Beutefahrzeuge in Frankreich 1940, Dünkirchen und andere Orte

  • Ich bin schon immer ein wenig an Beutewaffen in Diensten der Wehrmacht interessiert gewesen. Nun machten die Deutschen ja bei ihrem Einmarsch in Dünkirchen gewaltige Beute, laut Karl-Heinz Frieser 63 000 Fahrzeuge, 450 Panzer und 2400 Geschütze. Bisher habe ich (ausgenommen Nordafrika) wenig von englischem Material in Diensten der Wehrmacht gehört, was mich etwas erstaunt. Weiß jemand, inwiefern diese Beute kämpfenden Einheiten oder Besatzungs- und Festungstruppen zugteilt wurde?

  • Grundsätzlich wurde englisches Material ebenfalls an allen Fronten verwendet. Da aber die Ersatzteilsituation ziemlich bei Null war, ebenso Vorräte an Munition für Waffen, ist das meiste Material ziemlich schnell von der Bildfläche verschwunden. Anders bei französischem Material, bei dem die Herstellerfabriken und Reparaturwerkstätten inklusive Fachkräften miterbeutet wurden.

    Dazu kommt, dass die englische Panzerdoktrin eine gänzlich andere war als die deutsche und englische Panzer so gut wie gar nicht in deutsche Divisionen einzugliedern waren. In Nordafrika wurde auch hauptsächlich vor Ort erbeutetes Material (von beiden Seiten übrigens!) eingesetzt, und das einfach aus Mangel an Nachschub. Aufgegebene englische Waffen in Nordafrika wurden oft ohne wichtige Teile erbeutet, weil die englische Besatzung diese vor der Aufgabe ausbaute oder zerstörte. Hier wurden dann Ersatzteile aus Dünkirchen oder von erbeuteten englischen Waffen in russischen Diensten nach Afrika geschickt. Ein großes Interesse, englische Panzer und Waffen im Verlaufe des weiteren Krieges an der Ostfront deutscherseits einzusetzen gab es meines Wissens nach nicht.

    Einiges englisches Material wurde dann noch zur Verteidigung der Antlantikküste oder der Kanalinseln eingesetzt und für die Übungen zur Operation Seelöwe aufgebraucht. Dabei wurde an englischem Gerät ausgebildet, um bei der Landung in Großbritannien erbeutetes Gerät sofort weiter verwenden zu können.

    Gruß

    Andreas

  • Noch bißchen nachgedacht: Bren-Carrier und Abarten wurden zum Infanteriegeschütz SFL umgebaut, viele wurden von der LW auf Feldflugplätzen genutzt zum Flugzeuge verziehen oder um schwere Bomben zum Flugzeug zu schleifen.

  • Hallo,

    eine "Matilda II" war an der Ostfront ohne Turm als Bergefahrzeug eingesetzt!

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

  • Einzelne Fahrzeuge wurden ja auch genutzt. Leichte LKW oder Motorräder aus englischer Produktion waren sogar beliebt wegen der guten Qualität, aber selbst da gingen irgendwann die Ersatzteile aus. Und die konnten ja schlecht welche in England bestellen.

  • Quote

    Original von Lexikon der Wehrmacht
    Ich weiß jetzt die Division nicht, aber wenn mich nicht alles täuscht, gab es eine Panzer-Einheit in Norwegen, die komplett mit englischem Material ausgestattet war.

    Quellen..................., gab es da nicht mal eine Forumsregel?

    mfg matthias

  • Gilt nicht für Alzheimer-Patienten :D

    Da können denn mal die Jungspunde ihre Qualitäten der Recherche beweisen. Also, denn mal los.

