Hallo Orpo-Interessierte,
da die Internetseite des Niedersächsischen Landesarchiv (http://www.nla.niedersachsen.de/live/live.php?…827&_psmand=187) und Stefan Klemps Standardwerk „Nicht ermittelt“ kaum brauchbare Informationen zum Reserve-Polizeibataillon 111 beinhalten, möchte ich diesen Thread nutzen um mehr Licht in den Werdegang des Bataillons zu bringen. Begünstigt wurde die Ansammlung v. Infos durch Gunnar Betttendorfs Ausführungen zum Bataillon aus dem Jahr 2008 und zwei Fotonachlässen die sich in meinem Besitz befinden. Ein weiterer Teil der Aufzeichnungen stammt von den Forenmitgliedern Roland/RolandP u. Marcus/Lockenheld, danke dafür. Insgesamt lässt sich dadurch die Bataillonsgeschichte, zumindest bis zum Russlandeinsatz, relativ gut aufklären.
„Im September 1939 wurde das Bataillon in Hannover aufgestellt. Anfangs scheint es aus vier Kompanien bestanden zu haben, die vierte Kompanie wurde jedoch bei Verlegung nach Polen auf die übrigen drei Kompanien verteilt. Die Kompanien selbst hatten verschiedene Heimatstandorte: So kamen die Männer der 1. und 2. Kompanie vornehmlich aus Hannover, die der 3. Kompanie vornehmlich aus Braunschweig.“ (Quelle: Gunnar Bettendorf „Das Reserve-Polizeibataillon 111 im Osteinsatz“, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Band 62/2008, Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover, S.91-165, hier S.105)
„Mitte Dezember 1939 wurde das Bataillon dann nach Polen verlegt, Kommandeur war zunächst Friedrich-Wilhelm Bo., der im April 1940 von Major Großmann abgelöst wurde.“
(Quelle: Gunnar Bettendorf „Das Reserve-Polizeibataillon 111 im Osteinsatz“, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Band 62/2008, Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover, S.91-165, hier S.105)
Kommandeur war der spätere Ritterkreuzträger, Major der Schutzpolizei Friedrich-Wilhelm Bock. (John P.Moore, Führersliste der Waffen-SS, Part I, 2003 Portland, USA, Unterlagen Fr.-W.Bock, Dokument 16, Vorschlag zur Verleihung des DKiG, danke Roland/RolandP)
Kommandeur: Major der Schutzpolizei Friedrich-Wilhelm Bock 01.09.39 – 04.05.40 (* 6.5.1897 Wreschen, seit 15.9.22 Dienst i.d.Pol., 33 Hauptmann, 34 Major, 1.9.39 Kdr. PolBtl 111 bis 4.5.40, dann Kdr. II./SS-Pol.ArtRgt, 1.1.41 Aufnahme in die SS, SS-Nr. 405 821, 1.41 Bef.z.SS-Ostubaf.u.Obstlt.d.Schupo, s.a. John P.Moore, Führersliste der Waffen-SS, Part I, 2003 Portland, USA, Unterlagen Fr.-W.Bock, Dokument 16, Vorschlag zur Verleihung des DKiG, Krät-schmer, RK, S. 407: RK 28.3.43 als Ostubaf.u.Obstlt.d.Schupo u.Kdr. II./SS-Pol.ArtRgt, 570.EL am 2.9.44 als SS-Oberführer und Kdr.9.SS-PzDiv, danke Roland/RolandP)
Aus einem Fotoalbum des Polizeibataillon 111 war ersichtlich, dass der erste Poleneinsatz im Zeitraum vom „15.12.1939-5.10.1940“ erfolgte. (Quelle: Ebay)
„Der Befehlshaber der Ordnungspolizei im Generalgouvernement ordnete am 13. Dezember 1939 die Zusammenfassung der Polizei-Bataillone in seinem Bereich zu vier Regimentern an. [...] Pol.Rgt Radom: PolBtl 42, 51, 71, 72, 101, 111, 171, 181 [...] (alle jeweils mit vier Komp.)“ (Quelle: Stefan Klemp „Nicht ermittelt“, Klartext-Verlag Essen, Jan.2005, S.67)
„Stationiert war die Einheit dort zunächst geschlossen in Kielce, wodurch es das Polizeibataillon 101 aus Hamburg ablöste.“ (Quelle: Gunnar Bettendorf „Das Reserve-Polizeibataillon 111 im Osteinsatz“, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Band 62/2008, Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover, S.91-165, hier S.105)
Zu den Hauptaufgaben des Bataillons, während der ersten Einsatzperiode im Generalgouvernement, gehörten der Objektschutz (z.B. Stacia Grube), Streifendienst, die Bewachung des Gefängnisses in Kielce, der Partisanenkampf gegen die Hubalczycy und die Durchführung von Standgerichten (Hinrichtungen).
