Hallo Forum,
nachdem ich hier im Forum in verschiedenen Threads (Kessel von Brody, Brückenkopf Schwedt und 27. SS-Frew.Gren.Div.Langemark...) geschrieben habe, möchte ich hiermit einen Thread zu einem Thema eröffnen, das mich besonders interessiert: die Kämpfe in Vorpommern im April 1945.
Hier interessieren mich besonders die Einsätze der Sturmgeschütz Brigade 210 und der mit ihr zusammen eingesetzten Infanfterieverbände ( 1. Marine Division, SS-Kampfgruppe Müller, etc.).
Mein Ziel ist letztendlich, den Verbleib von einigen gefallenen Soldaten der Brigade 210 zu ermitteln.
Zur Einstimmung auf das Thema noch einmal als Vorgeschichte eine Zusammenfassung meiner Beiträge aus andere Threads:
Die Sturmgeschütz Brigade 322 war am 4.12.1943 in Azay-le-Rideau (Truppenübungsplatz Comte de Richard) bei Tour an der Loire in Frankreich aufgestellt worden.
Im Februar 1944 verlegte die Brigade auf den Truppenübungsplatz Altengrabow bei Burg, übernahm dort die Fahrzeuge und wurde daran weiter ausgebildt.
Am 12.3.1944 verlegte die Brigade in den Raum Lemberg-Zlotzow, lud dort aus und fuhr in den Raum Brody, wo sie dem XIII Armee-Korps unterstellt war. Hier fanden Mitte-Ende März heftige Kämpfe statt, während der Teile der Brigade mit Teilen der 361. I.D. in Brody eingeschlossen wurden. Am 28.3. erfolgte der Ausbruch aus diesem 1. Kessel von Brody mit dem letzten einsatzbereiten Geschütz der 3./322.
Anschließend wurde die Brigade zum XXXXII. Armee-Korps in den Raum ostwärts Wladimi-Wolynsk (Richtung Luzk) verlegt. Dort waren zunächst einige Wochen relativer Ruhe.
Die Aufteilung war wie folgt: 1. Bttr. bei der 291. I.D.,
2. Bttr. bei der 88. I.D.,
3. Bttr. bei der 214. I.D..
Es wurden auch "Übungen" mit der 28. Jägerdivision gefahren (siehe Major Joachim Kuhn, General Heistermann-von Ziehlberg, 20.Juni).
Am 12./13.7.44 begann der Angriff der Roten Armee während der der Kommandeur der Brigade 322, Hauptmann Joachim Zielke, am 14.7. im Bereich der 291. I.D. fiel.
Neuer Kommandeur der Brigade 322 wurde Major Gerhard Behnke. Der Rückzug über den Bug Richtung Westen muß wohl über den Raum Hrubieschow(?) erfolgt sein.
Bei Annopol wurde zwischen dem 23. und 27.7. die Weichsel auf einer Pontonbrücke überquert. Anschließend wurde die Brigade dann im Raum SW Sandomierz eingesetzt. Auf Befehl des OKH setzen die Wehrmachtsverbände über die Weichsel zurück, da die Rote Armee nicht mehr zu halten war und der Brückenkopf von Baranow auf dem Westufer der Weichsel entsteht.
Major Behnke war ein ausgezeichneter Panzerführer und forderte von seiner Brigade härtesten Einsatz. Er führte seine Panzer im Raum Baranow, Opatow, Ozarow oft vom nicht geschützten PKW oder gar zu Fuß.
Der Brigade Gefechtsstand war vom August 1944 bis zum Januar 1945 in Ostrowiec.
Für die Einsätze der Kampfgruppe Behnke (322 plus weitere Verbände) vom 8.8.-17.8.1944 erhielt Major Behnke das Eichenlaub zum Ritterkreuz.
