... anhand des gegen ihn am 12.Februar 1945 vom Reichskriegsgericht gefällten Todesurteils wegen Pflichtverletzung im Feld.
GM Kegler war Träger des Deutschen Kreuz i.G. und in seiner militärischen Laufbahn u.a. Kommandeur der 48. und 245. Infanterie-Division sowie Kommandeur der Division "Woldenberg" und bis zu seiner Verhaftung Kampfkommandant der Stadt Landsberg/Warthe.
Dies ist eine (vorerst noch nicht vollständige) Abschrift des o.g. Feldurteils, welche im Buch "...kann nur der Tod die gerechte Sühne sein!" Todesurteile deutscher Wehrmachtsgerichte - Eine Dokumentation veröffentlicht wurde.
Da in diesem Urteil unter anderem auch die Kämpfe im Raum Landsberg/Warthe Ende Januar 1945 aus Sicht der Führung dargestellt werden, kann vielleicht der eine oder andere einige Informationen aus diesem Urteil verwenden. Wenn es mit der Formatierung hier im Forum klappt, folgt die Fortsetzung bei nächster Gelegenheit - bei Interesse stelle ich auch noch die im Anhang des Buches verzeichneten Paragraphen der im Urteilstext genannten Gesetzestexte dazu ein
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Reichskriegsgericht 14 Abdrucke
StPL. 3.Sen. 9/45
RKA. III 62/45
Feldurteil.
Im Namen des Deutschen Volkes!
In der Strafsache gegen den Generalmajor Gerhard K e g l e r , zuletzt Kdr. Div. „Woldenberg“, wegen Übergabe an den Feind, hat das Reichskriegsgericht, 3. Senat, auf Grund der am 11. und 12. Februar 1945 durchgeführten Hauptverhandlung in der Sitzung vom 12. Februar 1945, an der teilgenommen haben
als Richter:
Generalstabsrichter beim Reichskriegsgericht
Dr. Schmauser, Senatspräsident,
Generalleutnant Angerstein,
Generalmajor Westhoff, Inspekteur des Kriegsgefangenenwesens,
Oberst Böckel,
Oberfeldrichter Zeitler,
als Vertreter der Anklage:
Generalstabsrichter Dr. Kraell, Oberreichskriegsanwalt,
Oberstrichter Dr. Frhr. von Dörnberg,
als Urkundsbeamter:
Reichskriegsgerichtsoberinspektor Mohr,
für Recht erkannt:
Der Angeklagte Generalmajor Kegler wird wegen Pflichtverletzung im Feld zum Tod, zum Verlust der Wehrwürdigkeit und zum dauernden Verlust der Ehrenrechte verurteilt.
Von Rechts wegen.
Gründe.
Der Angeklagte war als Kdr. der Div. „Woldenberg“ am 30.1.1945 zum Kampfkdtn. von Landsberg/Warthe bestellt worden. Noch am selben Tag hat er die Stadt den Bolschewisten ohne wirksamen Widerstand überlassen.
Die Anklageverfügung vom 11.2.1945 legt ihm ein Verbrechen der Übergabe an den Feind i.S. von § 63 Abs. 1 Nr. 2 MStGB. zur Last.
Die noch am 11.2.1945 durchgeführte Hauptverhandlung hat folgendes ergeben:
II.) Zur Person des Angeklagten
1.) Der Angeklagte wurde am 26.1.1898 in Grünewald, Kreis Neustettin, als Sohn eines Pfarrers geboren. 1908 trat er in die Kadettenanstalt ein. Im Frühjahr 1917 kam er als Fähnrich zu einem Infanterie-Regiment an die Front. Im November 1917 wurde er zum Lt. befördert. Er erhielt das EK. II. und I. Klasse.
Nach der Beendigung des Weltkrieges wurde er zunächst im Grenzschutz Ost verwendet. Aus ihm wurde er in das Hunderttausend-Mann-Heer übernommen. 1926 wurde er zum Oblt. befördert und kam zur Infanterieschule. Anschließend wurde er drei Jahre als Lehrer für Heranbildung von Unteroffizieren zu Offizieren verwendet. 1932 wurde er Hptm. Als solcher führte er bis zum Herbst 1938 eine Kompanie. Im Herbst 1938 wurde er zum Major befördert.
