Biografie des Generalmajor Gerhard K e g l e r...

  • ... anhand des gegen ihn am 12.Februar 1945 vom Reichskriegsgericht gefällten Todesurteils wegen Pflichtverletzung im Feld.

    GM Kegler war Träger des Deutschen Kreuz i.G. und in seiner militärischen Laufbahn u.a. Kommandeur der 48. und 245. Infanterie-Division sowie Kommandeur der Division "Woldenberg" und bis zu seiner Verhaftung Kampfkommandant der Stadt Landsberg/Warthe.

    Dies ist eine (vorerst noch nicht vollständige) Abschrift des o.g. Feldurteils, welche im Buch "...kann nur der Tod die gerechte Sühne sein!" Todesurteile deutscher Wehrmachtsgerichte - Eine Dokumentation veröffentlicht wurde.

    Da in diesem Urteil unter anderem auch die Kämpfe im Raum Landsberg/Warthe Ende Januar 1945 aus Sicht der Führung dargestellt werden, kann vielleicht der eine oder andere einige Informationen aus diesem Urteil verwenden. Wenn es mit der Formatierung hier im Forum klappt, folgt die Fortsetzung bei nächster Gelegenheit - bei Interesse stelle ich auch noch die im Anhang des Buches verzeichneten Paragraphen der im Urteilstext genannten Gesetzestexte dazu ein ;)
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    Reichskriegsgericht 14 Abdrucke
    StPL. 3.Sen. 9/45
    RKA. III 62/45

    Feldurteil.
    Im Namen des Deutschen Volkes!


    In der Strafsache gegen den Generalmajor Gerhard K e g l e r , zuletzt Kdr. Div. „Woldenberg“, wegen Übergabe an den Feind, hat das Reichskriegsgericht, 3. Senat, auf Grund der am 11. und 12. Februar 1945 durchgeführten Hauptverhandlung in der Sitzung vom 12. Februar 1945, an der teilgenommen haben

    als Richter:

    Generalstabsrichter beim Reichskriegsgericht
    Dr. Schmauser, Senatspräsident,
    Generalleutnant Angerstein,
    Generalmajor Westhoff, Inspekteur des Kriegsgefangenenwesens,
    Oberst Böckel,
    Oberfeldrichter Zeitler,

    als Vertreter der Anklage:

    Generalstabsrichter Dr. Kraell, Oberreichskriegsanwalt,
    Oberstrichter Dr. Frhr. von Dörnberg,

    als Urkundsbeamter:

    Reichskriegsgerichtsoberinspektor Mohr,

    für Recht erkannt:

    Der Angeklagte Generalmajor Kegler wird wegen Pflichtverletzung im Feld zum Tod, zum Verlust der Wehrwürdigkeit und zum dauernden Verlust der Ehrenrechte verurteilt.

    Von Rechts wegen.

    Gründe.


    Der Angeklagte war als Kdr. der Div. „Woldenberg“ am 30.1.1945 zum Kampfkdtn. von Landsberg/Warthe bestellt worden. Noch am selben Tag hat er die Stadt den Bolschewisten ohne wirksamen Widerstand überlassen.
    Die Anklageverfügung vom 11.2.1945 legt ihm ein Verbrechen der Übergabe an den Feind i.S. von § 63 Abs. 1 Nr. 2 MStGB. zur Last.

    Die noch am 11.2.1945 durchgeführte Hauptverhandlung hat folgendes ergeben:

    II.) Zur Person des Angeklagten

    1.) Der Angeklagte wurde am 26.1.1898 in Grünewald, Kreis Neustettin, als Sohn eines Pfarrers geboren. 1908 trat er in die Kadettenanstalt ein. Im Frühjahr 1917 kam er als Fähnrich zu einem Infanterie-Regiment an die Front. Im November 1917 wurde er zum Lt. befördert. Er erhielt das EK. II. und I. Klasse.

    Nach der Beendigung des Weltkrieges wurde er zunächst im Grenzschutz Ost verwendet. Aus ihm wurde er in das Hunderttausend-Mann-Heer übernommen. 1926 wurde er zum Oblt. befördert und kam zur Infanterieschule. Anschließend wurde er drei Jahre als Lehrer für Heranbildung von Unteroffizieren zu Offizieren verwendet. 1932 wurde er Hptm. Als solcher führte er bis zum Herbst 1938 eine Kompanie. Im Herbst 1938 wurde er zum Major befördert.

