Bergung u. Entsorgung von Munition aus dem Weltkrieg

  • Guten Tag,

    zum oben berichteten "Fund" auf dem ehemaligen Flugplatz Vechta muss ich auch noch meinen "Senf beitragen".

    Zunächst die bekannten historischen Fakten:

    - Es handelt sich um die Short Stirling, serial "R9247", code "AA-W", der 75 Squadron RAF, gestartet gegen 18 Uhr von der Air Station Newmarket.

    - Der Abschuss um 19:56 Uhr am Abend des 17.12.42 wurde dem Nachtjäger Hptm. Walter Milius von der 1./NJG 3 zuerkannt. Milius war zu diesem Zeitpunkt Staffelkapitän der 1.Staffel, später Kommandeur der I.Gruppe.

    - Milius erzielte insgesamt 8 Nachtjagdabschüsse, davon alleine 3 (!) am Abend des 17. Dez. 42. Die o.a. Stirling "AA-W" war die zweite davon.

    - Von den 7 Mann an Bord der Stirling überlebte niemand den Abschuss.Zu den Namen der 7 RAF Männer, siehe angefügtes Umbettungsprotokoll (Quelle: CWGC). Die weiteren persönlichen Daten der 7 Toten können der CWGC-Website entnommen werden.

    Zum aktuellen Fund:

    - Das Wrack und die 7 Gefallenen RAF-Angehörigen wurden selbstverständlich geborgen, die Toten (soweit auffindbar) zunächst auf dem "Russischen Friedhof" in Vechta erstbestattet, dann im Oktober 1947 auf die CWGC Kriegsgräberstätte nach Rheinberg umgebettet.

    - Wie damals üblich wurden alle sichtbaren, größeren Leichenteile eingesammelt und bestattet. Die Wrackteile wurden dem Wertstoffkreislauf der Kriegswirtschaft zugeführt. Kleinere Wrackteile, und darin "eingebettet" wohl auch noch Leichenteile, wurden oft in Bombentrichter wie sie auf Fliegerhorsten zu finden waren, verfüllt und mit Erdauswurf überdeckt.

    - Derlei Leichenteile und Kriegsrelikte (aus den letzten 2000 Jahren !) sind in ganz Europa aufzufinden. Dort wo es mehr Kampfhandlungen und Tote gab, häufiger.

    - Auch auf den Schlachtfeldern des 1. und 2.Wk, besonders in Frankreich, Belgien (Ypern), der ehemaligen Sowjetunion ..., usw., finden sich überall noch Relikte der letzten Kriege. Besonders wenn man mit heutigen technischen Möglichkeiten (Metallsonden, Bodenradar, Luftbildern) gezielt danach sucht.

    und:

    - Selbstverständlich sind alle ehemaligen Luftwaffen-Fliegerhorste in ihrer Gesamtheit als "Militärische Altlastverdachtsfläche" ausgewiesen, denn Flugplätze waren stets vorrangiges Ziel für feindl. Luftangriffe und willkommenes Ausweichziel.

    - Persönlich kann ich nur jedem raten, sich vor dem Kauf eines Grundstückes gründlich über Verdachtflächen zu informieren.

    Beste Grüße, Uwe K.

  • Hallo alle miteinander

    am Donnerstag den 12.12.2019 wurde erneut in Oranienburg eine 500 kg Weltkriegsbombe ( die 209), amerikanischer Bauart mit chemischen Langzeitzünder, entschärft. Sechs Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMBH) beseitigten diese Altlast des II.WK. Vielen Dank diesen Männern für Ihre gefahrvolle Arbeit, die sicherlich nicht alltäglich ist. Diesmal mußten etwa 5200 Einwohner ihre Wohnungen verlassen. Vermutet werden die die nächsten 2 Bomber, laut Auswertung von Luftbildern.
    MfG
    Dietrich

  • Guten Abend zusammen,

    nochmal zu Vechta eine Anmerkung. Absolut korrekt zusammengefasst von Uwe.

