Tagebuch-privat-Verbleib

  • Hallo liebes Forum,

    ich erinnere mich daran, dass mein Vater (+1991) bei einigen Gelegenheiten sein privates Kriegstagebuch erwähnte. Zum Verbleib des Tagebuchs befragt, erzählte er, dass es ihm nach seiner Gefangennahme (Anfang August 1944 in der Nähe von Caen / Normandie durch kanadische Einheiten) bei Befragungen in London abgenommen wurde. Er befand sich dann bis 1946 in kanadischer und anschließend bis Herbst 1947 in britischer Gefangenschaft. Das Tagebuch blieb verschwunden. Er wahr Unteroffizier und bei der 269. ID.

    Meine Fragen:
    Besteht irgendeine Möglichkeit und Chance an dieses Tagebuch heran zu kommen?
    An welche Stellen kann man sich wenden?
    Wurden Tagebücher und ähnlich private Sachen (z.B. Fotos) systematisch den Gefangenen abgenommen?

    Danke im Voraus

    Paul


    G-W-G'

  • Quote

    Original von Paul Spohn
    . . . Besteht irgendeine Möglichkeit und Chance an dieses Tagebuch heran zu kommen?
    An welche Stellen kann man sich wenden?
    Wurden Tagebücher und ähnlich private Sachen (z.B. Fotos) systematisch den Gefangenen abgenommen? . . .

    Hallo Paul,

    wie sagen die Juristen immer: Das kommt darauf an ! :evil:

    Solange Du nicht definitiv weißt, dass diese Unterlagen (offiziell) konfisziert worden sind, ist
    m.E. jegliche Suche vergeudete Mühe.

    Du musst Dir vorstellen, dass die Wegnahme von Gegenständen bei der Gefangennahme
    durchaus willkürlich war und unterschiedlichster Motivation entspringen konnte:

    1. Reine Willkür, Gefangene demütigen, schädigen; Gegenstände wurden vernichtet oder zerstört.
    2. Persönliches Interesse an den Gegenständen (wg. Wert oder als Kriegs-Souvenir); Gegenstände
    wurden willkürlich ausgewählt und mit nach Hause genommen.
    3. Offizielle Beschlagnahme (eigentlich gegen Quittung und Herausgabe am Ende der Kriegsgefangenschaft);
    wurde wohl in den wenigsten Fällen praktiziert !?!

    Als Beispiel, wie so etwas vonstatten gehen konnte, hänge ich Dir mal eine Seite aus einem
    "meiner" Bücher an :
    Friedrich BEHRENS; Haarscharf am Abgrund vorbei . . .

    Gruß
    Rudolf (KINZINGER)

  • Hallo Rudolf und alle im Forum,

    ja, so wie Du es umrissen hast und mit einem kleinen Buchauszug noch unterfütterst, habe ich es mir die unmittelbare Situation der Gefangennahme schon vorgestellt, und wer hatte im Krieg schon Quittungsblöcke dabei.

    Aber meinem Vater wurde das Tagebuch erst nach Tagen, als er bereits in London war bei einer formalen Befragung oder Verhör abgenommen. Ist also - so meine Hypothese - in "offizielle" Kanäle gekommen. Daher meine Hoffnung, dass das Tagebuch noch in irgendeinem Archiv schmort.

    Tscha, aber wo ansetzen?

    Beste Grüsse

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo,
    vielleicht ist das Tagebuch in einem Archiv gelandet. Aber ich hätte da nicht viel Hoffnung. Ich habe durch einen entfernten Verwandten Bücher aus einer ausländischen Bibliothek bekommen, die erdie an sich im Papiercontainer hätte entsorgen sollen, da es sich um nicht mehr aktuelle Flugzeugbeschreibungen aus WK II handelte.
    Gruss
    Rainer

    Suum cuique

  • Hallo Rainer,

    Deine Erfahrungen klingen nicht sehr ermutigend.

    Wenn, dann wird das Tagebuch wohl in GB sein, also ich sollte dort ansetzen.

    Gibt es dort sowas wie FdW oder hat jemand sonst bereits Erfahrung mit WK 2 Recherchen in GB gemacht. Wäre für jeden Hinweis dankbar.

