Identifikation eines Feldgendarmen

  • Hallo, ich habe hier diverse Daten des Opas einer Freundin, der bei der Polizei war und im Krieg Feldgendarm. Er ist dieses Frühjahr im Alter von 97 Jahren gestorben. Ich konnte ihn noch einmal im Altersheim besuchen und da sprach er nur kurz von der Kalmückensteppe und sagte den Satz: Warschau war scheisse.
    Jetzt habe ich diverse Unterlagen bekommen und würde nun die wichtigsten Daten aus seinem Polizei-Dienstpass einmal auflisten (ich verzichte hierbei mal auf Ausbildung und die Zeit im Strassendienst Frankfurt:
    Pol.Rgt.2
    Einsatz im Sudetenland 22.11.38 - 20.12.38
    1.Komp.Pol.Batl.10
    Einsatz im Generalgouvernment 14.12.39 - 18.12.40
    Dann ein Unterführerlehrgang vom 15.4.41 - 12.7.41 und Strassendienst bis 26.10.41
    Dann weiter:
    Ersatz Abt.I. Perleberg
    Feldgen.dienst 27.10.41 - 19.11.41
    Feldg.Trupp b./mot/897
    Feldgen.dienst 20.11.41 - 27.5.42
    Feldg.Abt.mot 693
    Feldgen.dienst 28.5.42 - 26.10.42
    3./Feldg.Abtlg.698
    Feldgen.dienst 27.10.42 ohne Angabe wie lange
    Dann ein Lehrgang auf der Off.schule d. Ordn.Pol. Fürstenfeldbruck 14.5.44 - 20.7.44
    Alles bis dahin mit Tinte geschrieben.
    Jetzt noch zwei Eintragungen mit Bleistift:
    Feldgend.Trupp B mot
    Feldgen.dienst 21.7.44 - 7.4.45
    Dann steht da als letztes: Kriegsgefangenschaft ab 8.4.45

    Auf einem Schreiben des Polizeireviers Frankfurt nach dem Kriege zum Thema
    Lebenslauf steht noch zugefügt für die Abteilungen 693 und 698: -- Heeresgebiet A.
    Und für diesen Trupp B mot -- Frankreich, Rückmarsch vom Raum Nancy bis Ulm

    Es gibt da aber noch einen Kriegsurlaubsschein #3835 vom 29.9.44
    von der 1.Komp.Feldgend.Ers.Abt aus Litzmannstadt für eine Beurlaubung vom
    30.9.44 - 5.10.44, Erkrankung der Ehefrau.

    In seinem Pass steht nichts davon und zu der Zeit war er eigentlich in Frankreich.
    Kann es sein, dass er die letzten Eintragungen mit Bleistift selbst gemacht hat, vielleicht
    um in seiner Vita den Einsatz in Litzmannstadt zu vertuschen ?
    Was war zu dieser Zeit los in Litzmannstadt und was meine er mit seinem Warschau-satz ?
    was war los zu seiner Zeit im Generalgouvernment ?
    Ich wäre Dankbar über jede Info, die man mir geben kann.
    Vielen Dank im voraus für Eure Arbeit.
    mfg. Stoffel

    Edited once, last by stoffelbauer (August 3, 2010 at 2:31 AM).

  • Hallo Stoffel

    Zum Poleneinsatz des Polizeibataillon 10:

    Heimatstandort: Berlin

    Kommandeur: Major Küstner

    Im Dezember 1939 gehörte das Bataillon dem Polizeiregiment Warschau an.

    Laut einem Ermittlungverfahren gegen Willy G. kam das Polizeibataillon 10 1939-40 in Ostrow, Siedlce, Mins(k)-Mazowiecki, Warschau und Lublin zum Einsatz. Dabei beteiligt sich die Truppe an "schweren Judenverfolgungen", "Erschießungen" und "Misshandlungen".
    (Quelle: Stefan Klemp "Nicht ermittelt" Klartext Verlag - Essen 2005, S103-106)

    Somit dürfte klar sein was er damit meinte. Zu Litzmannstadt (Lodz) kann ich leider nichts sagen, da er zu dieser Zeit schon der Feldgendarmerie angehörte, dessen Geschichte bis heute noch im Dunkeln liegt.

    Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

    Edited once, last by Policeman (August 3, 2010 at 9:54 AM).

  • vielen Dank schon mal Daniel. Das geht so in die Richtung, die ich vermutet hatte. Wenn die da so tätig waren, gibt es da nicht genaueres ? Gibt es in dem Buch mit dem Fall Willy G. genauere Beschreibungen ? Gab es da nicht mehr Prozesse ? Und was war zu dieser Zeit mit dem Ghetto Litzmannstadt ? Wurde da auch Feldgendarmerie eingesetzt ? Sorry für so viele Fragen, aber vielleicht gibts ja die eine oder andere Antwort. Aber erstmal schon toll.
    stoffel

  • Hi Stoffel,

    leider nicht. Zum Polizeibataillon 10 ist das die einzig verfügbare Quelle und selbst diese fällt äußerst mager aus.

