Hallo,
folgenden Bericht von Oswald Baumeister über das Feldlazarett 162, abgedruckt im DSJ 1981 und 1982,
möchte ich euch nicht vorenthalten. Zeigt er doch nicht nur den Einsatzweg und Informationen über das Feldlazarett 162 der 62.
ID während der ersten 1,5 Jahre Russlandfeldzug, sondern auch interessante Details über den praktischen Einsatz eines solchen
Lazarettes, Improvisationstalent im Einsatz und das Verhältnis/Beziehungen mit der Zivilbevölkerung.
Das Divisionsfeldlazarett 162 im Krieg gegen Russland
Das motorisierte Feldazarett 162 der 62. Infanterie-Division wurde kurz vor Ausbruch des Krieges
aufgestellt. Und war im Polen- und Frankreichfeldzug eingesetzt gewesen. Es lag, als ich im Dezember
1940 zu ihm kam, seit Juli 1940 in Chelm am Bug.
In einem alten zaristischen Lazarett mit sieben Pavillions zu je 100 Betten hatte das Lazarett eine
chirurgische, eine interne und eine HNO-Fachabteilung eingerichtet, außerdem zwei Zahnstationen.
Hier wurde für die ganze Division ein klinischer Betrieb durchgeführt mit Unterstützung
der Universität Breslau und der beratenden Fachärzte der Armee.
Das polnische Personal war zum Teil noch vorhanden, z.B. Ein Zahlmeister, der im ersten Weltkrieg bei der
preußischen Garde das EKI erhalten hatte und der ein Regimentskamerad des Generalarztes
Dr. Pflugmacher war. Während des Einsatzes in Chelm arbeiteten am Lazarett auch drei deutsche
Rotkreuzschwestern. Später hatte das Lazarett nie mehr Krankenschwestern.
Für die Ausbildung des Personals war diese Zeit in dem stationären Lazarett in Chelm sicher
wertvoll und sie hat später in Russland reiche Früchte getragen. Es war am Lazarett nur ein gelernter Krankenpfleger, außer
den aktiven Sanitäts-Unteroffizieren kamen alle anderen Uffz. und Mannschaften aus nicht sanitären Berufen. So hatten wir im
Laufe der Zeit neun katholische Kapläne und zwei evangelische Pfarrer. Die beiden Zahnstationen machten für die
Divisionsangehörigen auch Zahnersatz und arbeiteten mit den damals neu aufkommenden Werkstoffen Paladon und Palapont. Es wurden
auch Lehrgänge für das Sanitätspersonal der Division durchgeführt. Die Fahrzeuge waren, da man nicht mit einer
Ausweitung des Krieges gerechnet hatte, in schlechtem Zustand. Es stand nach der Kriegsstärkenachweisung einem planmäßigen
Gerät von 25 to nur ein Frachtraum von 18 to gegenüber. Der Fahrzeugbestand war rein zivil und markenreich (aus jedem Dorf ein
Hund). Eine heizbare Werkstatt war nicht vorhanden, sodass man am Schraubenschlüssel festfror.
Ende Januar 1941 war ich mit dem damaligen Chefarzt des Feldlazarettes in einer Lagebesprechung für
das Offz.-Korps der Division, in der uns der Ic ein solch eindeutiges Bild der militärischen Weltlage entwickelte, dass der Chef beim
Hinausgehen zu mir sagte: Morituri te salutant!
Nun waren wir davon überzeugt, dass über kurz oder lang wieder die Tätigkeit eines
Div.-Feldlazarettes auf uns zukommen würde. Unser vorzüglicher Kfz.-Uffz. Ferdinand Rotter machte seinen alten zivilen Chef als
Führer einer Werkstattkp. Ausfindig. Mit dessen Hilfe und einer eigenen Werkstatt brachten wir unsere Motoren in Stand und fingen an,
uns außerplanmäßige Fahrzeuge zuzulegen. Meine Kfz.-Meldungen waren von jetzt ab alle erstunken und erlogen.
In der San.-Ausrüstung führte ich einen sogenannten Gefechtskasten ein, aus dem auf dem Marsche und
wenn das große Gerät noch nicht ausgepackt war, bis zur Blinddarmoperation aufwärts gearbeitet werden konnte. Er diente
auch als Ausrüstung des Verbandszimmers neben der Aufnahme.
Im Frankreichfeldzug waren unsere Waffen geschlossen mitgeführt worden, das erschien uns in
Zukunft nicht mehr tunlich. Ich lieh mir einen Feldwebel von der Infanterie aus und machte mit den Soldaten ohne Rotkreuzausweis
Infanterieausbildung.
Das bewährte sich später in zweifacher Hinsicht. Wir konnten in gewissen Situationen Sicherungen
ausstellen und auch Transporte absichern, was auch gegenüber eigenen oder verbündeten Truppen notwendig war. Unsere
Befürchtungen von Partisanen erwiesen sich als grundlos, aber als unter meinem Nachfolger das Lazarett auf dem Rückzug in den
Karpaten vor eine Straßensperre kam und beschossen wurde, schoss man rechts zurück und räumte links die Sperre fort. Man
vernahm einiges Wehklagen. Hier hatte jemand gegen die mit dem Roten Kreuz deutlich gekennzeichneten Fahrzeuge billige Lorbeeren erwerben
wollen und war dabei reingefallen.
In Russland fühlten wir uns zunächst so sicher, dass wir auch keine Außenposten
ausstellten, wenn wir im Dorf allein waren. Bevor gewisse Dienststellen ihre unheilvolle Tätigkeit aufnahmen, die
mithalfen, dass wir den Krieg verloren, wurden wir von der Bevölkerung als Befreier begrüßt und auch später,
als diese schon schlechte Erfahrungen gemacht hatten, kam es uns zustatten, dass wir den Vogel an der rechten Stelle hatten.
Ende Februar 1941 wurde ich Chefarzt des Lazarettes. Die Sanitätsdienste der Division sollten gemäß
der Kriegssanitätsvorschrift eingesetzt werden. Die bespannte San.-Kompanie marschierte zwischen Infanterie und Artillerie. Sie
richtete einen Hauptverbandsplatz und einen Wagenhalteplatz ein, benutzte aber auch schonmal den Truppenverbandsplatz eines Bataillons
als vorgeschobenen HVP. Die San.-Kompanie mot. Konnte zur Schwerpunktbildung schnell verlegt werden. Nach Einrichtung eines HVP
und eines Wagenhalteplatzes oblag ihr die primäre operative Wundversorgung. Auch war das Absuchen des Gefechtsfeldes und der
Transport zum HVP oft ihre Aufgabe. Die beiden Kranken-Kw.-Züge mit je 15 Wagen sollten die Verwundeten nach rückwärts
bringen und zwar die Schwerverwundeten – z.B. Schädel-, Brust- und Bauchhöhleneinschüsse sowie Knochenschussbrüche
zum Feldlazarett zur operativen Versorgung und die Leichtverwundeten am Feldlazarett vorbei zu den Kranken-Sammelstellen der Armee.
Fortsetzung folgt!
Gruß
Tobias