    Schönen Abend noch

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo Paul,
    richtig helfen kann ich ich nicht bezüglich Tagebuch.
    Mithin erwähnst Du London. Es gab in London und Umgebung drei Verhörzentren für deutsche Soldaten, allerdings mir im Moment nur bekannt für Soldaten der Luftwaffe. Ich frage nach in UK in wie weit man in 1944 auch Soldaten des Heeres hier auch vernommen hat.
    Du bist fixiert auf das Tagebuch. Vielleicht ist auch das Verhörprotokoll Deines Vaters noch existent im Englischen Nationalarchiv. Diese Protokolle sind zwischenzeitlich einsehbar. Später mehr darüber wie man da ran kommt.
    Kennst Du die Camps in England und Kanada wo Dein Vater als PoW interniert war? Vielleicht habe ich da auch noch Hinweise.
    Nochmals zum Tagebuch. Die Engländer haben damals alles ausgewertet (Flugkarten, Ausweise, Fahrkarten, Belege, Dokumente, Tagebücher usw.). Und es gab zumindest ein Archiv für diese Dokumente. Ich habe im Moment einen Hinweis darauf und bin selbst noch auf der Suche da das auch für mich interessant ist.

    Beste Grüße
    Manfred

  • Hallo an Alle und lieber Manfred,

    Dein Beitrag ist sehr erhellend, es gab also diese Verhöre und sie wurden systematisch durchgeführt, also wird es auch den Beitrag meines Vaters in Form seines Tagebuchs und - als Ergebnis des Verhörs - das Protokoll der Einvernahme geben. Für Tips, wo man ansetzen kann, wäre ich dankbar.

    Also zur PoW-Karriere zunächst soviel. Gefangennahme Anfang August durch eine kanadische Einheit bei oder in Tilly-la-Campagne ca. 10km sdl. Caen. Verbringung nach England / London, dann im Herbst 1944 Überfahrt mit der "Queen Mary" von Liverpool nach New York, Bahntransport nach Medicine Hat, Alberta / Saskatschewan, Kananda, ins Camp 132. In etwa Mitte 1946 zurück nach England, dort etwa 1 Jahr im Arbeitseinsatz u.a. i. d. Landwirtschaft. Rückkehr nach Deutschland Ende 1947. Unter allen Gewahrsamsstaaten muß Kanada wohl das "goldene Los" für KGF gewesens ein.

    Werde mich auch mal einwenig im WEB umtun bzgl. Archive etc. in England und Ergebnisse hier veröffentlichen.

    Noch eine schönen Sonntag an Alle

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo Paul,

    dann wäre es einer der "Glücksfälle", die ich unter Nr. 3 beschrieben habe:

    "3. Offizielle Beschlagnahme (eigentlich gegen Quittung und Herausgabe am Ende der Kriegsgefangenschaft);
    wurde wohl in den wenigsten Fällen praktiziert !?!"

    . . . nur, dass man die Herausgabe zum Ende der Kriegsgefangenschaft versäumt hat !

    Ich wünsche es Dir von Herzen !

    Gruß
    Rudolf (KINZINGER)

  • Hallo und guten Abend,

    habe mal sehr ausgiebig im WEB nach britischen Quellen und Archiven zum Verbleib des Tagebuchs und des Verhörprotokolls geforscht. Die Ergebnisse sind im Moment noch eher ernüchternd und sehr mager. Interessant war, dass die britischen Institutionen für weiterführende Auskünfte auf die WAST, den DRK-Suchdienst und Bad Arolsen verweisen, inkl. WEB-Links. Und in GB auf Heimatmuseen als mögliche Aufbewahrungsorte.

    Guten Abend

    Paul


    G-W-G'

  • Hall liebes Forum,

    ich bin natürlich immer noch auf der Suche.

    Ich meine beim Stöbern im FdW einen Hinweis gefunden zu haben, der davon spricht, dass die westallierten Gewahrsamsmächte sämtliche Dokumente zu den deutschen Kriegsgefangenen in den 1960iger Jahren an die WAST gegeben haben. Diese also in Berlin lagern müßten. Das würde natürlich auch die negative WEB-Recherche und den dortigen Hinweis auf die WAST erklären.

    Kann jemand dazu etwas sachdienliches mitteilen?

    Beste Grüße

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo Paul,

    so ist es: die West-Alliierten haben die Personalakten betreffend ihre deutschen Kriegsgefangenen in den 1960er Jahren an die deutsche Bundesregierung übergeben - und diese hat sie an die DD/WASt weiter geleitet.

    Meinen Erfahrungen nach sind darin aber keine persönlichen Unterlagen der Gefangenen enthalten, sondern lediglich Formblätter und Unterlagen der Gewahrsamsmacht, die Aufschluss über die Zeit der Gefangenschaft geben! Insofern bezweifle ich, dass Du in der Akte das gesuchte Tagebuch finden wirst. Ein Verhörprotokoll ist mir in einer solchen Akte bisher auch noch nicht begegnet - ich denke, diese wurden an anderer Stelle verarbeitet und (wenn überhaupt) aufbewahrt.