    Es soll aber am 17. November 2010 das neue Werk von Wolfgang Curilla erscheinen, mit dem Titel "Der Judenmord in Polen und die deutsche Ordnungspolizei 1939-1945", mit ca. 1000 Seiten. Vielleicht wird dort ein wenig mehr aufs Pol.Btl.10 eingegangen, mal sehen. Sollte es so sein, füge ich es hier an.

    Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Quote

    Original von Policeman
    Im Dezember 1939 gehörte das Bataillon dem Polizeiregiment Warschau an.

    Hallo zusammen,

    für das Polizei-Regiment Warschau gibt es für den Zeitraum 11/1939 bei Justiz und NS-Verbrechen noch ein Verfahren in der Datenbank. Unter den Tatorten Warschau und Litzmannstadt/Lodz lässt sich ebenfalls etwas finden:

    Verfahren Lfd.Nr.558
    Tatkomplex: Andere Massenvernichtungsverbrechen
    Angeklagte:
    Hoffmann, Hans 3½ Jahre
    Kirschner, Kurt 3 Jahre 9 Monate
    Pillich, Theodor 3 Jahre 3 Monate
    Gerichtsentscheidungen:
    LG Giessen 631203
    LG Giessen 620326
    BGH 630724
    Tatland: Polen
    Tatort: Ostrow
    Tatzeit: 3911
    Opfer: Juden
    Nationalität: Polnische
    Dienststelle: Polizei Pol.Rgt.IV ('Warschau'), Polizei Pol.Btl.91, Technische Nothilfe Warschau
    Verfahrensgegenstand: Massenerschiessung von mindestens 360 jüdischen Männern, Frauen und Kindern als Vergeltung für einen angeblich von Juden entfachten Grossbrand in Ostrow

    Veröffentlicht in Justiz und NS-Verbrechen Band XIX

    Quelle: http://www1.jur.uva.nl/junsv/Inhvzbrdddr.htm

    Gruß, J.H.

  • Quote

    Original von stoffelbauer
    Gab es da nicht mehr Prozesse ? Und was war zu dieser Zeit mit dem Ghetto Litzmannstadt ? Wurde da auch Feldgendarmerie eingesetzt ? .
    stoffel


    Hallo Stoffel,

    ich denke nicht, dass die Feldgendarmerie etwas mit dem Ghetto und den von dort aus erfolgenden Deportationen ins KZ Chelmno zu tun hatte.
    So wie ich das bislang recherchieren konnte, lag in Litzmannstadt eine Schule und Ersatztruppenteile der Feldgendarmerie, während das Ghetto Angelegenheit der Polizeiverwaltung und des Polizei-Wachbataillons Litzmannstadt waren.

    Da der Opa Deiner Freundin ja bereits vor dem Krieg aktiver Polizeibeamter war wie Du schreibst und anhand Deiner Angaben auch nachvollziehbar ist, ist ein späterer Wechsel zur Feldgendarmerie durchaus möglich und nicht außergewöhnlich. Ebenso ist eine zeitweilige oder endgültige Rückkehr von der Feldgendarmerie zur Polizei möglich.

    In Bezug auf Warschau kann man nur spekulieren, vielleicht war er zur Zeit des Ghetto-Aufstandes April 1943 oder des Warschauer Aufstandes August-Oktober 1944 dort im Einsatz ?(

    Klarheit könnte da nur eine Anfrage über den militärischen Werdegang seitens Deiner Freundin bringen.

    Zum Thema Litzmannstadt gibt es in der von Johann Heinrich aufgeführten Datenbank insgesamt fünf Urteile, die man sich glaube ich für einen geringen Betrag (so um die 30 Euro jeweils) auch bestellen kann.

    Gruß


    Lockenheld

    Suche ALLES zu Polizei-Bataillonen aus dem Wehrkreis VII und dem Einsatz in Slowenien sowie zur PV. Litzmannstadt
    "Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." (Benjamin Franklin)

  • Danke an alle,
    es gibt also noch diverse Optionen. Vielleicht werden wir mal den Werdegang bei der Wast
    erfragen. Und ich bin gespannt auf das neue Fachbuch das bald erscheint.
    Allen einen schönen Tag.
    stoffel

  • Hallo Stoffel,

    dieser Link war allen bekannt und wurde auch schon hier im Forum disskutiert, hat aber letztendlich nichts mit eurer gesuchten Person zu tun.

