8,8 Flak 18/36/37 als Artillerie?

  • Hallo,

    habe gerade noch etwas Interessantes zum Thema Flak als bessere Feldartillerie gefunden.
    Das Buch stammt von Rolf Zick, einem ehemaligen Batteriechef der schweren Flak bei der Luftwaffe (10,5cm- und 8,8cm-Batterie). Er war erst in der Heimat-Luftverteidigung, später dann noch im Ostfront-Einsatz.

    Quote

    "Hier bekamen wir zum ersten Male Berührung mit der sowjetischen Luftflotte. Meistens waren es gepanzerte Schlachtflugzeuge vom Typ IL 2.
    Sie griffen unsere Stellungen mit Bordkanonen und Splitterbomben an. Dazu kamen auch die sowjetischen MIG-Jäger und Aufklärungsflugzeuge. Und jede Nacht ratterten die alten RATA-Flugzeuge,
    wegen ihrer Geräusche auch "Nähmaschinen" genannt, über die Stellungen hinweg, um, wie die Landser meinten, ihre Bomben mit der Kohlenschaufel über Bord zu werfen.

    Unsere schweren 10,5cm-Geschütze, die sonst Bombenflugzeuge aus etwa 6000 Meter Höhe herunterholten, waren gegen diese sowjetischen Fliegerangriffe nur sehr bedingt geeignet. Da mußten dann unsere leichten Batterien mit ihren 3,7- oder 2-cm-Kanonen heran.

    Dagegen waren unsere schweren Geschütze hinsichtlich ihrer Treffsicherheit im Erdkampf von keiner Artilleriekanone zu schlagen, besonders nicht gegen feste Ziele, aber auch nicht gegen Panzer auf große Entfernungen oder gegen Truppenbewegungen. Dagegen gab es Granaten mit hochgezogenen Sprengköpfen.

    Es gab in der deutschen Wehrmacht keine anderen Geschütze, die so präzise schossen, wie unsere schweren Flak-Geschütze vom Kaliber 8,8 und 10,5."

    Quelle:
    Rolf Zick, Ich war dabei - und habe überlebt. Erlebnisse, Gedanken, Erinnerungen an zehn Jahre Krieg und Gefangenschaft von April 1939 bis April 1949. Schicksalsjahre meines Lebens,
    Eigenverlag (4. Auflage) 1999, S. 120.

    Leider hat Herr Zick nicht erwähnt, wie entscheidend der Entfernungsmesser der Flak war. Jeder Geschützführer benutzte ihn, um die genauen Messwerte bis zum Ziel anzusagen. Bei einer Flucht aus der Stellung musste der Entfernungsmesser unbedingt mitgenommen werden. Das war Befehl von oben.

    Quote

    Original von Marc_Webber
    Wenn mit einer FlaK ein Bodenziel, wie z.B. Panzer bekämpft wird, wird die Waffe, weil ihr die Verankerung fehlte also nach dem Schuss zurückweichen. Es musste also vor dem Schuss eine feste Verankerung der Waffe mit dem Boden hergestellt werden, damit die Horizontalkomponente des Rückstoßes abgefangen werden konnte. Ich bezweifele, dass die Lagerung des Azimutwinkels, also des Drehkranzes für derart hohe Horizontalkräfte auf Dauer ausgelegt war.


    Das spielte keine Rolle, denn der Geschützsockel stand meist sehr stabil auf dem Boden. Den Flakkanonieren war dagegen bekannt, dass das Feuern vom Fahrgestell aus (natürlich gegen Erdziele) letzterem schwer schaden konnte. Das wurde darum nur im Notfall gemacht, z.B. bei Rückzugs- oder Angriffsgefechten. Daher kommt wohl die Bezeichnung "Sturmflak".

    Nach meinen Informationen hat die schwere deutsche Flak an der Ostfront spätestens seit Mitte 1944 fast nur noch auf Erdziele gefeuert. Grund war wohl der allgemeine Munitionsmangel. Auch die deutsche Heeres-Artillerie konnte ja nicht mehr ausreichend Granaten vorhalten.

    Gruß,
    Bodo

    „Was wir im deutschen Widerstand während des Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: Daß der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde.“ (Eugen Gerstenmaier)

  • Hallo,

    wenn die 8, 8 nicht auf einem festen Betonsockel oder sonstigem festen Untergrund stand und ggf. fest verankert war, wurden an jedem Ende der 4 Holme der Spreizlafette zur Verankerung sog. große Erdsporne eingeschlagen; natürlich ging das nicht wenn vom, Fahrgestell aus geschossen wurde.
    Außerdem waren dort auch an einer Spindel befestigte Teller als Bodenstützen angebracht.

