Belegter Kannibalismus ("Leichenfrass") an der Finnlandfront?

  • Guten Morgen zusammen,

    vielen Dank für das freundliche Willkommen.

    Enkel Justus hat gestern Abend die Freigabe für den Brief gegeben. Daher stelle ich diesen im Anhang ein.

    Was bisher dazu bekannt ist:

    Von mir:

    Fundstück im Haus meiner Großeltern im Lkr Karlsruhe

    vmtl von meinem Großvater im Krieg mitgenommen. Herbert Kirchhart geb. 24.05.1914 in Ludwigshafen am Rhein.

    Brief ist unterschrieben von einem „Weiß“ im März 42.

    Beschreibt einen Vorgang am 09.03.42

    1 A 4 Seite

    Aus dem Post von heimatdokumente: Nr. 11

    Hauptmann Wei... 8/380
    Feldpost 02306 E
    2 A4 Seiten.

    Die Kiste scheint wohl von der Kameradschaft Grenadier Regiment 317 und ehem. Einheiten der 211 Infanterie-Division zu sein, die sich 1995 aufgelöst hat.

    Der Titel beider schreiben und der Autor scheinen identisch zu sein, daher handelt es sich höchstwahrscheinlich um den gleichen Sachverhalt.

    Ich habe gestern Abend noch versucht etwas zu den Feldpostnummern herauszufinden. Ich bin allerdings absoluter Neuling in dem Thema.

    Über die Feldpostnummer kam ich auf eine PDF Datei (wenn ich verlinken darf, stelle ich den Link noch gerne ein, war bei Google aber der erste Eintrag zur FPN) Darin wird ein Schriftverkehr mit einem Oberleutnant Adolf Weiss beschrieben. Am 27.12.41 war er noch Oberleutnant und vmtl. auch noch am 18.02.42.

    Da es ja nur 1 Beförderung von Oberleutnant zu Hauptmann ist, dachte ich, das könnte ggf. hinkommen und eine Spur sein? Gleichzeitig ist es ein sehr häufiger Name.

    Was mich interessiert ist, ob man aus den Daten von heimatdokumente eingrenzen kann, wo das Geschehen stattgefunden hat, wer Hptm. Weiß war, ob ich das in Verbindung zu meinem Großvater bringen kann?

    D.h. kann man die vorliegenden Informationen in einen sinnvollen Zusammenhang bringen?

    Gibt es noch Kontakt zu heimatdokumente, da er von mehr Unterlagen dazu schreibt, die ggf. helfen könnten.

    Hat jemand den Brief von heimatdokumente, und würde ihn mir zum Abgleich zur Verfügung stellen, um evtl. Unterschiede im Inhalt wegen der zweiten Seite zu prüfen, die weiterhelfen können einen Bezug zu meinem Großvater und der Region herzustellen?

    Danke schon mal für eure Mithilfe.

    Viele Grüße

    Thorsten

  • Hallo,

    die FP-Nr 02306 E bezieht sich auf Stab II u. 5.-8. Kompanie Infanterie-Regiment 380 in der 215.Infanteriedivision.

    die war am Wolchow eingesetzt.

    In einem Buch über die Wolchow-Kämpfe sind auch drastische Bilder vom März 1942 drin.

    Truppenarzt und Zeitzeuge von Hans Pichler, der war allerdings in der 4.SS-Polizeidivision.

    Grüße, ZAG

    Nachtrag: auf der Seite 125 des Buches wird von Vernehmungen von Gefangenen berichtet, dass es

    für die russischen Soldaten gar nicht so Furchtbar gewesen wäre, Leichen zu Essen bevor man selbst verhungert...!

    Der Politruk hätte die Erlaubnis zu Essen von Menschenfleich gegeben als die Versorgungslage eine eingeschlossenen Gruppe aussichtslos wurde.

  • Hallo ZAG,

    vielen Dank für die Ausführungen. Ich habe mich zu Wolchow etwas eingelesen, soweit es online möglich ist. Wenn sich eine Verbindung meines Großvaters zur 215 Infanteriedivision ergibt, werde ich mir das Buch von Hans Pichler auch noch besorgen. Danke für den Hinweis.

    Das von @pinstab in Beitrag 17 genannte Buch "Verbrechen an der Wehrmacht" ist vorhin bei mir eingetroffen. Die Berichte zu Kannibalismus scheinen im genannten Kapitel im Februar 42 zu enden, so dass ich keinen Bezug zu meinem Schreiben herstellen konnte. Das wäre sicher aber auch zu viel Zufall gewesen.

