Durch einen interessierten Mitleser aus Österreich, der sich auf den Artikel über das SS-Polizeiregiment „Bozen“ in der letzten Ausgabe des „Freiwilligen“ veranlasst fühlte, sich mit dem damaligen beim Verfasser in Verbindung zu setzen, wurde eine Frage angeschnitten, die sowohl den Ausbau der Voralpenstellung als auch das im Oktober 1944 aufgestellte SS-Polizei-Regiment „Schlanders“ betrifft. In der Folge möchte ich die bekannten Angaben zusammenfassen, in der Hoffnung, durch die Leserschaft noch ergänzende Hinweise zu erhalten. Es handelt sich im Großen also um den Bau der sogenannten „Voralpenstellung“ oder „Voralpenriegel“.
Bereits im September 1943 hatte Generalfeldmarschall Rommel als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B in Norditalien eine Untersuchung veranlasst, inwiefern das Alpengebiet Italiens für einen Abwehrkampf gegen die zu diesem Zeitpunkt bereits im Süden Italiens gelandeten Alliierten geeignet war.
Es stand dabei eine so genannte „Voralpenstellung“, eine etwa 400 km lange Linie von der Südostecke der Schweiz über das Nordende des Gardasees über die Trentiner und die Julischen Alpen bis hin nach Görz/ Gorizia, Tolmein/ Tolmein und Monfalcone entlang der österreichisch- ungarischen Stellungen zur Diskussion. (1)
Da die militärische Führung der Ansicht war, dass eine solche Stellung einem Angriff der Alliierten stand halten würde, wurde ein Sonderstab unter der Leitung von Oberst Nobiling für die Erkundung des westlichen Teils dieser so genannten „Voralpenstellung“ eingesetzt, Oberst Seitz erhielt die Verantwortung für den Ostabschnitt. (2) Nachdem das Oberkommando der Wehrmacht aber damals entschied, den Gegner bereits im Süden der Halbinsel abzuwehren, und die Apenninenstellung als Riegel ausgebaut wurde, ruhten zunächst die Pläne für eine Alpenlinie. (3)
Am 26.Juli 1944, als die Alliierten immer weiter Richtung Norden auf die „Gotenlinie“ vorrückte (4) und vor dem Hintergrund einer erwarteten Landung der Alliierten an der nördlichen Adria zwecks Umgehung der „Gotenlinie“(5), erteilte Hitler schließlich den Befehl zum Ausbau eines „rückwärtigen Stellungssystems“ in Norditalien als Erweiterung der sogenannten „Reichsschutzstellung“ und zwar der bereits erkundeten Voralpenfestung – auch als „Blaue Linie“ bezeichnet, zwischen Schweizer Grenze und Triest (6) – , der anschließenden Karststellung (Tschitschen-Boden) sowie einer Riegelstellung von Ala sowie von Belluno zum Golf von Venedig. Außerdem sollten möglichst viele weitere Riegelstellungen gebaut werden, um den Alliierten das Vordringen in das Becken von Udine zu erschweren. (7)
Mit Befehl vom 28.Juli 1944 wurden den Obersten Kommissaren der Operationszonen Alpenvorland und Adriatisches Küstenland „ … auch außerhalb ihrer OZ (Operationszone, der Verfasser) für Zwecke des Stellungsbaus dieselben Befugnisse wie in den OZ übertragen. …“ Dazu mussten sie „ … in jegl. Hinsicht durch den Bev. (Bevollmächtigten) General der deutschen Wehrmacht in Italien und die diesem unterstellten Dienststellen …“ unterstützt werden. (8) In der Folge wurden auf Anregung der Obersten Kommissare weitere Modifikationen des Stellungsbauprogramms vorgenommen. (9)
Als Gauleiter Franz Hofer – als Oberster Kommissar der Operationszone Alpenvorland (10) – am 8.August 1944 dem OB Südwest, Generalfeldmarschall Kesselring, vorschlug, den Etsch-Riegel und die Voralpenstellung kurzfristig fertig zu stellen, und dieser ablehnte, richtete sich Hofer mit dem Vorschlag an das Führerhauptquartier, die Voralpenstellung auf die Linie Stilfser Joch – Limone am Gardasee zurückzuverlegen, was Hitler am 3.September 1944 genehmigte. (11)
Ab dem 25.August 1944, nach dem westalliierten Angriff auf die „Gotenlinie“, der zwar zum Stehen gebracht werden konnte, galt es für Gauleiter Hofer, den Bau der Voralpenriegel mit Nachdruck voranzutreiben.