Ich zitiere aus den Unterlagen zum Vorschlag für das Eichenlaub, die von der Brigade 322 selbst bzw. vom XXXXII. A.K. stammen:
Major Behnke (Sturmgeschütz-Brigade 322) hat in den Kämpfen in der Zeit vom 8.8.-17.8.1944 durch Fesselung und Zerschlagung starker feindlicher Panzerkräfte die Durchführung des operativen Zieles des Gegners:
- Durchbruch nach Ozarow-Annopol und die Einkesselung der Masse des XXXXII. A.K. und LVI. Pz.Korps - verhindert .
Aus eigenem Entschluß fing er am 8.8.44 die Absetzbewegungen der Infanterie im Raum Malice - Gierczyce auf und griff mit 2 Sturmgeschützen der 3. Bttr. und den aufgefangenen Infanteristen den mit Panzerkräften nach Norden durchgebrochenen Feind an, schoß 5 T34 ab und zerschlug den feindlichen Angriff südlich der Rollbahn Opatow-Ozarow. Mit den zur Verfügung stehenden Kräften baute er einen Abwehrfront auf und hielt die Stellungen bis zur Zuführung weiterer Geschütze.
In den folgenden Einsatztagen führte Major Behnke mit seiner schwachen Kampfgruppe immer wieder Gegenangriffe und fügte hierbei dem Feind unter Abschuß zahlreicher Panzer und Vernichtung sonstiger schwerer Waffen hohe Menschenverluste zu.
Als der Feind nach den Angriffserfolgen der Gruppe Behnke, die zur Einnahme der Orte Nikisialka Duza, Nikisialka Mala, Kol. Lopata, Sadlowice, ADAMOW und Studzianki führten, Verstärkungen heranzog, gelang es ihm trotzdem nicht den gewünschten Durchbruch zu erzielen. Vor Stodoly schlug Major Behnke durch geschickten Einsatz der wenigen verfügbaren schweren Waffen und durch rücksichtslosen Einsatz seiner Person alle in mehreren Treffen gefahrenen Panzerangriffe ab und vernichtete am 16.8.44 bei 2 eigenen Totalverlusten 44 Panzer T34. Im Gegenstoß wurde die russische Begleit-Infanterie auf die Ausgangsstellungen zurückgewarfen.
Als dem Russen bei Hultajka ein Einbruch gelungen war, griff Major Behnke mit 1 noch einsatzbereiten Geschütz den Ort an, schoß 6 T34 ab, nahm Hutalka und behauptete es gegen alle Gegenangriffe.
Die Kampfgruppe Behnke hat in der Zeit vom 8.8.-17.8.44 vernichtet:
92 Panzer
56 s.PAK
9 J.G.
12 LKW
9 s.Gr.W.
4 Protzen
23 s.M.G.
Demgegenüber stehen an eigenen Verlusten 3 Sturmgeschütze.
An den übrigen Geschützen nur leichte Treffer.
F.d.R.d.A.
gez. Althoff
Leutnant und Adjutant
gez.: Recknagel
General der Infanterie
Anschließend wurde Major Behnke versetzt und Hauptmann Baurmann kam als neuer Kommandeur. Die Brigade 322 blieb im Raum Ostrowiec Baranow liegen bis zum 12. Januar 1945.
Mit Beginn des russischen Großangriffs am 12.1.45 wurde die Brigade zum XXIV. Pz.Korps (Gen. Nehring), zur 20. P.D. versetzt. Sie machte dort den Rückzug im "Wandernden Kessel von Kielce" mit, überquerte mit ihm die Pilica und kämpfte sich mit General Nehring über Petrikau, Shiraz, Kalisch und Lissa bis nach Glogau an der Oder.
Bei Ostrowiec am Brückenkopf von Baranow hatte die Brigade ca. 550 Mann, ca. 100 erreichten Glogau.
Im Ehrenblatt zum einjährigen bestehen der Brigade werden an 44 Kampftagen u.a. folgende Abschüsse angegeben:
201 Panzer, 226 Pak, 1 Pak auf SfL, 2 J.G., 7 J.G., 1 Flak, 10 leichte Geschütze, 2 Salvengeschütze, 35 Granatwerfer,61 s.M.G., 70 le. M.G.,34 Panzerbüchsen, 23 LKW, 1 Pz.Spähwagen u.a.m..