    2.) Im gegenwärtigen Krieg wurde er bis Januar 1940 als Btl. Kdr. im Bienwald eingesetzt. Dann wurde er als Kdr. eines Lehr-Btl. mit der Heranbildung von Kompanieführern betraut. Bei Beginn des Westfeldzugs im Mai 1940 kam er mit diesem Lehr-Btl. an die Front. Im Oktober 1940 wurde er zum Obstlt. befördert. Er machte die Kämpfe in den Kesseln von Demiansk und von Tscherkassi mit. Nach Besuch eines Lehrgangs für höhere Truppenführer wurde er Anfangs Oktober 1944 als Führer der 48. I.D. an der Mosel eingesetzt. Die Division war insbesondere an den schweren Kämpfen bei Pont â Mousson beteiligt. Im Anschluß daran übernahm er bei Reichshofen die Führung der 245. I.D. Am 1.12.1944 wurde er zum Gen. Maj. befördert.

    Nach der Auflösung seiner Division wurde ihm am 28.1.1945 die Führung der Div. „Woldenberg“ übertragen.

    3.) An Auszeichnungen erhielt der Angeklagte in diesem Krieg die Spangen zu den beiden Eisernen Kreuzen, das deutsche Kreuz in Gold und die goldene Ehren-Blattspange.

    4.) Dienstliche Beurteilungen oder ähnliche Äußerungen von Vorgesetzten über den Angeklagten liegen nicht vor.

    Der Angeklagte ist gerichtlich und disziplinar nicht bestraft.

    5.) Seit 1933 ist er verheiratet. Er hat vier Kinder im Alter von 10 bis zu einem halben Jahr.

    Am 5.2.1945 wurde er in der vorliegenden Sache festgenommen.

    III.) Der Sachverhalt

    1.) Nachdem die von dem Angeklagten bis dahin geführte 245. I.D. aufgelöst worden war, beantragte der Kde. Gen. beim Heerespersonalamt, dem Angeklagten Erholungsurlaub von sechs Wochen zu gewähren. Der Angeklagte fühlte sich, wie er angibt, schon seit etwa einem Jahr nicht mehr frisch und leistungsfähig. Er sei körperlich wie geistig sehr rasch und außergewöhnlich stark ermüdet. Auch habe er unter seelischen Spannungen gelitten. Durch den anhaltenden Fronteinsatz und durch die Erlebnisse an der Front seien seine Kräfte erschöpft gewesen.

    Entsprechend dem Antrag des Kdn. Gen. bewilligte das Heerespersonalamt einen sechswöchigen Erholungsurlaub. Der Angeklagte brauchte sich zuvor ärztlich nicht untersuchen zu lassen. Er wollte sich auch während seines Urlaubs keiner Kurbehandlung unterziehen. Vielmehr glaubte er, sich bei seiner im Warthegau auf dem Land lebenden Familie am besten erholen zu können. Kurz nach seinem Eintreffen mußte seine Familie jedoch wegen des Vordringens der Bolschewisten flüchten. Noch während ihres Umzugs teilte ihm das Heerespersonalamt fernmündlich mit, daß er wieder die Führung einer Division übernehmen solle. Der Angeklagte wies nicht darauf hin, daß er sich dazu noch nicht im Stande fühle. Er trat am 26.1.1945, d. i. bereits am zwölften Tag seines Urlaubs, die Reise an die Front an. Seine Familie mußte er sich selbst überlassen. Wohin sie kam, konnte er zunächst nicht erfahren.

    Bei seiner Abberufung aus dem Urlaub fühlte sich der Angeklagte noch keineswegs frisch. Er hoffte jedoch, „daß es schon gehen werde“. Außerdem hielt er es nicht mit dem Ehrenstandpunkt eines Offiziers für vereinbar, sich einer Aufgabe mit der Begründung zu entziehen, daß man sich nicht für voll leistungsfähig ansehe. Er habe daher auch bewußt nicht darauf hingewiesen, daß und wie erschöpft er gewesen sei.

    2.) Zunächst sollte der Angeklagte Kdt. von Thorn werden. Da er nicht mehr bis dorthin durchkommen konnte, wurde ihm die Führung der Div. „Woldenberg“ übertragen. Diese Div. Unterstand dem Korps des SS-O.Gru.Fü. von dem Bache. Sie gehörte zum AOK 9 (Gen. d. Inf. Busse).