„Zwischen dem 30. März und 11. April 1940 wurde in den Kreisen Konskie und Kielce die erste große „Befriedungsaktion“ im GG durchgeführt. Diese Aktion verlief parallel zu den Versuchen der SS- und Polizeikräfte, die Freischärlergruppe Majors Henryk Dobrzanski („Hubal“), die sich in der Region aufhielt, zu zerschlagen.“ (Quelle: Robert Seidel „Deutsche Besatzungspolitik in Polen, Distrikt Radom 1939-1945“, 1. Auflage, Schöningh Paderborn 2006, S.190)
Zum Stichwort „Hubal“ siehe bitte auch hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Henryk_Dobrza%C5%84ski
„An der Pazifizierung von insgesamt 31 Dörfern dieser Region beteiligten sich das 8. und 11. Regiment d. SS-Totenkopfverbände, das 1. SS-Kavalllerieregiment, die Polizeibataillone 51, 104, 111 und 181, vier Selbstschutzkompanien sowie einige Einheiten der Sicherheitspolizei und sonstige kleinere Polizeiverbände. Die Polizeitruppen gingen dabei in der Weise vor, dass sie zunächst die Ortschaften umstellten und anschließend „durchkämmten“. Dabei gingen 12 Ortschaften in Flammen auf, von denen 5 völlig niedergebrannt sind. Insgesamt wurden dabei über 600 bäuerliche Gehöfte zerstört. Die Aktionen sollten insbesondere die männliche Bevölkerung treffen. Die festgenommen Männer wurden erst einmal in Gefängnisse abtransportiert und später auf Exekutionsplätzen hingerichtet.“ (Quelle: Robert Seidel „Deutsche Besatzungspolitik in Polen, Distrikt Radom 1939-1945“, 1. Auflage, Schöningh Paderborn 2006, S.190)
„Anfang Juni 1940 waren dem Pol.Btl. 51 in Pionki bei Radom und dem Pol.Btl. 111 in Kielce je ein Pzkw.-Zug unterstellt.“ (Quelle: Werner Regenberg „Panzerfahrzeuge und Panzereinheiten der Ordnungspolizei 1936-1945“, Podzun-Pallas-Verlag 1999, S.34)
„02.07.1940: Standort Pol.Batl. 111 Kielce“ (Quelle: Staatsarchiv München, Mikrofilm S2888, Sign. 8219, danke Marcus/Lockenheld)
Die 3. Kompanie verließ am 10. Juli 1940 Kielce und wurde daraufhin in Petrikau, kurze Zeit später in Tomaszów Mazowiecki, stationiert. (Quelle: Fotonachlass d. 3.Komp./Pol.Btl.111)
„Weil in Kielce die vom jüdischen Ältestenrat benannten Juden angeblich “nicht vollzählig” zur Zwangsarbeit erscheinen würden, fand am 7. August 1940 unter Beteiligung der 1. Schwadron der SS-T-Reiterstandarte , des Polizeibataillons 111 und der örtlichen Außenstele des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD eine Großaktion statt. In deren Verlauf wurden nach dem Bericht der Reiterschwadron “sämtliche arbeitsfähigen Juden und junge Jüdinnen in den ausgesprochenen Judenvierteln der Stadt Kielce festgenommen und dem Arbeitsamt zur Verfügung gestellt”. Die geschilderte Aktion fand vor dem Hintergrund der Einrichtung eines riesigen Zwangsarbeiterlagers bei Belzec im Distrikt Lublin statt. Die über 10 000 jüdischen Zwangsarbeiter, die bis Ende August 1940 dort konzentriert waren, wurden zu umfangreichen Befestigungsarbeiten an der deutsch-sowjetischen Demarkationslinie herangezogen.“ (Quelle: Martin Cüppers „Wegbereiter der Shoah, Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939 – 1945“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2005, S. 42 - 43, s.a. S.362, Anm.58: Einsatzbefehl für die Judenaktion, Schutzpolizei Kielce v .7.8.1940, BA RS 4/334)
Am 5. Oktober 1940 wird das Pol.Batl. 111 (Standort Kielce) durch das Pol.Batl. 305 (Heimataufstellungsort Itzehoe) abgelöst. Die jeweilige K-Staffel und der Jagdzug verbleibt beim Ablösungsbataillon. (Quelle: Hauptstaatsarchiv München, Sign. 71988, Mikrofilm, danke Marcus/Lockenheld)
„Im Oktober 1940 wurde es dann ins Reich zurückverlegt. Stationiert war es getrennt in Hannover, Magdeburg und Dessau. In Hallendorf bei Salzgitter übernahm es Bewachungsaufgaben für die dortigen Herrmann-Göring-Werke.“ (Quelle: Gunnar Bettendorf „Das Reserve-Polizeibataillon 111 im Osteinsatz“, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Band 62/2008, Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover, S.91-165, hier S.105)
In Hallendorf diente ein Barackenlager als Unterkunft, für die 3. Komp. später in Magdeburg die dortige Gendarmerie-Kaserne. Zu „Pionierarbeiten in Watenstedt“ (Herrmann-Göring-Werke) wurde die 3. Komp. ebenfalls herangezogen. (Quelle: Fotonachlass d. 3.Komp./Pol.Btl.111)
Gunnar Bettendorf gibt an, dass das Bataillon während dieser Zeit erheblich umstrukturiert und verstärkt worden sein soll.