    Das Feldgendarmerie an Verbrechen beteiligt gewesen ist, steht außer Zweifel und es hat niemand etwas anderes behauptet. Lockenheld/Marcus bezog seine Aussage auch nur auf das Ghetto von Litzmannstadt (Lodz), siehe dazu weiter oben.

    Aber es gibt bis zum jetzigen Zeitpunkt keine brauchbare Veröffentlichung zum Thema "Feldgendarmerie-Einheiten". Demnach kann in eurem Fall auch keine genaue Aussage getroffen werden. Der "Warschausatz" eures Angehörigen bezieht sich höchstwahrscheinlich nur auf die Zeit beim Pol.Btl.10, da er u.a. in Warschau stationiert war und eine dortige Beteiligung an Verbrechen sehr wahrscheinlich ist.

    Weiter muss gesagt werden, dass durch den Dienstpass eures Angehörigen der Werdegang schon sehr gut dokumentiert ist und mehr Infos wohl kaum möglich sein werden.

    Man kann letztendlich nur hoffen das irgendwann einmal eine Veröffentlichung zum Thema Feldgendarmerie-Einheiten erscheint und mehr Klarheit und weitere Fakten speziell zu den Einheitsnummern bringen wird.

    Edit: Ausdruck & Rechtschreibung

    Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

    Edited 2 times, last by Policeman (August 4, 2010 at 12:45 PM).

  • Hallo Stoffel,

    wie Daniel richtig sagte habe ich mich auf Litzmannstadt bezogen bzgl. der Feldgendarmerie.

    Es dürfte kaum anzunehmen sein, dass bei einer deutschen Polizeiverwaltung (Litzmannstadt war ja Reichsgau Wartheland und somit "deutsches" und nicht "besetztes Gebiet";) mit zusätzlich noch einem Polizei-Wachbataillon eine Unterstützung durch die Feldgendarmerie nötig war.

    Einfach mal abwarten, was die WASt sagt zum Werdegang.

    edit: Feldgendarmerie ist auch leider nicht mein Thema, siehe unten

    Gruß


    Marcus

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    Edited once, last by Lockenheld (August 4, 2010 at 10:52 AM).

  • Hallo Stoffel,

    könntest du die Seite oder Seiten aus dem Polizei-Dienstpass mit der Anmerkung "1.Komp.Pol.Btl.10" einmal deutlich einscannen. Eigentlich müsste dort auch der Name des Kompanieführers erwähnt sein? Vielleicht lässt sich darüber etwas finden.

    LG Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • ich kann die papiere mal die tage einscannen. hab ich noch nie gemacht, check ich aber. in dem polizei-dienstpass stehen bei den einheiten keine namen, auch nicht von kompanieführern. ich kümmere mich darum. lg, stoffel

  • Hallo,
    dann "check" auch gleich deine Groß/Kleinschreibung....das wäre nett! =)

    Auch lg
    Thomas

  • Hi Stoffel,

    erstmal danke fürs Einstellen. Leider hattest du doch recht, keine Namen. Somit kommen wir auch hier nicht weiter. :( Mal sehen ob jemand anderes etwas dazu sagen kann. Euer Angehöriger war auf jeden Fall als Unterführer beim Pol.Btl.10.

    Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Einen guten Tag,

    hatte diesen Thread vor längerem begonnen und nun länger nichts eingestellt. Heute beim aufräumen bin noch an eine Sache gekommen, die mich interessiert.
    Ich habe, leider in sehr schlechtem Zustand, von diesem Gendarmen hier, eine alte Zeitung gefunden. Sie heisst "Die deutsche Polizei", Nr.23, 10.Jahrgang, Berlin 1. Dezember 1942. War das die reguläre Truppenzeitung für diesen Zweig ? Ist das was seltenes ? Ist das etwas wert ? Das Papier ist sehr brüchig. Ich weiss nicht, was ich damit machen soll. Wenn es selten sein sollte, weil diese Dinge selten und ungern aufbewahrt wurden, -- ist es ein wichtiges dokument oder gibt es davon genug und ich brauch mir nicht die Arbeit zu machen, was zu restaurieren oder so ? Bin dankbar für jeden Tipp.
    Stoffel

    ps: Ein Foto im Anhang.

    Interessierte können sich auch per PN melden.

  • Hallo Stoffel,

    es handelt sich dabei nicht um eine "Truppenzeitung", sondern es war die Zeitschrift für die gesamte Polizei im Dritten Reich, also auch für die Gemeindepolizei, Gendarmerie oder den Polizeieinzeldienst.

    Sie ist für den Historiker interessant, da sie auch Personalien enthält. Sie ist nicht so selten und wertvoll, dass Du sie restaurieren lassen solltest.

    Herzlichen Gruß
    Dieter