2.) Im gegenwärtigen Krieg wurde er bis Januar 1940 als Btl. Kdr. im Bienwald eingesetzt. Dann wurde er als Kdr. eines Lehr-Btl. mit der Heranbildung von Kompanieführern betraut. Bei Beginn des Westfeldzugs im Mai 1940 kam er mit diesem Lehr-Btl. an die Front. Im Oktober 1940 wurde er zum Obstlt. befördert. Er machte die Kämpfe in den Kesseln von Demiansk und von Tscherkassi mit. Nach Besuch eines Lehrgangs für höhere Truppenführer wurde er Anfangs Oktober 1944 als Führer der 48. I.D. an der Mosel eingesetzt. Die Division war insbesondere an den schweren Kämpfen bei Pont â Mousson beteiligt. Im Anschluß daran übernahm er bei Reichshofen die Führung der 245. I.D. Am 1.12.1944 wurde er zum Gen. Maj. befördert.
Nach der Auflösung seiner Division wurde ihm am 28.1.1945 die Führung der Div. „Woldenberg“ übertragen.
3.) An Auszeichnungen erhielt der Angeklagte in diesem Krieg die Spangen zu den beiden Eisernen Kreuzen, das deutsche Kreuz in Gold und die goldene Ehren-Blattspange.
4.) Dienstliche Beurteilungen oder ähnliche Äußerungen von Vorgesetzten über den Angeklagten liegen nicht vor.
Der Angeklagte ist gerichtlich und disziplinar nicht bestraft.
5.) Seit 1933 ist er verheiratet. Er hat vier Kinder im Alter von 10 bis zu einem halben Jahr.
Am 5.2.1945 wurde er in der vorliegenden Sache festgenommen.
III.) Der Sachverhalt
1.) Nachdem die von dem Angeklagten bis dahin geführte 245. I.D. aufgelöst worden war, beantragte der Kde. Gen. beim Heerespersonalamt, dem Angeklagten Erholungsurlaub von sechs Wochen zu gewähren. Der Angeklagte fühlte sich, wie er angibt, schon seit etwa einem Jahr nicht mehr frisch und leistungsfähig. Er sei körperlich wie geistig sehr rasch und außergewöhnlich stark ermüdet. Auch habe er unter seelischen Spannungen gelitten. Durch den anhaltenden Fronteinsatz und durch die Erlebnisse an der Front seien seine Kräfte erschöpft gewesen.
Entsprechend dem Antrag des Kdn. Gen. bewilligte das Heerespersonalamt einen sechswöchigen Erholungsurlaub. Der Angeklagte brauchte sich zuvor ärztlich nicht untersuchen zu lassen. Er wollte sich auch während seines Urlaubs keiner Kurbehandlung unterziehen. Vielmehr glaubte er, sich bei seiner im Warthegau auf dem Land lebenden Familie am besten erholen zu können. Kurz nach seinem Eintreffen mußte seine Familie jedoch wegen des Vordringens der Bolschewisten flüchten. Noch während ihres Umzugs teilte ihm das Heerespersonalamt fernmündlich mit, daß er wieder die Führung einer Division übernehmen solle. Der Angeklagte wies nicht darauf hin, daß er sich dazu noch nicht im Stande fühle. Er trat am 26.1.1945, d. i. bereits am zwölften Tag seines Urlaubs, die Reise an die Front an. Seine Familie mußte er sich selbst überlassen. Wohin sie kam, konnte er zunächst nicht erfahren.
Bei seiner Abberufung aus dem Urlaub fühlte sich der Angeklagte noch keineswegs frisch. Er hoffte jedoch, „daß es schon gehen werde“. Außerdem hielt er es nicht mit dem Ehrenstandpunkt eines Offiziers für vereinbar, sich einer Aufgabe mit der Begründung zu entziehen, daß man sich nicht für voll leistungsfähig ansehe. Er habe daher auch bewußt nicht darauf hingewiesen, daß und wie erschöpft er gewesen sei.
2.) Zunächst sollte der Angeklagte Kdt. von Thorn werden. Da er nicht mehr bis dorthin durchkommen konnte, wurde ihm die Führung der Div. „Woldenberg“ übertragen. Diese Div. Unterstand dem Korps des SS-O.Gru.Fü. von dem Bache. Sie gehörte zum AOK 9 (Gen. d. Inf. Busse).