    Die Division führte zwar den Namen einer solchen. Sie erfüllte ihre Voraussetzungen jedoch nur in sehr beschränktem Umfang. Sie war erst 8 bis 10 Tage vorher aus den Ersatzeinheiten des Gebiets Woldenberg aufgestellt worden. Ia war der als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommene Maj. Weiser. Weiser ist offensichtlich ein erfahrener und bewährter Truppen- und Frontoffizier. Er hat auch in der Hauptverhandlung einen sehr günstigen, vor allem einen bestimmten und klaren, Eindruck gemacht. Er war jedoch nicht als Generalstabsoffizier ausgebildet. Vor seiner erst etwa acht Tage vorher erfolgten Bestellung zum Ia der Div. „Woldenberg“ hatte er nie etwas mit Truppenführung zu tun gehabt. Der Adjudant, ein Oblt., konnte sich wegen einer schweren Fußverletzung nur schwer bewegen. Ordonnanzoffizier war ein Oblt. Die Ib Staffel bestand aus einem Major, einem Oberinspektor und einem Mann als dem Fahrer des einzigen, der Staffel zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeugs. Der Unterstab setzte sich aus etwa 8-10 Uffz. und Mannschaften zusammen.

    An Einheiten gehörten zur Division zwei Inf.Rgtr. mit je etwa 400 Mann aller Altersstufen und Tauglichkeitsgrade. Ein erheblicher Teil war nur arbeitsverwendungsfähig. Kdre. dieser Regimenter waren zwei ältere Offiziere des Beurlaubtenstandes, der als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommene Obstlt. Jenssen und der einige Tage nach den hier zu erörternden Vorkommnissen gefallene Obstlt. Freitag. Der Kampfwert der Truppe war schon von Anfang an äußerst gering.

    An schweren Waffen war ursprünglich eine Batterie l.F.H. zugeteilt gewesen. Sie war aber aus den – hier noch zu erwähnenden – Kämpfen am Friedeberg nicht zurückgekehrt. Weiter waren vier 8,8cm Beute-Flak-Geschütze, zwei 7,5cm Pakgeschütze, drei Tiger und zwei Hetzer vorhanden. An Panzer-Nahbekämpfungsmitteln standen Panzerfäuste zur Verfügung.

    Besonders mißlich war es, daß bei Friedeberg auch das gesamte Nachrichtengerät des Divisionsstabs (einschließlich Fernsprecher und Kabel) verloren gegangen war. Die Division war daher – neben Meldern – ausschließlich auf das Netz der Reichspost angewiesen.

    3.) Der Angeklagte traf die Division am 28.1.1945 in Woldenberg an. Am 29.1.1945 mittags übernahm er ihre Führung in Friedeberg, wohin sie sich inzwischen zurückgezogen hatte. Noch am selben Tag griff der Feind mit etwa 40 bis 50 Panzern an. Friedeberg ging verloren, die Division wurde zersprengt. Die zersprengten Teile zogen sich ohne Verbindung unter sich und mit dem Div. Stab in Richtung Landsberg/Warthe zurück.

    4.) a.) Am 29.1.1945 etwa gegen 22 Uhr traf der Angeklagte mit seinem Stab in Landsberg ein. Er richtete seinen Gefechtsstand zunächst in der (nach Karte ausgesuchten) etwa 3-4 km nordöstlich des des Stadtkerns liegenden Provinzial-Landesanstalt ein.

    Nach der Ankunft schlief er etwa 1-2 Stunden.

    Gegen 3 Uhr nachts begab er sich mit dem Ia zu der in der Mitte der Stadt untergebrachten Kreisleitung. In dieser war eine große Zahl von Personen anwesend. Es wurde viel über die Lage, über die Aussichten einer Verteidigung von Landsberg, einer etwaigen Räumung der Stadt von der Bevölkerung u. dgl. m. gesprochen. Der Angeklagte äußerte sich dahin, daß Landsberg wohl nicht lange zu halten sein werde. Die Besprechung dauerte vier Stunden oder sogar länger. Der Angeklagte kann diese – vor allem angesichts seiner Aufgabe – auffallend lange Zeit nur damit erklären, daß von sehr Vielen und sehr viel geredet worden sei.

    b.) Etwa um 7 Uhr früh ging der Angeklagte von der Kreisleitung ins Bahnhof-Hotel, um sich zu waschen und zu frühstücken. Er hatte vor, dorthin auch seinen Gefechtsstand zu verlegen, da die Provinzial-Landesanstalt zu ungünstig lag. Er gab diese Absicht aber wieder auf, da das Hotel von Flüchtlingen überfüllt war. Der Ia richtete daher den Gefechtsstand schließlich am Westausgang der Stadt in der Küstriner Straße ein.