„Erst im Januar 1942 wurde das Bataillon erneut nach Polen verlegt. Diesmal jedoch nicht geschlossen, sondern stark zersplittert auf verschiedene Orte im Generalgouvernement verteilt. Der Bataillonsstab lag in Reichshof. Die Züge der 1. Kompanie waren auf die Orte Tarnow, Gorlice, und Neu-Sandez verteilt. Die 2. Kompanie lag in Reichshof und Jaslo, die 3. Kompanie war auf die Orte Przemysl und Sanok verteilt. Das Bataillon war dem Polizeiregiment Krakau unterstellt.“ (Quelle: Gunnar Bettendorf „Das Reserve-Polizeibataillon 111 im Osteinsatz“, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Band 62/2008, Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover, S.91-165, hier S.106)
Der Aufgabenbereich des Bataillons während des zweiten Poleneinsatzes dürfte ähnlich dem ersten gewesen sein, aber Juden-, Vertreibungs- und Umsiedlungsaktionen häufen sich.
Im Februar 1942 zeigen Fotoaufnahmen Angehörige der 3. Kompanie bei der „Bauplatzwache“ und im März 1942 vor ihrer Unterkunft in Sanok. (Quelle: Fotonachlass d. 3.Komp./Pol.Btl.111)
„Im Sommer 1942, vermutlich Anfang Juni, kommt das Bataillon dann in den Verband der Sicherungsdivision 102 Russland Mitte und erhält die Bezeichnung II./Polizeiregiment 8. Kommandeur dieser dritten Einsatzphase ist der Major der Schutzpolizei Scha., der aus Österreich stammte.“ (Quelle: Gunnar Bettendorf „Das Reserve-Polizeibataillon 111 im Osteinsatz“, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Band 62/2008, Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover, S.91-165, hier S.106)
07.05.1942
"In dem Korpsbefehl Nr. 103 des Kommandierenden General der Sicherungstruppen und Befehlshaber im Heeresgebiet Mitte, Ia, vom 7.5.1942 heißt es unter Ziffer 3.): „ … Im Einvernehmen mit dem Höh. SS u. Pol.Führer werden die im Laufe des Monats Mai eintreffenden neuen Pol.Btle. wie folgt zugeführt:
Pol.Btl. 6 )
Pol.Btl. 85 ) welche das Pol.Rgt. nach Smolensk
Pol.Btl. 301 ) Mitte bilden,
Pol.Btl. 51 und 122 nach Mogilew
Pol.Btl. 91 (für Sich.Brig. 203) nach Bobruisk
Pol.Btl. 134 (für Sich.Div. 286) nach Orscha
Pol.Btl. 111 (für Sich.Brig. 201) nach Polozk …“
(BA-MA N 756, Kopie aus Begh.i.H.Geb.Mitte, RH 22/231, im Besitz des Verfassers (RolandP, danke dafür), s. a. Pol.Rgt Mitte)
„Zunächst wird das Bataillon im Raum Kursk, später östlich Charkow eingesetzt. [...] Zudem soll das Bataillon für den Ordnungspolizeidienst in der Stadt Stalingrad nach dessen Eroberung vorgesehen sein.“ (Quelle: Gunnar Bettendorf „Das Reserve-Polizeibataillon 111 im Osteinsatz“, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Band 62/2008, Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover, S.91-165, hier S.106)
„Die Auflösung des Bataillons erfolgt dann im März 1943: die Reste des Mannschaftsbestands werden nach Gotenhafen (Gdynia) verbracht. Ein Teil kommt zum II. Bataillon SS-Polizeiregiment 26, das an der Räumung des Ghettos in Bialystok aktiv beteiligt war, ein anderer Teil zum Begleit-Bataillon-Himmler. Weitere Männer werden verschiedenen anderen Einheiten zugeteilt.“ (Quelle: Gunnar Bettendorf „Das Reserve-Polizeibataillon 111 im Osteinsatz“, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Band 62/2008, Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover, S.91-165, hier S.106)
Von Zeit zu Zeit werde ich die Ausführungen mit Fotomaterial ergänzen. Für weitere Infos zum Bataillon wäre ich äußerst dankbar.
Bildbeschreibungen:
Offizierkorps des Res.Pol.Btl. 111 vorm Stabsgebäude in Rzeszow/dt. Reichshof (Polen) 1942
Gruppenfoto der 3.Komp./Res.Pol.Btl. 111 vor der Unterkunft (Schule) in Kielce 1940
Bataillonskommandeur Major Großmann mit Frau vorm Offz.-Heim des Res.Pol.Btl. 111
Grüsse Daniel
Edit: Nachträge & Rechtschreibung