    Die Absturzstelle ist durch Chroniken und darin genommen Bezug auf die ehemalige Bebauung bekannt gewesen. Sogar in Lageplänen der Stadt aus 1992 ist die Absturzstelle, zumindest nach den Augenzeugenberichten, plausibel und damit vermutlich Lagerichtig eingezeichnet. Die dort angegeben Stelle ist heute überbaut.

    Als Ende September bei den vorbereitenden Baumaßnahmen für einen Büro- und Produktionsneubau, sich eine Stelle als nicht ausreichend tragfähig zeigte, tauchten beim Ausbaggern dieser Stelle erste Wrackteile, u. a. auch eines der späteren vier Browning Mk II 0.303 und Munition, auf. Diese Teile konnte dem Heckbereich einer Stirling zugeordnet werden.

    Vom Ordnungsamt der Stadt Vechta wurden, im Rahmen der Gefahrenabwehr, weitere Erdarbeiten ohne die Begleitung durch eine Kampmittelbergungs-Dienstleister untersagt.

    Da die Kampfmittelbergungs-Fachfirmen im Oktober/November eine Vorlaufzeit von min. vier Wochen hatten, konnte erst ab Mitte November Mit der Sondierung des Geländes nach Abwurfmunition begonnen werden. Die weiteren Wrackteile kamen beim Nachgraben nach den Verdachtssignalen zum Vorschein.

    Es wurde also nicht primär nach Wrackteilen gegraben.

    Im Zuge dieser Grabungen kamen dann auch die ersten sterblichen Überreste zu Tage. Dies verursachten wieder kurzzeitig eine Einstellung jeglicher Tätigkeit auf der Baustelle.

    Zusammen mit Freiwilligen und der Arbeitsgruppe Luftfahrtarchäologie Niedersachsen, die vorher schon beratend tätig war, wurde mit Frau Dr. Joop-van Well und Herrn Krebs von der Rechtsmedizin des UKE Hamburg-Eppendorf die restlichen, sterblichen Überreste geborgen.

    Da bis auf zwei Ausnahmen alle Wrackteile dem Heck und des Rear Turrets zuzuordnen sind und die sterblichen Überreste mit Bordmuntion vermischt waren, liegt die Vermutung nahe, das es sich um Überreste des Heckschützen H. W. Pullar handeln könnte.

    Allerdings sind die sterblichen Überresten nicht nur ein paar Knochen, sondern es handelt sich etwa um den unteren Torso, einen Unteram und Schädelknochen, da ich bisher nichts Gegenteiliges gehört habe, ist alles vermutlich von einer Person.

    Um nicht zu weit vom Thema abzukommen, Abwurfmunition wurde nicht gefunden, dafür reichlich 0.303 und vier Browning MG.

    Die meisten Kosten dürften durch die Entsorgung und Austausch des mit Betriebsstoffen verunreinigten Bodens und den langen Stillstand auf der Baustelle aufgelaufen sein.

    Viele Grüße

    Jabo

  • Hallo alle miteinander
    in diesem Jahr hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) in Brandenburg etwa 276 t Kampfmittel geräumt.
    21300 Granaten verschiedener Kaliber
    5000 Brandbomben
    188 Sprengbomben
    870 Panzerabwehr(raketen?)
    Es stehen immer noch 350000 Hektar ziviler Flächen unter Kampfmittelverdacht. Schwerpunkte bilden dabei Oranienburg, Potsdam, Oder Neiße Linie und der Bereich südlich von Berlin. Durch Amerikaner seien auch die meisten Bomben mit chemischen Langzeitzünder in Oranienburg abgeworfen wurden. Nach der Wiedervereinigung sind in Potsdam wie in Oranienburg mehr als 200 Großbomben entschärft bzw. gesprengt worden, in diesem Jahr bereits 6 Blindgänger. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, das Munition bzw. Kampfmittel mit Phosphorfüllung als Brandursache der Waldbrände in Brandenburg diente.
    MfG
    Dietrich

