Hiwis und Kriegsgefangene bei der Flak

  • Grüß Euch, Forumsmitglieder,

    ich bin neu hierin diesem Forum und möchte mich kurz vorstellen. Ich bin ein alter Knacker von 73 Jahren, habe rund 40 Jahre als Archivar in den Stadtarchiven Bonn und Köln gearbeitet, und zu meinen dienstlichen und privaten Forschungs- und Veröffentlichungsschwerpunkten gehörte die Militärgeschichte, eben auch die für den Zeitraum 1939-1945.

    Nun konkret zu meinen Fragen:

    Es gab ab Ende 1942 bei der Flak in der Reichsverteidigung sowohl russische Hilfswillige („Hiwis“) als auch russische bzw. ukrainische Kriegsgefangene (Ende 43 waren es nach einer Aufstellung des Chefs der Luftwehr 4500 Hiwis und 60 000 KG.

    Worin bestand der Unterschied? Auch die KG dürften sich doch freiwillig gemeldet haben.
    Waren die Hiwis KG, die besonders verpflichtet wurden? Sie trugen ja auch deutsche Uniformen, oder nicht?

    Wer forderte die KG an? Die Batterie, die Abteilung, die Untergruppe?

    Bekannt ist, dass die KG aus dem Stammlager (Stalag) über ein „Ergänzungslager (F)“ zur Truppe kamen. Was waren diese Ergänzungslager? Und wofür steht „F“ – für Flak? Für Fremdarbeiter?

    Gab es Verteilerschlüssel? Gab es Kriegsstärkenachweise?

    Ich habe bedauerlicherweise Null-Ahnung, und dabei habe ich mich jahrelang mit der Kölner Flak befasst, peinlich, peinlich.

    Daher herzlichen Dank im Voraus für die Hilfe,
    Euer
    Gebhard Aders

  • Hallo Herr Aders,

    herzlich willkommen hier im Forum =)

    Antworten auf Ihre Fragen kann ich Ihnen zwar leider keine liefern, aber ich freue mich, Sie mit ihrem geballten Fachwissen hier mit an Bord zu wissen.

    Gruß, Stefan

    "Es gibt nichts, was ein deutscher Offizier nicht kann!" (Oberst Manfred v. Holstein)

    Edited once, last by stefan_reuter (August 22, 2012 at 5:02 PM).

  • Hallo,

    leider kann ich auch nichts beitragen  :( aber das Thema interessiert mich ebenfalls. Wie war denn die rechtliche Stellung der HIWIs. Weiterhin Kriegsgefangene? Gab es eine "Verpflichtungszeit" o.ä.?

    Mfg

    Flo

    Edited once, last by Flo (August 22, 2012 at 7:19 PM).

  • Hallo, Gebhard,

    die sogenannten Hilfswilligen (Hiwis) waren und blieben Kriegsgefangene.
    Die Anordnung, Kgf in Hiwis umzuwandeln kam vom Oberkommando des Heeres.
    Es mag sein, dass sich einige dem freiwilligen Zwang unterwarfen.
    (Französische Kgf, die in die Zivilarbeit überführt wurden, blieben ebenfalls Kgf.)

    Einfach mal das Forum über die Suchfunktion "durchwühlen". Zu dieser Thematik findet sich einiges.

    Anliegend ein gerade gefundenes Dokument (Quelle: NARA T78 R432).

    Gruß von Margarete

    edit: https://www.forum-der-wehrmacht.de/thread.php?pos…8313#post198313

  • Hallo Herr Aders,

    als ich gestern Ihr Posting las, war ich überrascht. Seit mehr als dreißig Jahren kenne uind schätze ich Ihr Standardwerk " Geschichte der deutschen Nachtjagd 1917-1945".
    Auch die Bände zum JG. 51 "Mölders und der Rüther/Aders (Köln im 2.WK) sowie der Aders/Held (Stukas , Jagdflieger, Schlachtflieger) liegen mir vor.
    Deshalb meine Überraschung, daß ein so "ausgepichter" Fachmann Hilfe benötigt. :)
    Aber - Ein erster Blick in meine ohnehin spärlichen Flak-Unterlagen (da nicht eines meiner "Spezialgebiete") überzeugte mich von der Komplexität des Themas. ?(

    Dem Standardwerk zu den Flakhelfern von Hans Dietrich Nicolaisen "Gruppenfeuer und Salventakt: Schüler und Lehrlinge bei der Flak 1943 - 1945" ist selbst in zwei Bänden auf ca. 1.800 Seiten nichts Bahnbrechendes zum Thema Hiwi/Kgf. bei der Flak zu entnehmen. Im Horst-Albert Koch "Flak" ist dazu auch nicht viel "drin".
    Ich denke, daß das Thema noch umfassender ist: Flakwehrmänner, RADwJ-Personal, Hiwis, Kriegsgefangene als "freiwillige" Helfer, Kriegsgefangene an den Geschützen unter Bewachung, Ex-Soldaten aus früher verbündeten Staaten. :rolleyes:
    Ich werde weiter meine Augen offen halten.