In der Operationszone Alpenvorland wurde das Gebiet in sechs Abschnitte eingeteilt (12), nach anderen Angaben in insgesamt sieben Bauabschnitte (13), wobei aber für einen siebten Abschnitt bisher keine Bestätigungen vorliegen. Sechs – oder eventuell sieben – Abteilungsleiter, alle Kreisleiter der NSDAP aus dem Gau Tirol-Vorarlberg, übernahmen die Organisation und Baukoordination. Diesen wurde neben einem Hauptverbindungsführer je ein Militärverwaltungsbeamter als Verbindungsführer zur Seite gestellt, um dieser zusätzlichen Aufgabe gerecht werden zu können.
Zudem waren ein Militärverwaltungsbeamter mit Sitz in Arco für die Abwicklung der Lebensmittelersorgung und ein Militärverwaltungsbeamter mit Sitz in Verona für die Arbeitsmittelversorgung zuständig. (14)
Den Hauptverbindungsführern bei den Obersten Kommissaren in den beiden Operationszonen und dem sogenannten „Einsatzstab Brigitte“, der für die Arbeiten im Bereich von Po und Tessin gebildet worden war, stand der gesamte Apparat des Chefs der Militärverwaltung des Bevollmächtigten Generals der Deutschen Wehrmacht in Italien zur Verfügung (15), zu diesem Zeitpunkt – seit dem 26.Juli 1944 – war dies bereits der SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Karl Wolff, in Personalunion auch Höchster SS- und Polizeiführer in Italien. (16)
Zum Bau der Voralpenstellung wurden Hofer – wie auch Gauleiter Dr. Friedrich Rainer (17) in der Operationszone Adriatisches Küstenland – Spezialbautruppen zur Verfügung gestellt, die unter der technischen Leitung der „Organisation Todt OT“ standen. (18) Zugleich sollten sie „ … in jeder Hinsicht durch den Bev.General der Deutschen Wehrmacht in Italien und die diesem unterstellten Dienststellen …“ unterstützt werden. (19) Die rein militärischen Fragen des Stellungsbaus im gesamten norditalienischen Gebiet oblagen dem OB Südwest als Bauherrn, als militärischer Berater fungierte ein Vertreter des OB Südwest, zunächst der General der Infanterie Gustav-Adolf von Zangen. (20)
Die Gesamtzahl der bei diesen Befestigungsbauvorhaben in Italien eingesetzten Arbeitskräfte betrug nach dem Stand vom 10.Dezember 1944 256 000 Mann, von denen 82 000 Mann beim Bau der Voralpenriegel unter Gauleiter Hofer im Einsatz waren. (21) Während also die Aufbringung der notwendigen Arbeitskräfte, der Bezahlung und Verpflegung sowie die Beschaffung des benötigten Baumaterials trotz der gewaltigen Größenordnung des gesamten Unternehmens keine größeren Schwierigkeiten bereitete, konnten dagegen nicht ausreichend Transportmittel aufgebracht werden. Beim Stellungsbau im Bereich Alpenvorland waren lediglich 53 Lkw und weitere 30 t Laderaum im Einsatz. Zeitweise fehlten in diesem Abschnitt bis zu 300 t Laderaum. (22)
Hofer unterstrich die Wichtigkeit des Stellungsbaus in einem Memorandum an Martin Bormann vom 6.November 1944, welches durch diesen unverzüglich dem Führer vorgelegt werden sollte. (23) Aus unerfindlichen Gründen erfolgte diese „Führervorlage“ letztendlich erst im April 1945. (24)
Im Januar 1945 konnten der Etsch- und der Optante-Riegel von der Wehrmacht in fertigem Zustand übernommen werden, und auch die sogenannte „Hoferstellung“ westlich des Gardasees war in einem verteidigungsfähigen Zustand versetzt worden. Allerdings hatte man bei der „Grenzstellung“ im Süden erst mit der Auspflockung begonnen und im winterlichen Hochgebirge war man von einem Bauvorhaben noch weit entfernt. (25)
Erwähnte wurden bereits die sechs Bauabschnitte der Voralpenriegel im Bereich der Operationszone Alpenvorland, deren Abteilungs- bzw. Abschnittsleiter Kreisleiter aus dem Gau Tirol-Vorarlberg waren. Aus der eingangs erwähnten Zuschrift eines unserer Leser ergeben sich interessante ergänzende Angaben.
K. R. schrieb: “… Im November 1944 kam ich als Einsatzhelfer nach Roncegno im Valsugana. Es gab sechs Sicherungsabschnitte.
I. im Bereiche des Ortler
II. im Bereiche des Gardasees
III. in Rovereto
IV. in Roncegno
V. in Feltre und
VI. in Belluno.