Kabinendachabsprengung bei Fw 190 A-8

  • Hallo zusammen,

    hab mal eine Frage zu einer Passage in Willi Reschke´s Buch "Chronik Jagdgeschwader 301 / 302".

    Dort schildert er auf Seite 179, wie er aufgrund seiner Neugier von einer waidwunden B-17 Flying Fortress durch Bordschützenbeschuß zum Aussteigen aus seiner Maschine gezwungen wurde.

    Quote

    "Es gab nur noch eine Lösung: so schnell wie möglich raus aus meiner Maschine ! Anschnallgurte lösen, Sauerstoffmaske ab, Brechkontakt (vermutlich war hier Sprechkontakt gemeint) der Netzkopfhaube lösen, Kabinendach absprengen, gegen den Steuerknüppel treten - und raus !"

    Bei diesem Einsatz flog Willi Reschke eine Fw 190 A-8.
    Ich wußte garnicht, dass man das Kabinendach bei regulären Jagdflugzeugen absprengen konnte.
    Bislang war ich immer der Meinung gewesen, dass das nur bei Maschinen mit Katapultsitz-Ausstattung so der Fall war.

    Kann mir jemand verraten, bei welchen Jagdflugzeugen der damaligen Zeit das noch so der Fall war ?
    Wie funktionierte diese Sprengvorrichtung in der Handhabung und wieviel Sprengstoff waren dazu an der Kanzel verbaut ?

    Würde mich wie immer sehr freuen, wenn mir jemand darauf eine Antwort liefern könnte.

    Rheinmetall

    "Die Sehnsucht nach der Heimat wächst mit dem Quadrat der Entfernung."
    (In Memorie of Jürgen Oesten † 05.08.2010)

  • Hallo Rheinmetall,

    Quote

    Original von Rheinmetall

    Er meint zwar ganz sicher das Kabel zum FuG, aber das Ding hieß wirklich Brechkontakt bzw. heute Brechkupplung. Der Name kommt daher, daß man zwei Teile dieser Verbindung regulär zusammensteckt, zum Lösen aber beide Teile einer Bewegung aussetzt, als würde man ein Stöckchen zerbrechen. Zum Auseinanderziehen bräuchte man erheblich größere Kräfte aus zum "brechen". Das ist eine sichere, aber sehr schnell lösbare Steckverbindung.


    Gruß,
    1241

  • Hallo!

    Ein insbesondere für die Piloten gravierendes Problem bestand in der Tatsache, dass sich das Kabinendach der Fw 190 oberhalb von 250 Km/h mit zunehmendem Druck auf den Rumpf presste uns somit nicht mehr manuell öffnen ließ. Dieses Manko wurde schließlich durch kleine Sprengladungen beseitigt, die eine sichere Trennung des Kabinendaches vom Flugzeug auch bei hohen Geschwindigkeiten sicherstellten.
    Wie diese im Detail und wo wirkten, kann ich leider nicht genau erklären. Vermutlich waren sie in der Führung integriert.

    beste Grüße

    Christian

  • Guten Morgen Ihr beiden !

    Vielen Dank für Eure sehr aufschlußreichen Antworten.
    Jetzt wird mir einiges klar. :)

    Rheinmetall

    "Die Sehnsucht nach der Heimat wächst mit dem Quadrat der Entfernung."
    (In Memorie of Jürgen Oesten † 05.08.2010)

  • Hallo Rheinmetall,
    falls es bei der Vorstellung der Funktion hilft, könnte ich Dir beschreiben, wie das bei Nachkriegstechnik gemacht wurde.

    Gruß,
    1241

  • Morjen,
    für den Absprengvorgang wird im entsprechenden Gestänge eine Treibpatrone im Kaliber 4 (ähneln den Anschusspatronen für Zementöfen) mittels eines Schlagbolzens gezündet. Der dadurch entstehende Druck bewirkt dann (grob gesagt) das Absprengen des Daches. In der Ersatzteilliste ist das komplette Teil abgebildet.
    Treibpatronen wurden auch bei den Cable-Cuttern der RAF benutzt, hier im Kaliber 12 ga.

    Edited 3 times, last by AviaB.33 (March 24, 2012 at 5:02 PM).

  • @ 1241,

    ist das in etwa dann die gleiche Beschreibung wie sie AviaB.33 bereits abgegeben hat ?

    @ Avia,

    Danke für Deine Beschreibung.

    Gibt es vielleicht eine Auflistung von Maschinen, welche über eine Dachabsprennung verfügten ?

    Rheinmetall

    "Die Sehnsucht nach der Heimat wächst mit dem Quadrat der Entfernung."
    (In Memorie of Jürgen Oesten † 05.08.2010)

  • Hallo Rheinmetall,
    bei der mir bekannten Technik am seitlich klappbaren Kabinendach sah das unter Einsatz des Pyrosatzes so aus:
    Der Pilot betätigt den pyrotechnischen Abwurf des Daches.
    Die Pyropatrone öffnet die Verriegelung des Daches (Verschußhaken werden zurückgeschossen) Danach werden Teleskope, die im Kabinenrahmen liegen, mit dem Verbrennungsgas gefüllt und stoßen das Dach nach oben. Den Rest übernimmt der Luftzug. Der ganze Vorgang dauert nur Bruchteile einer Sekunde. Da das Dach in einer Art Steckscharnier* lag, konnte man es geöffnet/unverriegelt einfach nach oben abziehen.

    *Ein Scharnier war mit einer Seite am Kabinendach fest und hatte an der anderen nach unten nur einen Dorn, der in einer Hülse der Zelle steckte.

    Gruß,
    1241

  • Guten Morgen Rheinmetall,
    ich nochmal ;). Das Thema hat mich doch sehr interessiert, da die 190er ja ein Schiebedach hatte. Danke für die Anregung. Nun hoffe ich, daß ich mit dem Folgenden keine Eulen nach Athen trage:

    Im WWW fand ich verschiedene Varianten, wie das Ganze abgelaufen sein soll.

    Ich denke hier ist es ganz gut beschrieben. (D)

    Bei Scribd kann man im Handbuch der Maschine lesen. Schau mal in Abschn. III, S.20. (D)

    In diesem Pdf findest Du auf S.22/23 Funktionsbeschreibung und Detailzeichnung des Notabwurfes. (En)

    Dort gibts nette Bilder. (En)

    Gruß,
    1241

    edit: kleine Ergänzung

    Edited once, last by 1241 (March 27, 2012 at 5:34 AM).

  • Hallo liebe Forumschreiber in diesem Thread,

    auch wenn ich nur ein Forumschreiber ohne Funktion hier bin, möchte ich Euch ein großes Lob aussprechen. Das sind mal wieder Beiträge ohne viel drumherum, dafür aber mit sachlich differenzierten, qualitativen Aussagen zur Beantwortung der von Rheinmetall gestellten Frage.
    Da macht es richtig Freude, die Antworten zu lesen......

    Gruß Karl Grohmann

  • Hallo Karl,

    Quote

    auch wenn ich nur ein Forumschreiber ohne Funktion hier bin,

    nicht so ganz...du gehörst zum Inventar  8) :D :D

    Sorry für OT aber musste sein :P

    Gruss Dieter