Die Division führte zwar den Namen einer solchen. Sie erfüllte ihre Voraussetzungen jedoch nur in sehr beschränktem Umfang. Sie war erst 8 bis 10 Tage vorher aus den Ersatzeinheiten des Gebiets Woldenberg aufgestellt worden. Ia war der als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommene Maj. Weiser. Weiser ist offensichtlich ein erfahrener und bewährter Truppen- und Frontoffizier. Er hat auch in der Hauptverhandlung einen sehr günstigen, vor allem einen bestimmten und klaren, Eindruck gemacht. Er war jedoch nicht als Generalstabsoffizier ausgebildet. Vor seiner erst etwa acht Tage vorher erfolgten Bestellung zum Ia der Div. „Woldenberg“ hatte er nie etwas mit Truppenführung zu tun gehabt. Der Adjudant, ein Oblt., konnte sich wegen einer schweren Fußverletzung nur schwer bewegen. Ordonnanzoffizier war ein Oblt. Die Ib Staffel bestand aus einem Major, einem Oberinspektor und einem Mann als dem Fahrer des einzigen, der Staffel zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeugs. Der Unterstab setzte sich aus etwa 8-10 Uffz. und Mannschaften zusammen.
An Einheiten gehörten zur Division zwei Inf.Rgtr. mit je etwa 400 Mann aller Altersstufen und Tauglichkeitsgrade. Ein erheblicher Teil war nur arbeitsverwendungsfähig. Kdre. dieser Regimenter waren zwei ältere Offiziere des Beurlaubtenstandes, der als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommene Obstlt. Jenssen und der einige Tage nach den hier zu erörternden Vorkommnissen gefallene Obstlt. Freitag. Der Kampfwert der Truppe war schon von Anfang an äußerst gering.
An schweren Waffen war ursprünglich eine Batterie l.F.H. zugeteilt gewesen. Sie war aber aus den – hier noch zu erwähnenden – Kämpfen am Friedeberg nicht zurückgekehrt. Weiter waren vier 8,8cm Beute-Flak-Geschütze, zwei 7,5cm Pakgeschütze, drei Tiger und zwei Hetzer vorhanden. An Panzer-Nahbekämpfungsmitteln standen Panzerfäuste zur Verfügung.
Besonders mißlich war es, daß bei Friedeberg auch das gesamte Nachrichtengerät des Divisionsstabs (einschließlich Fernsprecher und Kabel) verloren gegangen war. Die Division war daher – neben Meldern – ausschließlich auf das Netz der Reichspost angewiesen.
3.) Der Angeklagte traf die Division am 28.1.1945 in Woldenberg an. Am 29.1.1945 mittags übernahm er ihre Führung in Friedeberg, wohin sie sich inzwischen zurückgezogen hatte. Noch am selben Tag griff der Feind mit etwa 40 bis 50 Panzern an. Friedeberg ging verloren, die Division wurde zersprengt. Die zersprengten Teile zogen sich ohne Verbindung unter sich und mit dem Div. Stab in Richtung Landsberg/Warthe zurück.
4.) a.) Am 29.1.1945 etwa gegen 22 Uhr traf der Angeklagte mit seinem Stab in Landsberg ein. Er richtete seinen Gefechtsstand zunächst in der (nach Karte ausgesuchten) etwa 3-4 km nordöstlich des des Stadtkerns liegenden Provinzial-Landesanstalt ein.
Nach der Ankunft schlief er etwa 1-2 Stunden.
