lokaler Umgang mit Nazi-Lokalitäten

  • Hallo Zusammen,

    meine Frage ist: wie sollten die lokalen/örtlichen Behörden mit den Objekten/Bauten umgehen, die eine Nazi-Vergangenheit haben.

    Damit meine ich: Informationstafeln ...ja oder nein?

    Was den Holocaust angeht ist mir bekannt, dass es Infotafeln gibt, aber Hinweise auf SS-Kasernen und Gestapo-Zentralen etc. gibt es soviel ich weiß nicht. Natürlich ist es verständlich, daß sich die Gemeinden lange Zeit für diese Vergangenheit geschämt haben, aber ist dieses Schamgefühl auch heute noch notwendig oder angesagt?

    Heute? nun ja ...vielleicht bin ich auch nicht mehr up-to-date:
    wahrscheinlich gibt es schon Nazi-apps und man kann auf diese Art Infos bekommen ohne ein Buch in die Hand zu nehmen.

    Gruß Andreas

    edit: nur Grammatik und Rechtschreibung

    Heine ist von den meisten anderen Dichtern verschieden, weil er alle Scheinheiligkeit verachtet ... (Elisabeth von Österreich)

    Edited 5 times, last by turmbergsurfer2 (September 25, 2013 at 7:09 PM).

  • Hallo,

    Gegenfrage: sollten die Städte auf diese Vergangenheit stolz sein?

    Am Bielefelder (neuen) Rathaus gibt es eine Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus, da das ehemalige Gebäude der Gestapo-Zentrale dem Neubau des Rathauses weichen musste.

    Vor dem Bielefelder Hbf stehen zwei Gedenkplatten für die Opfer der Deportationen mit Namen aller von Bielefeld aus Deportierten.

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

  • Hi Andreas,

    grundsetzlich bin ich ein Befürworter von Informationstafeln an geschichtsträchtigen Gebäuden, egal aus welcher Epoche.

    Vor kurzem kam im TV eine Doku über die Bauten des Westwalls. Dort ist man auch schon soweit Infotafeln anzubringen, da man den Abriss der Anlagen zukünftig finanziell nicht stemmen kann.

    Trotzdem denke ich, dass bei dem Thema gleich wieder ein Aufschrei durchs Land hallen wird. ;)

    Viele Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Hallo Gerd,

    sie sollten garantiert nicht stolz darauf sein (deshalb habe ich auch Infotafeln geschrieben und nicht Gedenktafeln), aber haben die nachfolgenden Generationen nicht das Recht alle Informationen
    zu erhalten, also aus historischer Sicht?

    Ich bin mir ja selbst nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, aber Interesse besteht bestimmt ....

    Und: obwohl ich über meinen letzten Satz beim Eröffnungsthema selbst lachen mußte: so weit von der Realtität ist er nicht entfernt ..., obwohl es natürlich einen Unterschied macht, ob die Info offiziell ist oder privat.

    Vielleicht sollte man die Opfer befragen, was sie von Infotafeln halten würden?

    Gruß Andreas

    Heine ist von den meisten anderen Dichtern verschieden, weil er alle Scheinheiligkeit verachtet ... (Elisabeth von Österreich)

    Edited 2 times, last by turmbergsurfer2 (September 25, 2013 at 7:22 PM).

  • Hallo,

    ja man könnte, wenn sie eben nicht Opfer geworden wären... und damit sind wir heute in der Pflicht, daran zu erinnern, daß sie es geworden sind; warum sie es geworden sind und daß wir heute darauf hinwirken, daß es nicht noch einmal passiert...

    Und zu den Informationen: alle Informationen sind greifbar, nur manche eben nicht offensichtlich, was auch nicht sein muß. Da muß man dann als Suchender auch mal richtig suchen... zum Bleistift in Stadtarchiven oder so... ohne Fleiß kein Preis... oder ein anderes dieser netten Bonmots...

    Grüße
    Fred

    Halle/Saale: Heeres- und Luftnachrichtenschule // Siebel Flugzeugwerke

  • Hallo,

    es gibt für Berlin eine informative Internetseite: http://www.gedenktafeln-in-berlin.de/ Wer unter Institutionen schaut und dann zur Blücher-Kaserne kommt, findet also auch eine Gedenktafel, die unter anderem auch eine "Nazi-Vergangenheit" hat.

    Ich bin jetzt nicht alles durchgegangen. Grundsätzlich finde ich es wichtig, möglichst keine Geschichtsverfälschung zu betreiben, indem bei beispielsweise Gebäuden nur eindimensional über eine Nutzung berichtet wird, aber eben nicht über auch andere.

    Beispielsweise ärgere ich mich, dass der sog. Führerbunker am Potsdamer Platz eingestampft worden ist und wirklich NICHTS darauf hinweist. Im Gegenteil. Es ist bewusst politisch nicht gewollt aus Angst vor Nazi-Touristen. Das halte ich für grundfalsch. Im Gegenteil könnte durch historische Bearbeitung in geeigneter Weise darauf hingewirkt werden, dass hier keine Kultstätte entsteht. Das Deutsche Museum spart die Nazizeit ja auch nicht aus 8o

    Viele Grüße
    Jana

    Suche alles zu Heerestruppen allgemein und zur s. Art.Abt. 841 im Besonderen!