    Nachtrag: Wenn es sich um die 215 Infanteriedivision handelt, könnte es ggf. wirklich jener Oberleutnant Adolf Weiss sein, den ich über die Suche nach der Feldpostnummer gefunden habe. Ggf. kann ich über diesen noch etwas herausfinden.

    Gruß Thorsten

    Ich suche alles zum Artillerie Regiment 246, insbesondere Stab III, sowie zur ID 246

    Edited once, last by thorstenp (August 21, 2021 at 5:02 PM).

  • Hallo zusammen,

    vielleicht eine Spur oder ein Zusammenhang zu dem oben gezeigten Brief:

    Archivsignatur : NS 19/1830
    Titel : SS-Obersturmführer Fritz Bukepsch.- Verwendung nach seiner Kriegsverletzung
    Laufzeit : (1941) 1942-1943
    Enthält u.a. : Bericht Bukepschs über seine Verwundung mit
    Schilderung eines angeblichen Falles von
    Kannibalismus bei sowjetischen Soldaten (Fotokopie
    einer auszugsweisen Abschrift), 3. Dez. 1941
    Unterlagenart : Sachakte
    Benutzungsort : Berlin-Lichterfelde

  • Hallo Dirk,

    danke für den Hinweis. Online kann man die Akte vmtl nicht einsehen?

    Auf der Seite habe ich leider keine weiteren Infos gefunden. Mir scheint der zeitliche Abstand vom 03.12.41 bis zum 09.03.42 etwas zu lange, als dass es sich um den gleichen Vorfall handeln könnte. Der aus meinem Brief beschriebene Kannibalismus scheint ja frisch gewesen zu sein. Ich denke selbst im russischen Winter hätte man nach 4 Monaten erkannt, dass es sich nicht mehr um einen kürzlich stattgefundenen Vorfall handelt.

    Dennoch vielen Dank, ein schönes Wochenende und viele Grüße

    Thorsten

    Gruß Thorsten

    Ich suche alles zum Artillerie Regiment 246, insbesondere Stab III, sowie zur ID 246

  • Hallo,

    der dt. Scharfschütze Josef Allerberger schildert in seiner Biografie folgende Begebenheit. Im Juli 1943 griff seine Einheit, das G.J.R. 144, im Donezkbecken durchgebrochene russ. Truppen an, die bereits einen Brückenkopf gebildet hatten. Seine Gruppe stieß dabei auf einen Stollen. Darin waren ursprünglich 35 Russen beim Rückzug der Roten Armee zurück gelassen worden. Befehlsgemäß sollten sie dort ausharren. die Stellung halten, bis die eigenen Truppen wieder zurück kamen.Es vergingen aber viele Monate und die Rote.Armee tauchte nicht auf. Die Vorräte waren bald verbraucht. Ein Polit-Offizier achtete auf die strikte Einhaltung des Befehls. Als sich die Stimmen unter den Soldaten mehrten, sich aus der Stellung zurück zu ziehen, tötete der Polit-Offiz. 2 der jüngsten Soldaten. Sie waren gerade 16 Jahre alt. Unter vorgehaltener Waffe befahl er, die Toten auszuweiden, zu zerlegen und über Feuer haltbar zu machen. Als das Fleisch aufgegessen war, erschoss er den nächsten. Zuletzt lebten noch zwei von ursprünglich 35. Ein Landser sprach und verstand russisch. So kamen die Details heraus. Danach riss ei anderes Gruppenmitglied seine MP 40 durch und erschoss die beiden Russen.

    Solche Bilder bekommt man schwer aus dem Kopf. Andere Fälle von Kannibalismus wurden ja bereits erwähnt (Stalingrad). Ob es auch in russ. Kriegsgefangenenlagern dazu kam, ist mir nicht bekannt.

    MfG Wirbelwind

  • Hallo,

    im Bundesarchiv ist anscheinend noch weiteres zu finden:

    Quelle: Bundesarchiv/IInvenio

    Gruß, J.H.

    NS 19/3788

    Laufzeit: August 1941 - November 1941

    (6.) SS-(Gebirgs-)Division "Nord".

    -Gliederung, Umgliederungen, Aufstellung von Einheiten, Gefechts- und unterstellte Einheiten.- Gefechts- und sonstige Einsatzberichte, Zustandsberichte, Divisionsbefehle u. a.

    Enthält u.a. : Berichte über zwei Fälle von Kannibalismus an gefallenen SS-Männern, 12. Nov. 1941

    Unterlagenart: Sachakte

    Benutzungsort: Berlin-Lichterfelde

  • Hallo,

    in der bei arte gezeigten TV-Doku "Die rote Armee" wird im Teil 1 ebenfalls ein Fall von Kannibalismus geschildert. Ein sowjetischer Soldat soll die Leiche eines gefallenen Soldaten in einen Keller geschleppt und Teile davon gegessen haben. Er wurde dafür anschließend exekutiert.

