung ihres Wehrdienstes, in den öffentlichen Dienst zu übernehmen

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

  • Guten Morgen zusammen,

    wenn es im Befehlsblatt 12/34 schon so geregelt wurde, dass Bahnangestellte vom aktiven Dienst befreit und in die SS-Reserve versetzt wurden,
    warum kam es denn dann 1939 noch zu der oben genannten Beschwerde?
    Eine mögliche Erklärung wäre eine Änderung des Befehls, also alle Befehlsblätter bis 1939 durchsehen?

    Grüße Thomas

  • Hallo allen Interessierten,

    Kreidler schreibt auf Seite 268:

    " In personellen Angelegenheiten kam es während des Krieges immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der NSDAP, weil sie in zunehmendem Umfang Eisenbahner zum Parteidienst, vor allem in der SA und im Luftschutzdienst heranziehen wollte. Mit sogenannten Verwendungsverfügungen wurden auch die Eisenbahner angewiesen, sogar während der Dienststunden zum Parteidienst zu erscheinen. Bei der angespannten Personallage und den hohen Anforderungen an das Betriebspersonal waren diese Parteiforderungen nicht erfüllbar und stießen auf Ablehnung."

    Kreidler nennt leider keine Quelle für diese Angaben.

    Edit: Kreidler dient auch als Quelle für meine Antworten in diesem Thread.

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

    Edited once, last by Gerd Wolf (November 16, 2014 at 3:52 PM).

  • Guten Tag Gerd,
    in diesem Zusammenhang habe ich mir z.B. die Frage gestellt, wie die Gauleiter mit den lokalen Vertretern der RB zusammenarbeiteten. Gibt es hierzu Erkenntnisse oder Beispiele ? Oder war die RB eine Institution, die "nur" auf Berlin hörte ? Ansonsten versuchten die Gauleiter ja, den Einfluß von Berlin in ihrem Bereich so klein wie möglich zu halten.

    Gruß, westermann

  • Hallo Westermann,

    Die örtlichen Bürgermeister waren ja Luftschutzbeauftragte; deswegen kann es auch zu Auseinandersetzungen
    mit der DRB in Bezug auf den LS gekommen sein (z.B. heranziehen von Reichsbahnern zu LS-Zwecken; Benutzung der LS-Räume und Bunker im Bereich der DRB) (beschreibt Kreidler)

    Am 05.März 1942 fand eine Besprechung bei Hitler mit Verkehrsminister und Generaldirektor der DRB, Julius Dorpmüller und dem neuen Minister für Bewaffnung und Munition, Albert Speer statt.
    Dorpmüller machte den Feldzug gegen die Sowjetunion und die damit verbundenen Forderungen von Partei
    und Wehrmachtsführung, verantwortlich für die Lage der überforderten Reichsbahn.

    Nach der Katastrophe des Winters 1941/42 und - vor Allem - auf Betreiben von Speer, wurden ab 1942
    viele ältere Reichsbahner abgelöst und durch parteinahe und jüngere Mitarbeiter oder Parteimitglieder ersetzt.
    Eines der bekanntesten Mitglieder war Albert Ganzenmüller.

    Also hatte der Parteiapparat Einfluß auf die Geschicke der Reichsbahn.

    Quelle: -> oben

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)