  • Hallo Zusammen,

    ich möchte mich einschränken, was die Durchführbarkeit anbelangt:

    bei jetzt privaten Gebäuden, würde ich nicht unbedingt Infotafeln anbringen lassen ....(darüber kann man natürlich diskutieren)

    wie gesagt, ich bin auf das "für und wieder" gespannt ...

    und lasse mich auch gern belehren ...., vielleicht ist die Zeit wirklich noch nicht reif für diese Infotafeln ...

    eine gewisse Gefahr oder Provokation könnte man natürlich darin sehen ....

    Gruß Andreas

    Heine ist von den meisten anderen Dichtern verschieden, weil er alle Scheinheiligkeit verachtet ... (Elisabeth von Österreich)

  • Hallo, Andreas und alle Anderen,

    welche Informationen sollten Deiner Meinung nach, auf den Info Tafeln stehen ?

    Ich glaube kaum, das eine Stadt/Gemeinde den Nationalsozialismus "glorifiziert".

    In Herford ist auf einem Friedhof ein Grabstein mit eingemeißeltem Hakenkreuz. Weil dieser Grabstein aber historisch ist, bleibt er erhalten.

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

  • Hallo Gerd Wolf,

    habe ich etwas von glorifiziert geschrieben?

    bestimmt nicht !

    reine Fakten wären interessant ....aber wie gesagt, vielleicht ist die Zeit noch nicht reif dafür ....

    Die "Polen" haben kein Problem damit in der Wolfsschanze die Dinge beim Namen zu nennen ..., aber in Berchtesgarden muß man wahrscheinlich ein Buch zu Hand nehmen um etwas zu finden. In Berlin sieht es wahrscheinlich nicht viel anders aus?

    oder in Nürnberg ...keine Ahnung, wie das dort ist ....

    In unserer heutigen Gesellschaft haben schätzungsweise 95% die Nazi-Zeit nicht erlebt (oder waren so jung, daß sie sich nicht erinnern können), also warum kann man darüber nicht offen reden?

    Was das gemeißelte Hakenkreuz betrifft: warum leugnen?

    in Kinofilmen sieht man genug Hakenkreuze ..., es kommt auf die Gesinnung an ...

    also auf das Jetzt ....

    Gruss Andreas

    Heine ist von den meisten anderen Dichtern verschieden, weil er alle Scheinheiligkeit verachtet ... (Elisabeth von Österreich)

    Edited 6 times, last by turmbergsurfer2 (September 25, 2013 at 8:29 PM).

  • Hallo,

    naja, die Polen haben auch kein Problem damit, "Mein Kampf" offen zu verkaufen :evil:

    Das Hakenkreuz usw. sind verfassungsfeindliche Symbole, und ich finde das auch gut, denn so bleibt eine gewisse Vorsicht immer im Hinterkopf. Aber - um zurück zum Thema zu gelangen - eine Gedenktafel wäre ja eine Kommentierung, und in diesem Moment dürfen dann auch Symbole gezeigt werden.

    Nachwievor: Jeder Ort egal welchen Charakters tut gut daran, an seine eigene Geschichte zu erinnern. Mit Respekt und Faktenwissen.

    Diese Internetseite hier beweist, dass es sehr wichtig ist zu wissen, woher man kommt.

    Viele Grüße
    Jana

    Suche alles zu Heerestruppen allgemein und zur s. Art.Abt. 841 im Besonderen!

  • Hallo Jana,

    Quote

    Original von Halandri
    naja, die Polen haben auch kein Problem damit, "Mein Kampf" offen zu verkaufen ...

    ... Aber - um zurück zum Thema zu gelangen - eine Gedenktafel wäre ja eine Kommentierung, und in diesem Moment dürfen dann auch Symbole gezeigt werden.

    - natürlich haben "die Polen" kein Problem mit dem Verkauf von "Mein Kampf". Es ist ja nicht auf ihrem Mist gewachsen - sie hatten nur unter der Umsetzung der Gedanken in/aus diesem Machwerk zu leiden.

    - Die bewussten "Symbole" dürfen auch in diesem Moment, also auf Gedenk- oder Infotafeln nicht gezeigt werden. Dazu besteht kein Bedarf und es resultiert auch kein Erkenntnisgewinn.

    Wenn eine solche Tafel an einem Privathaus im allgemeinen Interesse angebracht werden soll, erhebt sich die Frage der Entschädigung für evtl. Wertverlust. Aber möglicherweise steigt ja das Interesse an Miete oder Kauf bei einer spez. Klientel ... .

    Es muss auch nicht jedes leicht bräunliche Häuschen gleich zur Gedenk- oder Mahnstätte erkoren werden - jedes Kuhdorf hatte ja sein "Braunes Haus".

    Und überall gab es RAD-Baracken oder irgendwelche Flugabwehrstellungen, etc..

    Wichtig ist vor allem, dass man eine Erinnerung an die Opfer des NS-Systems institutionalisiert (wie z. B. Stolpersteine, etc.).