Die Brigade erreichte ca. am 30.1.45 das rettende Glogau mit der neuen Abwehrfront.
Am 31.1.1945 um 23.50 Uhr erreichte die Brigade der Auflösungsbefehl. Noch in der gleichen Nacht fuhr der Stab zum Gefechtsstand der ebenso dezimierten Sturmgeschütz Brigade 201.
Deren Kommanduer, Major Langel, stellt dort aus den Resten der aufgeriebenen Brigaden 201, 210 und 322 die neue Brigade 210 auf.
Per Bahntransport ging es von Sprottau nach Angermünde in die Ueckermark.
Major Langel meldet am 6.2.1945 die Einsatzbereitschaft der Brigade.
Vom 7.2. bis zum 28.2 kämpft die Brigade im Brückenkopf Schwedt zusammen mit SS Einheiten unter Otto Skorzeny.
Die 1.Batterie deckt den Rückzug bei der Aufgabe des Brückenkopfes in der Nacht vom 28.2. zum 1.3.
Ab dem 5.3. bis zum 17.3. ist die Brigade 210 der 1. Marine Division auf dem Brückenkopf Stettin-Altdamm zugewiesen und kämpft im Raum Brünken, Klebow, Wintersfelde, Ferdinadstein, Retzowsfelde und Untermühle.
Zwischen Brüncken und Klebow findet man auf einer Anhöhe die Fundamentreste des Vorwerkes Duisbruch. Hier wehrte mein Vater, Lt. Heinrich Köhler, mit einigen Geschützen der 3. Batterie und Begleitinfanterie der 1. Marine Division am 16.3.1945 3 russische Panzerangriffe ab. Von 18 angreifenden Panzer werden 15 vernichtet. Nachmittags kam der Chef. der 3.Bttr. , Hptm Vincon zu seinem Zug. Ein Artilleriegeschoß detonierte in seiner Nähe in einem Apfelbaum, er starb am nächsten Tag , vermutlich auf dem HVP (in Ladentin???).
Die Räumung des Brückenkopfes wird beschlossen und mein Vater fährt in den frühen Morgenstunden des 17.3.1945 mit 6 Geschützen Nachhut. Nachdem er die Autobahnbrücke überquert hatte wurde sie hinter ihm gesprengt.
In der Brigadegeschichte von Günther Lindenberg wird beschrieben, dass 2 Sturmgeschützbesatzungen, die auf der Insel zwischen den Oderarmen standen, die vorbeifahrenden Sturmgeschütze der Nachhut verschlafen haben. Diese wurden hinterher mit Pionierfähren ans Westufer geholt.
Nach einigen Tagen der Ruhe im Raum Müncheberg, wurde die Brigade 210 mit der Kampfgruppe Müller bei den Kämpfen entlang der Autobahn bei Kolbitzow eingesetzt. Am 23.4. wird der letzte Kommandeur von 210 bei Kolbitzow durch Halsschuss schwer verwundet. Er wird vom Sturmgeschütz heruntergereicht zur Infanterie. Ihm konnte unter den Umständen wohl kaum geholfen werden und er ist vermutlich dort gestorben.
Es folgten Gefechte bei Penkun und Schmölln, zu deren Verlauf ich nichts sagen kann.
Am 26.4. verteidigte die 3. Batterie am ostwärtigen Stadtrand von Prenzlau mit 2 oder 3 Geschützen entlang der Strasse nach Grünow, wohl mit Einheiten von Wallonie, Nederland und Fallschirmjägerregiment 600.
Hier wurde das Geschütz meines Vaters durch Fliegerbeschuß abgeschossen. Der Panzerfahrer Werner Bormann starb durch eine schwere Kopfverletzung.
Abends mußte mein Vater sich auf Befehl des SS Führers (Prager??) unter die Eisenbahnbrücke am Stadtrand stellen. Hier wurden sie erneut von einem T 34 abgeschossen. Wieder gab es Tote im Geschütz. Der Name eines Gefallenen war Hackbarth.