    Gruß, J.H.

  • Hallo zusammen,

    ich habe inzwischen vom Bundesarchiv Rückmeldung zu meinem Großvater erhalten, in dessen Nachlass das Kannibalismus Schreiben aus Beitrag #21 gefunden wurde.

    Er war in der fraglichen Zeit im Stab III Artillerie Regiment 246 als Wachtmeister. Das gleichnamige Dokument von "Heimatdokumente" und die FPN des Hauptmann Weiß (#21) wurden in Beitrag #22 von ZAG der 215 Infanterie Division zugeordnet.


    Wenn ich richtig recherchiert habe, waren beide Einheiten im März 1942 etwa 370 km Luftlinie voneinander entfernt.

    Kann man aus meiner Datei erkennen, ob das ein Original oder Durchschlag war? Wurden von solchen Dokumenten mehrere Abschriften angefertigt und an andere Stellen weitergegeben?

    PS: zu meinem Großvater habe ich hier noch ein Thema mit seinen Daten aus dem Krieg aufgemacht, da ich seine Geschichte beleuchten möchte. Vielleicht hilft von den Informationen etwas weiter?

    Viele Grüße

    Thorsten

    Gruß Thorsten

    Ich suche alles zum Artillerie Regiment 246, insbesondere Stab III, sowie zur ID 246

  • Hallo,

    ... Wurden von solchen Dokumenten mehrere Abschriften angefertigt und an andere Stellen weitergegeben? ...

    dienstliche Dokumente, die an mehrere Dienststellen/Einheiten zur Kenntnis gelangen sollten, wurden am Anfang der ersten oder Ende der letzten Seite mit einem sogenannten "Verteiler" versehen; darin wurden alle genannt, die dieses Schreiben erhielten.

    Gruß, J.H.

  • Hallo Johann Heinrich,

    vielen Dank für die Informationen.

    Da bei meinem Schreiben nichts weiter dabei ist und der Name des mutmaßlichen Verfassers handschriftlich geschrieben wurde, kann man davon ausgehen, dass dies das Original ist?

    Viele Grüße

    Thorsten

    Gruß Thorsten

    Ich suche alles zum Artillerie Regiment 246, insbesondere Stab III, sowie zur ID 246

  • Hallo Johann Heinrich,

    das Kannibalismus Schreiben ist ein Kellerfund von der Haushaltsauflösung bei meinem Großvater und kommt nicht vom Bundesarchiv.

    Daher bekomme ich gerade gedanklich den Bogen nicht, wie mir das Bundesarchiv in dem Fall weiterhelfen könnte. Meinst du, dass dort Abschriften davon vorhanden sein könnten, die zugeordnet werden können? (vorausgesetzt bei meinem handelt es sich um das Original?)

    Viele Grüße

    Thorsten

    PS: Entschuldigung, falls das eine dumme Frage ist, aber ich bin in den Themen und was beim Bundesarchiv alles liegt nicht bewandert.

    Gruß Thorsten

    Ich suche alles zum Artillerie Regiment 246, insbesondere Stab III, sowie zur ID 246

  • Hallo, Thorsten,

    Kann man aus meiner Datei erkennen, ob das ein Original oder Durchschlag war?

    ich persönlich halte das für einen Durchschlag. Auch das Papier sieht sehr nach sogenanntem Durchschlagpapier aus.

    Grüße

    Diana

    Die Frau ist die einzige Beute, die ihrem Jäger auflauert (Ingelore Ebberfeld)

  • Hallo Diana,

    vielen Dank für deine Einschätzung.

    Allgemein:

    Ich habe noch etwas im www und v.a. auf der Seite "https://wwii.germandocsinrussia.org" gestöbert. Leider scheint es gerade im Zeitraum März 1942, der mich im Zusammenhang mit dem Schreiben interessiert weder von der 246 Infanterie Division, noch von der vermuteten 215 ID Unterlagen online zu geben, die einen Hinweis auf das Geschehen geben könnten.

    Lediglich vom 689 Grenadier Regiment (Teil der 246 ID), dem mein Großvater allerdings erst ein Jahr später angehörte gibt es das Kriegstagebuch, allerdings ist dort nichts um den 09.03.1942 vermerkt, was zum Geschehen passen könnte.

    Vermutlich wird sich daher nicht mehr aufklären lassen, wo das Geschehen stattgefunden hat.

    Gruß Thorsten

    Ich suche alles zum Artillerie Regiment 246, insbesondere Stab III, sowie zur ID 246