    Nur die Opfer verdienen Erinnerung!


    Gruß,

    Joseph

    Suche Informationen zum Füs.Bat. 170 im Zeitraum Juli 1944 und zur 269.I.D im Zeitraum Januar bis März 1945 (Festung Breslau)

  • Hallo,

    Quote

    habe ich etwas von glorifiziert geschrieben?

    Die Frage war rein rhetorisch gestellt.

    Der Obersalzberg wurde nach Kriegsende abgetragen; in Absprache der bayrischen Staatsregierung und den Amerikanern: man wollte keine "Kultstätte".
    Ähnlich sah es wohl in Nürnberg und Berlin aus.

    Quote

    welche Informationen sollten Deiner Meinung nach, auf den Info Tafeln stehen ?


    und vor Allem, an welchen Gebäuden (z.B. Kasernen, Gestapo-Zentralen,Gefängnissen, etc ?)

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

  • Hallo,

    In Berlin gibt es an vielen Gebäuden einheitliche Gedenk- bzw. Infotafeln, die auf einen historischen Bezug des Gebäudes hinweisen. Oft sind es Hinweise auf mehr oder weniger berühmte Menschen, manchmal aber auch auf die frühere Verwendung des Hauses. Wobei ganz sachlich auch auf die Nutzung oder Erbauung durch Institutionen des 3. Reichs verwiesen wird. Beispielsweise gibt es so ein Schild mit einer Information auf das SS Wirtschaftsamt und Verwaltung der KZ Unter den Eichen oder an der ehemaligen Hauptkadettenanstalt Lichterfelde mit Hinweis auf die SSLAH .

    Gegen eine sachliche Information hätte ich nichts einzuwenden!

    Gruß

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo,
    bedeutende Häuser des Schreckens bzw. Gestapo-Zentralen sollten
    durchaus mit Infotafeln versehen werden, macht man in anderen
    Ländern ja auch, zB Budapest -> Folterhäuser Pfeilkreuzler. ist
    Dann auch gleichzeitig Museum.
    Sollte aber nicht inflationär ausufern, den gesamten Rest kann
    ja jeder bei Wikipedia oder im Reiseführer erforschen.

    Gruss
    Udo Rudi

  • Hallo Udo Rudi,

    darum geht es doch aber:

    die Informationstafeln (Gedenktafeln) beziehen sich fast nur auf Holocaust/Deportation und Zwangsarbeiter.

    Dagegen ist natürlich nichts einzuwenden, aber andere Infotafeln wären eben auch nicht schlecht.

    Gruß Andreas

    Heine ist von den meisten anderen Dichtern verschieden, weil er alle Scheinheiligkeit verachtet ... (Elisabeth von Österreich)

    Edited once, last by turmbergsurfer2 (September 26, 2013 at 7:28 PM).

  • Hallo Andreas,

    Quote

    aber andere Infotafeln wären eben auch nicht schlecht.

    Quote

    welche Informationen sollten Deiner Meinung nach, auf den Info Tafeln stehen ?

    .

    Ich habe das Gefühl, Du weichst dieser Frage aus...

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

  • Hallo Gerd,

    ich weiche dieser Frage nicht aus, aber es käme natürlich immer auf das Objekt an um welches es geht.

    Wahrscheinlich ist es sowieso nicht durchführbar, zumindest nicht an vielen Objekten.

    Abgesehen davon, daß der politische Wille dazu vielleicht nicht vorhanden ist: "Berufene Geister" würden bestimmt ein Hakenkreuz draufsprühen auf irgendwelche Infotafeln, wenn sie nicht den Zwangsarbeitern oder Deportierten/Ermordeten gewidmet wären.

    Über einen Text brauche ich mir eigentlich keine Gedanken machen, da ich sowieso nicht gefragt werde.

    Beispiele habe ich aber beim googeln gefunden:

    http://www.mfs-insider.de/Zitate/Texte.htm


    Gruß Andreas

    Heine ist von den meisten anderen Dichtern verschieden, weil er alle Scheinheiligkeit verachtet ... (Elisabeth von Österreich)

    Edited 2 times, last by turmbergsurfer2 (September 26, 2013 at 8:31 PM).

  • Quote

    Original von turmbergsurfer2

    die Informationstafeln (Gedenktafeln) beziehen sich fast nur auf Holocaust/Deportation und Zwangsarbeiter.

    Hallo Andreas,
    ja - nur so soll es auch sein.
    Wem hilft denn z.B. eine Infotafel vor Görings Geburtshaus,
    Sollen diese Orte Pilgerstätten für Andersdenkende werden?

    Warum liegt Osama Bin Laden auf dem Meeresgrund
    und auf keinem Friedhof mit Infotafel?

    Es reicht, wenn wenige Interessierte oder Historiker
    Wissen, welch tolle Verwaltung oder Amt einmal
    In einem Gebäude war.

    Und die Anderdenkenden haben eh schon
    genügend Orte zum Schwärmen, z.B.
    Die Ordensburg Vogelsang.

    Just my 2 Cent
    Udo Rudi