    Arnold

  • Bekanntestes Beispiel war die Becker-Einheit 15./AR 227 (Sturmpanzerbatterie), die fast ausnahmslos mit britischem Material ausgeruestet wurde, welches bis Ende 1942 im Bereich der Heeresgruppe Nord aufgebraucht wurde.
    Ausstattung u.a.:
    32 Morris Commercial
    8 HP Austin Tourer
    10 HP Austin Utilities sowie Bren Carrier
    12 Mk VI-Fahrgestelle mit 10,5cm leFH 16
    6 Mk VI-Fahrgestelle mit 15cm sFH 13
    4 MK VI-Fahrgestelle als Beobachtungs- und FUnkpanzer


    ---

    Bren MG-Traeger wurden als Traeger fuer 2cm Flak 38-Waffen genutzt (erster Einsatz auf dem Balkan), andere als Ladungstraeger bzw. ferngelenkte Versorgungsfahrzeuge, Schneepfluege, Munitionstraeger-Fahrzeuge und "Panzerjagdfahrzeuge". NSKK und Organisation Todt erhielten unveraenderte Carrier, z.T. mit aufgebauter 3,7 cm Pak 36.


    Soweit aus Spielbergers "Beute-Kraftfahrzeuge und -Panzer der deutschen Wehrmacht"


    ---

    Mir duenkt, dass das eher franzoesische Pz 35H und 38H waren?


    Dhyani

    PS: Beitrag wurde bearbeitet. Bitte Doppelpost zukünftig vermeiden, da die Übersicht darunter leidet. Danke, Rote-Kapelle.

    Use your brain and think about it!

  • Hallo,

    Quote

    Mir duenkt, dass das eher franzoesische Pz 35H und 38H waren?

    Auf welche Fahrzeuge spielst du da konkret an?


    MfG

    Whoever saves one life, saves the world entire.
    Talmud Jeruschalmi

  • Panzerkampfwagen 35H (f) (Kennummer 734 (f))
    Panzerkampfwagen 38H (f) (Kennummer 735 (f))

    mit einem Bestand von 355 Fahrzeugen zum 31.05.1943 und 29 Panzerkampfwagen 38H zum 31. Dezember 1944.

    Zahlen auch hier wieder dem alten Spielberger "Beute-Kraftfahrzeuge und -Panzer der deutschen Wehrmacht" entnommen. Jaha.

    Dhyani

    Use your brain and think about it!

  • Die Verluste in Frankreich 1940 betrugen lt. englischen Angaben 407 leichte Kampfpanzer MKVI, 158 Cruiser-Panzer und 126 Infanterie-Panzer. Unbekannt ist wieviele davon wieder eingesetzt werden konnten. Bei den französchen Beutepanzern konnte fast wieder die Hälfte flottgemacht werden bzw. als "wiederverwertbare Beute" eingebracht werden.
    Wenn man das auf die englischen Tanks überträgt wären das ca. 200 leichte Mk VI, 80 Cruiser und 65 Infanteriepanzer.
    Eine aus Beutepanzern aufgestellte Panzerkompanie wurde 11.02.41 wieder aufgelöst, Reste gingen zur Pz-.Abt. (f) 100. Die am 01.06.41 noch 9 Kreuzer-Panzer einsatzbereit meldete. Die Cruiser sind auch noch in Rußland fotografiert worden. Ansonsten gab es noch Umbauten als Ari-Sfl. Einige gingen zur Versuchabteilung nach Kummersdorf, andere wurden bei der Ausbildung aufgebraucht.

    Bren-Carrier bzw. Universal Carrier sind auch noch als Ladungsträger bei der Funklenktruppe zum Einsatz gekommen.

    Aber wie bereits beschrieben, die Ersatzteillage machte eine längerfristige Verwendung unmöglich. Ich bezweifle auch ob die französischen Zahlen einfach auf die englischen übertragen werden können.

    Quellen: Werner Regenberger "Beutepanzer unterm Balkenkreuz"
    Markus Jaugitz "Die Deutsche Fernlenktruppe"

    Gruß
    Andre

  • Stimmt, da fällt mir ein: auf Kreta wurden englische Fahrzeuge weiterhin erbeutet und wieder verwendet und irgendwo hatte ich gelesen, dass die geplante Invasion Maltas auch mit englischem Material stattfinden sollte.