  • Hallo,

    hier noch ein kurioser Fund.

    es dürfte auch heute noch eine Menge Geschosse in Kellern, Speichern oder sonstwo auf Grundstücken liegen. Ein Freund fand Mitte der sechziger Jahre eine 5 cm Granate(Patronenmunition) bei sich zu Hause im Keller. Wir beschlossen das Ding auf dem Müllabladeplatz zu sprengen. War natürlich Leichtsinn hoch drei, aber zuerst explodierte die Patrone, Geschoss wollte nicht explodieren, also zweites Feuer und dann explodierte das Geschoss. Nichts passiert, es regte sich auch niemand auf. Danach habe ich aber solche Experimente unterlassen, obwohl ich Gelegenheit dazu gehabt hätte.

    Gruss

    Rainer

    Suum cuique

  • Hallo Rainer,

    noch haarsträubender ist der weitere an der oberen Nachricht hängende Bericht, wo eine amerikanische Touristin eine in Österreich gefundene Granate mit auf den Heimflug nehmen wollte. Die Airport Security fand die Idee nicht originell.

    Beste Grüße

    Andreas

    Beste Grüße, Andreas

    "Die Würde des Menschen ist unantastbar". (Art.1GG)

  • Polizei-Spreng-Kommando Bremen

    Hallo,

    anbei ein Bericht zur Arbeit des (damals so bezeichneten) Polizei-Spreng-Kommando Bremen, einem Vorläufer des heutigen Kampfmittelräumdienstes der Bremer Polizei. Kurz nach Kriegsende am 4.Juni 1945 kam es in Bremen zu einem Explosions-Unglück im Polizeihaus in der Stadtmitte, als ca. 1 bis 2 Tonnen gesammelte Kampfmittel und Kriegsmunition explodierten, die dort bis zur vorgesehenen Entsorgung/Vernichtung zwischengelagert wurden. Die Ursache dieser Explosion konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, dabei kamen 45 Menschen ums Leben, 32 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Ein Pressebericht, der anlässlich des 70.Jahrestages dieses Unglücks veröffentlicht wurde: https://www.weser-kurier.de/bremen_artikel…id,1138881.html

    Der in dem Bericht genannte Oberingenieur Hans Köster war Flieger-Veteran des 1.Weltkrieges, seit 1919 Angehöriger der Technischen Nothilfe und während des 2.Weltkrieges u.a. Leiter des Instandsetzungsdienstes bei dem Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD) Bremen, der dann im Jahr 1942 zur Luftschutzpolizei (LS-Polizei) umgegliedert wurde und dem örtlichen Bremer Luftschutzleiter, General der Polizei Schroers, unterstellt war. Ing. Köster wurde mit dem SHD neben den eigentlichen Aufgaben wie Bergung von Verschütteten, Trümmerbeseitigung von Straßen/Überbauung von Bombenkratern und dem Abriss und der Sprengung von einsturzgefährdeten Häuserruinen nach den alliierten Luftangriffen auch zur Entschärfung von zahlreichen Bombenblindgängern in der Stadt und den Bremer Umlandgemeinden eingesetzt. Nach dem Krieg baute er den heutigen Kampfmittelräumdienst mit auf und führte direkt nach Kriegsende im Auftrag der amerik. Besatzungstruppen in Bremen weiterhin die Beseitigung der in der Region noch zahlreich zu findenden Kampfmittel durch. Dabei kam es im Jahr 1947 zu einem weiteren Unglück, als ein mit entschärften Riegelminen beladener LKW des Polizei-Spreng-Kommandos explodierte, wobei der Fahrer ums Leben kam. In späteren Jahren übernahm Hans Köster dann noch die Aufgaben des Landesbeauftragten des Technischen Hilfswerkes im Land Bremen: http://www.thwhs.de/oberingenieur-johann-koester/

    Einige Erfahrungen als Kampfmittelbeseitiger veröffentlichte Hans Köster in dem u.g. Buch, darin schildert er unter anderem detailliert die Funktionsweise und Zündmechanismen von britischen Bomben mit Zeitzündern und deren Entschärfung und Bergung sowie die zum Teil mangelnde Unterstützung durch die Feuerwerker aus allen drei Teilstreitkräften der Wehrmacht.