    Gruß Karl

  • Quote

    Original von Bodo Franks
    Leider hat Herr Zick nicht erwähnt, wie entscheidend der Entfernungsmesser der Flak war. Jeder Geschützführer benutzte ihn, um die genauen Messwerte bis zum Ziel anzusagen. Bei einer Flucht aus der Stellung musste der Entfernungsmesser unbedingt mitgenommen werden. Das war Befehl von oben.


    ja, damit war Feuerleitsystem der schweren Flak der Ausstatung der der Kampfpanzer aber auch gezogener Panzerabwehrgeschütze um Jahrzehnte vorraus

  • Vielleicht mag Kosmos mir dann erklären was eine Pakgeschütze im Kaliber bis 7,5 L 48 mit Entfernungsmeßgeräten sollen. Auf die Entfernung war die Geschoßflugbahn horizontal genug das du fast nur den Vorhalt in die Zielvorgaben integrieren mußt.

    Erst rasante kaliberstarke Geschütze benötigen auf größere Entfernungen genauere Angaben.

  • Hallo,
    wenn "Kosmos" weiterhin unsere gewünschten Grussformeln ignoriert braucht er dir gar nicht zu antworten weil ich das sowieso lösche. =)


    Grüße Thomas

  • Guten Morgen.

    Die leichte Flak (2 cm und 3,7 cm) hatte einen Entfernungsmesser mit 1 m Basis (Em 1 m R oder R 36).
    Die s. Flak (8,8 cm und 10,5 cm) hatte einen Entfernungsmesser mit 4 m Basis (Em 4 m R).

    Bei der 7,5 cm Pak oder der 8,8 cm Pak häte ein Entfernungsmesser auf große Entfernung z.b. 1000 m die ersttreffferwarscheinlichkeit sicher erhöt.

    Grüße Ralf

    Edited once, last by SanUO (August 31, 2012 at 6:53 AM).

  • . . . kann es vielleicht sein, dass der Einsatz von E-Messern bei den Fla-Waffen weniger mit dem Ausgleich der (doch sehr gestreckten) Flugbahnen als vielmehr mit der Tempierung der Zünder zu tun hatte ?

    Gruß
    Rudolf (KINZINGER)

    P.S. Im übrigen meinte ich, dass die Ausgangsfrage sich nicht um den Erdeinsatz der Fla-Waffen (z.B. in der Pz-Abwehr) drehte, denn der steht außer Frage, sondern um den artilleristischen Einsatz im Sinne des Schießens im indirekten Richten !?!

  • Hola
    dr.rudolf

    Ein guter Einwand.

    Ralf
    Nichts anderes hatte ich angemerkt.
    Kosmos spricht von Jahrzehnten welche die Flakart "voraus" war. Für Pak im Kaliber bis 7,5/48 brauchts keine Entfernungsmesser da die Kampfreichweite kaum an die 1000 m heranreicht.

  • Hallo

    @Dr. Rudolf
    Bei der schweren Flak mag das Tempieren der Granaten zutereffen aber bei der leichten FlaK ging es um den Vorhalt beim Visieren.

    Grüße Ralf

  • Guten Morgen,

    ich schieb noch mal was nach.

    Der erste Optische Entfernungsmesse in einem Panzer wurde ab 1952 in den Panzer M47 Eingebaut. Nämlich der Raumbildentfernungsmesser M 12 (Messbasis 1,52 m) für seine 90 mm Kanone.

    Nun noch eine Frage an die ehemaligen NVA Soldaten. Es gab ja früher Pak-Fronten ware die mit E-Messer ausgestattet?

    Grüße
    Ralf

  • Die schweren Flakgeschütze mit den Kalibern 8,8 cm, 10,5 und 12,8 cm (außerdem die Beutegeschütze) konnten grundsätzlich auch im indirekten Beschuß eingesetzt werden - und sie wurden auch so eingesetzt, z. B. 1945 an der Rheinfront und an der Oder. Nur konnten die Schusswerte nicxht mit den Kommandogeräten ermittelt werden, sonder anhand von Tabellen.#


    Beste Grüße
    G. Aders

  • Quote

    Original von Aders
    Die schweren Flakgeschütze mit den Kalibern 8,8 cm, 10,5 und 12,8 cm (außerdem die Beutegeschütze) konnten grundsätzlich auch im indirekten Beschuß eingesetzt werden - und sie wurden auch so eingesetzt, z. B. 1945 an der Rheinfront und an der Oder. Nur konnten die Schusswerte nicxht mit den Kommandogeräten ermittelt werden, sonder anhand von Tabellen. . .

    Hallo G.Aders,

    Deine Aussage ist zwar richtig, aber wenn Du den Thread verfolgt hast, wirst Du erkennen, dass wir so weit schon einmal ganz zu Beginn waren:
    z.B. https://www.forum-der-wehrmacht.de/thread.php?pos…4375#post294375

    Irgendwann "drehen wir uns nur noch im Kreis" !?! 8o

    Gruß
    Rudolf (KINZINGER)

  • Hallo,

    Papa ( hast meinen Dank) hat in einem Beitrag folgendes eingestellt:
    "Erfahrungen eines Truppenoffiziers im Ostfeldzug 1943/44".