Gegen 3 Uhr nachts begab er sich mit dem Ia zu der in der Mitte der Stadt untergebrachten Kreisleitung. In dieser war eine große Zahl von Personen anwesend. Es wurde viel über die Lage, über die Aussichten einer Verteidigung von Landsberg, einer etwaigen Räumung der Stadt von der Bevölkerung u. dgl. m. gesprochen. Der Angeklagte äußerte sich dahin, daß Landsberg wohl nicht lange zu halten sein werde. Die Besprechung dauerte vier Stunden oder sogar länger. Der Angeklagte kann diese – vor allem angesichts seiner Aufgabe – auffallend lange Zeit nur damit erklären, daß von sehr Vielen und sehr viel geredet worden sei.
b.) Etwa um 7 Uhr früh ging der Angeklagte von der Kreisleitung ins Bahnhof-Hotel, um sich zu waschen und zu frühstücken. Er hatte vor, dorthin auch seinen Gefechtsstand zu verlegen, da die Provinzial-Landesanstalt zu ungünstig lag. Er gab diese Absicht aber wieder auf, da das Hotel von Flüchtlingen überfüllt war. Der Ia richtete daher den Gefechtsstand schließlich am Westausgang der Stadt in der Küstriner Straße ein.
c.) Während dieser Zeit begab sich der Angeklagte in den in der Stranz-Kaserne befindlichen Gefechtsstand des Kampfkdtn. von Landsberg, des Hptm- Kurze. Er traf nur den Adj. an. Er ließ sich von ihm über die dem Kampf-Kdtn. zur Verfügung stehenden Truppen unterrichten. Er erfuhr, daß zur Verteidigung zwei Btl. (Wehrmacht) zu je etwa 400 Mann, und zwar rings um Landsberg herum in einer Entfernung von durchschnittlich 3 km, eingesetzt seien. Bei Stolzenberg (n. o. Landsberg) sei die Verteidigungslinie etwa 15 km von der Stadt entfernt. Die Masse der Truppen befindet sich am Ostrand der Stadt. Im Westen seien nur Postierungen.
Am Ende der Besprechungen stellte der Angeklagte in Aussicht, daß er die Verteidigungsstellungen durch Teile seiner Division verstärken werde.
d.) Er befahl zunächst dem bereits erwähnten Kdr. eines seiner beiden Inf.Rgtr., Obstlt. Jenssen, einen Auffangstab zu bilden, um die von Friedeberg her zurückgehenden versprengten Teile der Division wieder zu sammeln. Jenssen solle je etwa 80 Mann zu einer Ko. zusammenstellen. Die Aufstellung einer solchen Ko. habe er ihm sofort persönlich zu melden.
Obstlt. Jenssen richtete sich in der Stranz-Kaserne ein. Er baute in ihr und in der benachbarten Walter Flex-Kaserne unter Hilfe von etwa 5-6 Offizieren Auffangstellen ein. Eigene Mannschaften zum Auffangen wurden ihm nicht zugeteilt. Er setzte sich daher mit dem Streifendienst und mit der Feldgendarmerie in Verbindung.
Noch im Laufe des Vormittags meldete Jenssen, daß er die erste versprengte Kompanie aufgestellt habe. Der Angeklagte setzte sie in Richtung gegen Stolzenberg ein. Dorthin schickte er auch die Tiger. Von der Bildung einer Eingreif-Reserve sah er ab. Er nahm eine solche nach seiner Angabe erst für später in Aussicht.
5.)a.) Um die Mittagszeit rief der Angeklagte vom Gefechtsstand beim AOK 9 an. Er meldete, daß er in Landsberg eingetroffen sei und bat um Weisungen. Er regte an, ihn wieder dem Korps des SS-O.Gru.Fü. von dem Bache zuzuteilen. Der das Gespräch abnehmende Offizier erklärte ihm jedoch, daß das nicht möglich sei. Wahrscheinlich werde der Angeklagte Kampf-Kdtn. von Landsberg werden. Der Angeklagte regte an, doch den bisherigen Kampfkommandanten zu belassen. Dieser kenne die Verhältnisse besser als er und habe schon seine Maßnahmen getroffen. Man möge ihn doch nicht in letzter Minute einsetzen.
Dieses Gespräch wurde entweder von dem Oberbefehlshaber selbst oder von dem Chef des Stabes mitangehört. Auf deren Weisung übermittelte der Offizier nunmehr dem Angeklagten förmlich den Befehl, die Aufgaben eines Kampf-Kdtn. von Landsberg zu übernehmen.
Der Angeklagte war sich, wie er selbst angibt, von Anfang an darüber klar, daß die Ernennung zum Kampf-Kdtn. den Befehl in sich schloß, die Stadt mit allen Mitteln zu halten.
Von seinem Ferngespräch mit der Armee und von deren Weisung teilte er seinem Ia nichts mit.