    Viele Grüße
    Ingo

  • Danke, Margarete und Atlantis.

    Der von Margarete beigefügte Text deckt sich fast vollständig mit einem Merkblatt für die Behandlung russischer KG bei der Flak.

    Ich habe mich jahrelang mit der Kölner Flak befasst (vorwiegend die Luftwaffenhelfer betreffend), und habe dabei das Vorhanden russischer Hilfskräfte als Munitions- oder Ladekanoniere einfach zur Kenntnis genommen,. ohne dabei tiefer zu bohren.

    Wie Atlantis schrieb, ist das Thema noch komplexer: Das gab es die "Flaklegionäre" - unter den Verlusten im Raum Köln habe ich da Kroaten, Italiener, Niederländer, Letten - und über diese Männer ist mir so gut wie nichts bekannt.

    Beste Grüße
    G. Aders

  • Hallo zusammen,

    Quote

    Der von Margarete beigefügte Text deckt sich fast vollständig mit einem Merkblatt für die Behandlung russischer KG bei der Flak.

    das sollte auch so sein denn es handelt sich ja um eine Verfügung des OKW
    nach der die Teilstreitkräfte analog zu handeln hatten.

    Quote

    Gab es Verteilerschlüssel?

    Es gab, wie aus der Weisung des Eratz-Heeres zu sehen, Quoten die erfüllt
    werden mussten.

    Quote

    Gab es Kriegsstärkenachweise?

    Wenn eine späte KStN (nach 1943) der Flak auftauchen würden, müsste
    diese Quote darin berücksichtigt/vermerkt sein. (Damit die Buchhaltung
    stimmt)

    Quote

    unter den Verlusten im Raum Köln habe ich da Kroaten, Italiener, Niederländer, Letten

    Hier bin ich der Meinung das diese über den Umweg der (angeworbenen)
    Fremdarbeiter zur Flak kamen. Über eine direkte Anwerbung, im Heimatland,
    als "Flaklegionär" habe ich noch nie etwas gelesen. (Was natürlich nichts heißt ;) )

    Gruss Dieter

  • Hallo Miteinander !

    Hier eine Anmerkung von mir zu diesem Thema :

    Mein Vater wurde Mitte 1944 im Rahmen seiner Tätigkeit beim RAD
    abkommandiert zum "Luftverteidigungseinsatz im Heimatkriegsgebiet" (so steht es im Dienstausweis) in die Flakkaserne nach Hamburg - Rissen.
    Die Geschützbedienung in seiner Batterie bestand zu 90% aus russischen Kriegsgefangenen.
    Sie trugen keine Uniformen lediglich beim Einsatz am Geschütz einen Stahlhelm ohne Hoheitsabzeichen.
    Bei jedem bestätigten Abschuß erhielt die Mannschaft eine Sonderration (Schnaps, Zigaretten oder Verpflegung )

    Frdl. Gruß
    Dieter (W)

  • Hallo Karl !

    Leider kann ich meinen alten Herrn nicht mehr fragen, bin aber auch der Meinung, daß die Sonderration nur in sehr bescheidenen Maßen ausgegeben wurde.
    Er erzählte jedoch oft, daß es die Aufgabe der Batterie war eine bestimmte Maschine ( den sog. Leithammel ) abzuschießen. Keine Ahnung, was damit gemeint ist.

    Frdl. Gruß
    Dieter (W)

  • Hallo Dieter,

    Quote

    Er erzählte jedoch oft, daß es die Aufgabe der Batterie war eine bestimmte Maschine ( den sog. Leithammel ) abzuschießen. Keine Ahnung, was damit gemeint ist.

    es könnten damit z.b. die Pfadfinder gemeint sein !?

    Gruss Dieter

  • Augustdieter:
    Zu den Flaklegionären:

    Die Kroaten waren u.a. bei einer Batterie bei Hangelar (mal Hartmut Küper fragen),
    die Italiener bei der 1./741 bei Porz-Zündorf waren Soldaten der RSI,. dort auch ein gefallener Niederländer, der in der Kriegsgräerliste als "Flak-Legionär" bezeichnet wird.
    Lettische SS-Zöglinge waren Ende 1944 bei der leichten Flak am Fliegerhorst Ostheim.

    Mit dem "Leithammel" dürften die RAD-Männer wohl den formation leader der Combat box gemeint haben.

    Beste Grüße
    G. Aders

  • Hallo G. Aders,

    von einem Bekannten wurde ich auf das Buch:

    Mit 15 an die Kanonen” aufmerksam gemacht.

    Herausgegeber: Paul Emunds,
    erschienen im Selbstverlag der UIa des Kaiser-Karls-Gymnasiums
    Aachen 1975.
    Dort wird auf den Seiten von 127 bis 133 über die “Hiwis” berichtet.