    Trotzdem taugten die englischen Panzer zu Anfang des Krieges nicht für die deutsche Kriegsführung, eigentlich ja noch nicht einmal für die englische...

  • Danke für die vielen Antworten, das war sehr interessant. Aber weiß jemand was über den Verbleib der Geschütze? Die waren ja tendenziell interessanter als zumindest die leichten englischen Panzer, und über 2000 Stück davon (selbst wenn man bedenkt, dass es ganz verschiedene Typen waren) sind schon eine stattliche Zahl. Klar ist, dass da natürlich auch die Ersatzteilproblematik herrscht, aber vielleicht gibts ja doch ein paar Informationen dazu?

  • Hallo,


    Bei Hahn findest du auf Seite 176ff. eine erschöpfende Darstellung über den Verbleib und Einsatz der insgesamt 8.337 Beutewaffen, die im März 1944 in deutscher Verwendung waren. Darunter befanden sich auch noch 114 Waffen aller Kaliber aus englischer Fertigung. Das Problem der englischen Waffen war deren unzureichende Munitionslage, da neue Munition für diese Geschütze nicht mehr produziert wurde. Aus diesem Grunde stellten sie im März 1944 auch nur ca. 1,4% aller Beutewaffen dar.


    MfG

    Whoever saves one life, saves the world entire.
    Talmud Jeruschalmi

  • Hallo Forumsmitglieder,

    glaube das Bild passt ganz gut hierher.

    Rückseitige Beschriftung des Fotos:
    "General Schumann in Tillburg bei der Besichtigung des
    Beutematerials aus Dünkirchen
    Aug 1940"

    SS-Brigadeführer u. Generalmajor. d. Polizei Otto Schumann war von Mai/Juni 1940 bis Dezember 1942 Befehlshaber der Ordnungspolizei (BdO) in Den Haag/Holland. Die Aufnahme stammt des weiteren aus einem Nachlass des Polizeibataillon 93 Frankfurt/Main.

    Grüsse Daniel

    Files

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Quote

    Original von Sweroboi
    Danke für die vielen Antworten, das war sehr interessant. Aber weiß jemand was über den Verbleib der Geschütze? Die waren ja tendenziell interessanter als zumindest die leichten englischen Panzer, und über 2000 Stück davon (selbst wenn man bedenkt, dass es ganz verschiedene Typen waren) sind schon eine stattliche Zahl. Klar ist, dass da natürlich auch die Ersatzteilproblematik herrscht, aber vielleicht gibts ja doch ein paar Informationen dazu?

    Die landeten, zumindest teilweise, beim Küstenschutz in Frankreich. So besaß z.B. die
    5/HKALA 101 - Tamarissière II 6 x 8,38 cm K 271 (e),
    2/HKAA 1282 - Royan - Gi 19 6 x 11,4 cm K 362 (e),
    5./MAA 266 - Le Havre MKB Südmole 3 x 9,4 cm Flak Vickers M 39 (e) und die
    6./MAA 240 - Le Portel - Stp 259 Pechnelke 4 x 9,4cm Flak M39(e)
    Bei diesen Einheiten wurde nicht viel rumgeschossen, allerdings hatten sie oft auch nicht viel Munition.

    Grüße

    Jürgen

    Bis dann

    Deichgraf

  • Quote

    Original von AndreasFFM
    [...] auf Kreta wurden englische Fahrzeuge weiterhin erbeutet und wieder verwendet [...]

    ... und in Griechenland (vom Afrikafeldzug gar nicht zu reden).
    Im Waffen-Arsenal Bd. 123 heißt es hierzu: "[...] Ende 1941 hatte das Heere-Pi.Btl. 659 (mot.) in Athen 15 kanadische Ford F15 in Kfz. 15 (Behelf) [...] umgebaut und zum Heeres-Pi.Btl. 666 nach Russland in Marsch gesetzt (erkennbar WH-663381/470618/537334). Das Abzeichen des Pi.Btl. 666 ist als kreisförmig dreifache 6 zu erkennen."

    MfG -dire-