Abends am 27.4. war Teile der Brigade 210 in Amalienhof. Dann begann die "beschleunigte Absetzbewegung" über Woldegk, Neubrandenburg, Waren nach Crivitz. Hier wurden die letzten Geschütze gesprengt.
Danach gingen die Soldaten der Brigade 210, wie Tausende andere Soldaten der Heeresgruppe Weichsel, die es bis hierher geschafft hatten in amerikanische (oder englische?) Gefangenschaft.
Es war eine unüberschaubar lange Schlange deutscher Soldaten auf der Straße, die alle zu den Amerikanern (Engländern?) wollten.
Keiner wollte in russische Gefangenschaft.
Der ehemalige Ordonanzoffizier der Brigade 322 und 210, erzählte mir, daß er seinen Fahrer mit seinem Kübelwagen in der Schlange stehen gelassen hatte, um nach vorn zu gehen und die Lage zu erkunden. Als er zu ihm zurückkommen wollte, war dieser mitsamt der persönlichen Habe des Ofiziers verschwunden. Aus welchen Gründen auch immer. Schlimmer als der Verlust seiner persönlichen Dinge bedauerte der Ordonanzoffizier jedoch den Verlust der Kriegstagebücher der Sturmgeschütz Brigaden 322 und 210. Ob der Fahrer zurückgefahren ist in Richtung der Russen, einen anderen Weg zu den Amerikaner genommen hat oder sich dort in der Gegend irgendwo verdrückt hat um weder bei den Russen noch bei den Amerikaner in Gefangenschaft gehen zu müssen kann man nicht mehr sagen. Er ist nie wieder aufgetaucht, auch bei den späteren Traditionstreffen der Sturmartillerie nicht.
Auf dem Flugplatz von Hagenow war ein großes Gefangenenlager der Amerikaner(Engländer?). Die deutschen Soldaten wurden per Bahn in Gefangenenlager der Engländer bei Eutin in Schleswig-Holstein verlegt.
Dort wurden Sie recht ordentlich behandelt und waren in ihren alten Einheiten geschlossen untergebracht. Es gab Morgenapelle wie auf dem Kasernenhof. Es geht ja das Gerücht der sogenannten Churchillarmee um, das besagt, daß die Engländer die deutschen Soldaten wiederbewaffnen wollten, wenn die Rote Armee nicht gestoppt hätte an der Elbe!
Soweit zur Rahmenhandlung:
Zunächst möchte ich noch einmal die Frage aufgreifen nach dem möglichen Verbleib der Gefallenen Soldaten von 210.
Ich fürchte zwar, daß es durch das Durcheinander an diesen Kampftagen schwierig sein wird jemanden zu finden, aber vielleicht gibt es ja doch neue Erkenntnisse.
Als erstes suche ich nach dem Verbleib des Panzerfahrers Werner Bormann, geb. ca. 1922/23. Er fiel am Morgen des 26.4.1945 ostwärts Prenzlau. Die Stellungen der 2 oder 3 Sturmgeschütze der 3. Batterie waren wohl etwa bei dem Hohlweg, durch den die Straße führt, ca. 1 km von der Kreuzung der Bundesstrasse mit der Strasse nach Grünow entfernt.
Das Geschoß des russischen Kampffliegers durchschlug die Panzerplatte über dem Fahrer und drang in dessen Kopf ein. Er war sofort tot.
Da mein Vater in ein anderes Geschütz umgestiegen war und der Richtschütze und Ladeschütze das Sturmgeschütz zur Werkstatt gefahren haben, muß Bormann wohl aus dem Geschütz herausgebracht worden sein, denn auch der Richtschütze kann nichts über den Verbleib des Leichnahms berichten.
Vielleicht ist er an Ort und Stelle begraben. Entweder, wenn noch Zeit war, von anwesenden deutschen Soldaten, oder einige Tage später von der Zivilbevölkerung.
Viele Grüße!
Stuart