    Dieser Bericht untermauert nahezu klassisch meine bisherigen Beiträge aus berufenem Munde: :D

    Hier ein Auszug aus dem sog. "Rhoden Report" :
    Dort steht unter "Ziff. 5 Einsatz in frontnahen Raum und Zusammenarbeit mit dem Heer:

    Der Mangel an Artillerie, besonders auch zeitweise an Munition, hat dazu geführt,
    Dass Flakartillerie häufig als Erdartillerie Verwendung gefunden hat.
    In letzter Zeit ist das Schießen auf Erdziele teilweise verboten oder mit der Einschränkung freigegeben worden, dass ein erdartilleristisches Schießen wegen der enormen Rohrbeanspruchung nur in Krisenlagen gerechtfertigt ist
    Die Genehmigung hierzu ist von den vorgesetzten Dienststellen ( Regiment/Flakdivision) vorher einzuholen.

    ........EIN EINGREIFEN DER FLAKARTILLERIE IN DEN ERDARTILLERIESTISCHEN KAMPF WIRD IMMER EINE AUSNAHME BLEIBEN.

    Der Hauptgegner für die Flakartillerie bleibt der Gegner in der Luft !"

    Es steht auch dort unter Ziff. b.:
    " Die Flakartillerie wird meist nur in Krisenlagen Flakkampftruppenstellungen beziehen."

    Dass der Einsatz, besonders der 8,8 wie hier in den Beiträgen angesprochen, erfolgreich war und häufig erfolgt ist, bleibt hiervon unberührt. ;)

    Gruß Karl

  • Quote

    Original von Karl Grohmann
    . . . Der Mangel an Artillerie, besonders auch zeitweise an Munition, hat dazu geführt,
    Dass Flakartillerie häufig als Erdartillerie Verwendung gefunden hat.
    In letzter Zeit ist das Schießen auf Erdziele teilweise verboten oder mit der Einschränkung freigegeben worden, dass ein erdartilleristisches Schießen wegen der enormen Rohrbeanspruchung nur in Krisenlagen gerechtfertigt ist
    Die Genehmigung hierzu ist von den vorgesetzten Dienststellen ( Regiment/Flakdivision) vorher einzuholen.

    ........EIN EINGREIFEN DER FLAKARTILLERIE IN DEN ERDARTILLERIESTISCHEN KAMPF WIRD IMMER EINE AUSNAHME BLEIBEN. . . .

    Hallo Karl,

    damit ist zu diesem Thema wohl alles (erschöpfend) geklärt !

    Bleibt vielleicht noch anzumerken, dass je näher man dem Kriegsende kam, die höhere Rohrbelastung und das Einholen einer Genehmigung "kein Thema mehr war". So waren im Endkampf um BERLIN die Flak-Batterien auf den Flak-Türmen (ZOO, HUMBOLDTHAIN, FRIEDRICHSHAIN) so gut wie ausschließlich artilleristisch eingesetzt wurden. Und wer weiß, ob die eine Ausnahmegenehmigung hatten ?

    Gruß
    Rudolf (KINZINGER)

  • hallo,

    ich besitze seit einigem Zeit einen Buch genau zu diesem Thema, Einsatz von 8,8 gegen die Erdziele. Das Buch heißt Die Geschütze der schweren Flak von Werner Müller. Dörfler Zeitgeschichte. Das Buch habe ich als PDF Datei auf meinem Rechner. Interessierenden schickte ich das Buch per Mail. Ich hoffe das geht gegen keinen dt. Gesetz.

    Gruss,
    wilhelm

  • Hallo Leute,

    von mir nur ein kurzer, ergänzender Gedanken. Der Einsatz eines Geschützes im direkten Schuss ist immer erfolgsversprechender als das indirekte Anrichten. Gerade die 8,8 hatte aber herausragende Fähigkeiten im direkten Schuss und war bei dieser Verwendung, sofern man diese dann auch als Arilleristisch definierte, sehr erfolgreich. Im indirekten Richten hatten leichte Artilleriekaliber (und dazu zähle ich mal die 8,8 in dieser Kategorie) einen erheblichen Nachteil - man konnte, selbst bei guter Beobachtungslage, den Einschlag der Granate auf große Entfernungen einfach nicht mehr erkennen - und folglich auch keine entsprechende Zielkorrekturen einleiten.

    Also artilleristischer Einsatz auf mittlere Entfernungen oder direkte Ziele bei guter Sicht vertretbar oder in Krisensituationen sinnvoll. Einsatz für Störfeuer, Punktfeuer auf weit entfernte Ziele oder Sperrfeuer nicht Potenzialensprechend.

    Gruß