    Gruß, Stefan

    "Es gibt nichts, was ein deutscher Offizier nicht kann!" (Oberst Manfred v. Holstein)

  • Hallo Paul,

    soweit ich weiß gibt es im Archiv des Internationalen Roten Kreuzes noch weitere Dokumente zu Kriegsgefangenen der Engländer. Ob dass Tagebuch allerdings dort dabei ist, bezweifle ich stark.
    http://www.icrc.org/web/forms/webf…12572E200322DD7

    Alternativ im Nationalarchiv in Kew nachfragen, wo die Verhörunterlagen aufbewahrt werden und wo sich ausgewertete Unterlagen von Kriegsgefangenen befinden können. Soweit ich weiß sind dort auch die Verhörprotokolle für Neitzels Buch "abgehört" gefunden worden.
    http://www.nationalarchives.gov.uk/

    Viel Erfolg

    Gruß Alex

  • Hallo Paul und meine Vorredner
    Rudolf, Stefan und Alex haben geantwortet, fact.
    Von meiner Seite noch folgendes.
    Initiiert und gesammelt/ausgewertet wurden diese Verhöre vom C.I.S.D.I.C Combined Services Detailed Interrogation Centre (UK).
    Es gab/gibt diese Verhörprotokolle und abgehörte Pow Gespräche beim GOV.
    Heute nachzulesen im Nationalarchiv in GB ( Link von Alex )
    Der Hinweis ICRC, das ICRC hat sich in erster Näherung um die PoW Camps gekümmert mit Kontrollen und schlichtweg Helfen. Auch hier gibt es Protokolle die seitens ICRC existieren und man nach Anforderung einsehen kann, aber m.W. beziehen sich diese Protokolle auf die jeweiligen Camps im Allgemeinen.

    Diese Entwicklung der "Interrogation reports" hat von GB Seite ab Kriegsbeginn offentsichtlich eine "rasante Entwicklung" erfahren. Ich bin ein Laie, vielleicht ein eigenes Thema Wert im Forum mit dem Wissen von meinen Vorrednern und weiteren Spezialisten zu diesem Thema. Wäre schön.
    Via PN sende ich Dir einen mir vorliegenden CISDIC report.
    Hilft deiner Suche nach dem Tagebuch jetzt nicht weiter aber vielleicht interessant.

    Quellen: AI reports, CSDIC reports, S.D. Felkin, ICRC, Nigel Parker, u.w.

    Beste Grüße
    Manfred

  • Hallo,

    nach über einem Jahr kann ich diesen Thread wohl mit dem folgenden Ergebnis schließen.

    1. Es ist in der Tat so, dass in den frühen 1960 Jahren die Westallierten sämtliche Personalakten der Kriegsgefangenen an deutsche Stellen übergeben haben. Bei diesen Untgerlagen befinden sich keine persönlichen Gegenstände, Tagebücher etc. der Gefangegenen.
    2. Beim ICRC befinden sich auch Unterlagen zu den Gefangenen, aber nur insoweit sich diese aus Tätigkeiten des RK erwachsen sind, also Bercihte, Unrtersuchungen etc.. Persönliche Gegenstände eines Gefangenen: negativ.
    3. Bei Auflösung der Camps z.B. in GB und Kanada (bis 1947/48) zurückgebliebene Hinterlassenschaften der Gefangenen wurden mit den Einrichtungen entsorgt oder gerieten auf die eine oder andere Weise in private Hände oder auch in lokale Sammlungen und Museen.
    4. Dokumente und Unterlagen die bei der Gefangennahme oder kurz danach dem gefangenen Soldaten abgenommen wurden, wurden zunächst gesammelt und teilweise ausgewertet, meist aber nur an verstreuten Orten deponiert. Der Verbleib ist ungewiss, es wird davon ausgegangen, dass diese Unterlagen einfach irgendwann entsorgt wurden, was zufällige Funde von Restbeständen nicht ausschließt. Vieles geriet natürlich auch als Souvenier in private Hände und taucht regelmäßig in den einschlägigen WWW-Plattformen und Börsen auf.

    Das vorgenannte ist das Ergebnis von Internetrecherche, E-Mail-Korrespondenz mit zumeist privaten Interessierten und Kennern und einigen Telefonaten. Ich erhebe - vorsichtshalber - keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit. Außerdem beschränkte sich meine Recherche auf Kanada und Großbritannien als Gewahrsamsmächte.

    In Konsequenz habe ich es aufgegeben nach dem Verbleib des Tagebuchs meines Vaters weiter zu suchen.

    Beste Grüße

    Paul


    Für mich bedeutet es, dass ich mich damit abgefunden habe, jemals dieses Tagebuch meines Vater


    G-W-G'

    Edited once, last by Paul Spohn (January 14, 2014 at 10:12 AM).