    Gruß Karl

  • Danke Karl,

    das Büchlein kenne ich - nur hilft mir die Erinnerungsliteratur leider nicht weiter. Für die "Jungs" von damals waren die russischen KG und Hiwis ein und dasselbe, die kannten die Hintergründe nicht, und es interessierte sie auch nicht.

    Und jetzt stehen wir da vor dem Problem.

    Beste Grüße
    Euer
    G. Aders

  • Hallo G. Aders,

    wenn Du das Büchlein kennst, dann weißt Du, dass es eben so nicht war. Die Jungs setzten sich mit den HIWIS wohl auseinander. Einer half den Jungs sogar Mathematikaufgaben zu lösen.
    Auch hat man in der beschriebenen Erinnerungsliteratur darüber berichtet, dass man die HIWIS mit in die Bunker genommen hat. Zumindest in diesen Fällen.

    Ich gehe nicht davon aus, dass dies alles nur Unwahrheiten sind.

    ALLERDINGS, eine wissenschaftliche Quelle ist es nicht. Das steht fest.

    Gruß Karl

    Nachtrag: Avia.B schrieb in dem Beitrag Flakstellung (mit Foto) im letzten Absatz folgendes:

    Morjen,
    könnten italienische Flak-Legionäre der Republik von Salo (RSI) sein. Die besetzten Flakstellungen in Norden (ab 1943) von Italien, insbesondere in den Industriegebieten. Und dort ist es im Winter kalt und es fällt auch Schnee.
    Das Geschütz dürfte auch keine deutsche 8,8cm sein, geht mehr in Richtung
    Kanone 90/53 (9cm Flak 309 (i) ). Führungspersonal war i.d.'R. deutsch.
    h.

    Vielleicht kann er helfen?

    Gruß nochmals Karl

    Edited once, last by Karl Grohmann (August 25, 2012 at 1:21 PM).

  • Danke, Karl,

    das Problem ist, dass die damaligen LwH den Unterschied zwischen HiWi und Kriegsgefangenen nicht kannte oder nach Jahrzehznten nicht mehr kennen. Für fast alle der von mir befragten 300 ehemaliger Kölner LwH waren die Russen einfach Hiwis.
    Dabei gab es kaum echte Hilfswillige bei der Flak im Reichsgegbiet, das Verhältnis der Hiwis zu KG betrug 1943 1:20!

    Übrigens waren HiWis nicht zwangsläufig Kriegsgefangene! Es konnten auch ehemalige, aber entlassene KG sein! Es dürfte wenig bekannt sein, dass die Wehrmacht zwischen 1941 und 1944 über eine halbe Million sowjetische KG freigelassen hat.

    Beste Grüße
    Gebhard Aders

  • Hallo Gebhard,

    die Entlassung von russischen Kgf. ist mir völlig neu. Das ist ja interessant.

    Da Du schon 300 ehemalige Kölner LwH befragt hast, denke ich die Beantwortung Deiner Frage wird eine harte Nuß.

    Gruß Karl

  • Hallo zusammen,

    ich schiebe mich mal in die Diskussion ein. Bei der Luftwaffe dienten auch viele Ukrainer, die keinesfalls Kriegsgefangene waren, sondern sich feiwillig gemeldet hatten, um gegen den Kommunismus zu kämpfen.
    Im Juli 1944 gehörten 7700 Ukrainer den Flakhelfern an. Am Kriegsende waren die Ukrainer an 272 deutschen Flak-Batterien vertreten. Im Frühjahr 1945 zählte das ukrainische Personal der Luftwaffe (hauptsächlich Flak-Einheiten) 10 Tausend Mann (darunter 1200 Frauen).
    Verluste nach dem Stand vom 14. April 1945 betrugen 12 Mann (darunter 2 Mädels).
    Eine unbekannte Anzahl von Ukrainern wurde zu den Panzerjägern versetzt und kämpfte in Berlin.

    Auf dieser Seite (leider nicht auf Deutsch) findet man einige Fotos von ukrainischen Fliegern und Flakangehörigen)

    http://reibert.info/forum/showthread.php?t=42666

    Beste Grüße

    Holzauge

    Edited once, last by Holzauge (September 8, 2012 at 6:38 PM).

  • Quote

    Original von Karl Grohmann
    die Entlassung von russischen Kgf. ist mir völlig neu. Das ist ja interessant.l

    Hallo, Karl, (u.a.a.)

    möchte Dein Interesse noch etwas "nähren". Anliegend aus dem KTB
    - der 213. Sich.Div. - 31.1.42 - "... ehemalige Angehörige der roten Armee müssen sich im Besitz eines gültigen Entlassungsscheines befinden ...."
    (NARA T315 R1633)

    und

    - ein Entlassungsschein vom 20.9.42 aus dem Stalag 363.
    (NARA T501 R348)


    Gebhard, die Dokumente haben nicht wirklich mit Deiner Ausgangsfrage zu tun, ich hoffe, es ist trotzdem i.O.?

    Herzlichen Gruß - Margarete