    Quellen: Die Gründung des Polizei-Spreng-Kommandos Bremen, Autor Hans Köster, Selbstverlag 1967 u. "Dankbarkeit - Kennen wir das noch?", erschienen in "Der Aufbau", Heft 4 vom Dezember 1977, Autor Gerhard Iversen, Seiten 137 u. 138

    Gruß, J.H.

  • N'Abend zusammen,

    zur Sachlage am Dethlinger Teich in Bezug auf Qualität bzw. Quantität der hier versenkten Rüstungsaltlasten hänge ich mal die Kleine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Lutz Winkelmann (CDU) vom 30.09.2014 (Drucksache 17/2104) samt Antwort der Niedersächsischen Landesregierung vom 11.11.2014 an (Quelle).

    Da wundern einen die veranschlagten Sanierungskosten nicht ...

    Gruß, Stefan

  • Hallo Rainer,

    das war ja mal wieder eine der großen Evakuierungsaktionen - täusche ich mich oder häufen sich in den vergangenen zwei, drei Jahren die Funde insbesondere in dicht bebauten Gebieten? Hängt wohl mit der verstärkten Bautätigkeit zusammen?

    Herzliche Grüße

    Eberhard

    Suche alles über die 101. Jägerdivision.

  • Hallo Thilo,

    das wird ja immer verrückter. Jetzt nehmen sie schon Blindgänger mit nach Hause. Was kann jemand damit anfangen???

    Oder liegt vielleicht ein Irrtum hinsichtlich des Fundortes vor?

    Herzliche Grüße

    Eberhard

    Suche alles über die 101. Jägerdivision.

  • Hallo Eberhard,

    nein, da liegt kein Irrtum vor mit dem Fundort, und das ist in dem Bereich dort auch nichts seltenes.

    Da hatten 2 im Anflug befindliche RAF Bomber einen Mid-Air-Crash, wo bei eine Maschine detonierte und ein riesiger Trümmerregen sich auf mehrere Kilometer Länge und Breite am Boden verteilten.

    Der Finder ist mir persönlich bekannt und er wusste definitive was er da gefunden hatte und was damit zu tun war.

    Eine "Irrtümliche Meldung" oder eine "Falsch Alarmierung" durch Ihn würde ich ausschließen.

    Was man mit dem Ding anfangen kann ... mhh... mit der regulären 2lb unter den dortigen Bodenumständen nicht viel. Wenn es ein mit Detonator im Fallgewicht war wäre Unfug naürtlich denkbar.

    Aber auch so bieten selbst Rest davon immer noch ein Gefahrenpotential.

    Grüße

    Claudio

  • Hallo Claudio,

    interessant. Nur zu hoffen, dass das Relikt bald auftaucht und entschärft wird (falls nötig). Schon kurios, diese Geschichte.

    Herzliche Grüße

    Eberhard

    Suche alles über die 101. Jägerdivision.

  • Hallo,

    auch im Ausland ist man mit immer noch der Beseitigung von "Altlasten" des Krieges beschäftigt. In der Stadt Venedig ist gestern eine amerikanische Fliegerbombe gefunden und nach dem Transport in offene Gewässer durch Sprengmeister der italienischen Armee kontrolliert gesprengt worden. Es kam dabei zu einer größeren Evakuierungsaktion im Bereich um den Fundort, auch der Flugverkehr über der Stadt musste zeitweise eingestellt werden: https://www.youtube.com/watch?v=iOwrXO6LSx8

    Gruß, J.H.