    c.) Während dieser Zeit begab sich der Angeklagte in den in der Stranz-Kaserne befindlichen Gefechtsstand des Kampfkdtn. von Landsberg, des Hptm- Kurze. Er traf nur den Adj. an. Er ließ sich von ihm über die dem Kampf-Kdtn. zur Verfügung stehenden Truppen unterrichten. Er erfuhr, daß zur Verteidigung zwei Btl. (Wehrmacht) zu je etwa 400 Mann, und zwar rings um Landsberg herum in einer Entfernung von durchschnittlich 3 km, eingesetzt seien. Bei Stolzenberg (n. o. Landsberg) sei die Verteidigungslinie etwa 15 km von der Stadt entfernt. Die Masse der Truppen befindet sich am Ostrand der Stadt. Im Westen seien nur Postierungen.

    Am Ende der Besprechungen stellte der Angeklagte in Aussicht, daß er die Verteidigungsstellungen durch Teile seiner Division verstärken werde.

    d.) Er befahl zunächst dem bereits erwähnten Kdr. eines seiner beiden Inf.Rgtr., Obstlt. Jenssen, einen Auffangstab zu bilden, um die von Friedeberg her zurückgehenden versprengten Teile der Division wieder zu sammeln. Jenssen solle je etwa 80 Mann zu einer Ko. zusammenstellen. Die Aufstellung einer solchen Ko. habe er ihm sofort persönlich zu melden.

    Obstlt. Jenssen richtete sich in der Stranz-Kaserne ein. Er baute in ihr und in der benachbarten Walter Flex-Kaserne unter Hilfe von etwa 5-6 Offizieren Auffangstellen ein. Eigene Mannschaften zum Auffangen wurden ihm nicht zugeteilt. Er setzte sich daher mit dem Streifendienst und mit der Feldgendarmerie in Verbindung.

    Noch im Laufe des Vormittags meldete Jenssen, daß er die erste versprengte Kompanie aufgestellt habe. Der Angeklagte setzte sie in Richtung gegen Stolzenberg ein. Dorthin schickte er auch die Tiger. Von der Bildung einer Eingreif-Reserve sah er ab. Er nahm eine solche nach seiner Angabe erst für später in Aussicht.

    5.)a.) Um die Mittagszeit rief der Angeklagte vom Gefechtsstand beim AOK 9 an. Er meldete, daß er in Landsberg eingetroffen sei und bat um Weisungen. Er regte an, ihn wieder dem Korps des SS-O.Gru.Fü. von dem Bache zuzuteilen. Der das Gespräch abnehmende Offizier erklärte ihm jedoch, daß das nicht möglich sei. Wahrscheinlich werde der Angeklagte Kampf-Kdtn. von Landsberg werden. Der Angeklagte regte an, doch den bisherigen Kampfkommandanten zu belassen. Dieser kenne die Verhältnisse besser als er und habe schon seine Maßnahmen getroffen. Man möge ihn doch nicht in letzter Minute einsetzen.

    Dieses Gespräch wurde entweder von dem Oberbefehlshaber selbst oder von dem Chef des Stabes mitangehört. Auf deren Weisung übermittelte der Offizier nunmehr dem Angeklagten förmlich den Befehl, die Aufgaben eines Kampf-Kdtn. von Landsberg zu übernehmen.

    Der Angeklagte war sich, wie er selbst angibt, von Anfang an darüber klar, daß die Ernennung zum Kampf-Kdtn. den Befehl in sich schloß, die Stadt mit allen Mitteln zu halten.

    Von seinem Ferngespräch mit der Armee und von deren Weisung teilte er seinem Ia nichts mit.

  • b.) Kurz vor 15 Uhr rief der Angeklagte den Adj. des bisherigen Kampf-Kdtn., des Hptm. Kurze, an. Er verlangte, daß dieser sofort herbei geholt werde. Das war jedoch nicht möglich, da sich Hptm. Kurze im Gelände befand.

    Auch zu dem Adj. des bisherigen Kampf-Kdtn. erwähnte der Angeklagte nichts davon, daß das AOK 9 inzwischen ihn selbst zum Kampf-Kdtn. bestellt habe.

    c.) Zwischen 15 und 16 Uhr begab er sich zusammen mit dem Ia in die Stranz-Kaserne. Er suchte zunächst den Auffangstab auf, um sich bei Obstlt. Jenssen zu erkundigen.

    Gegen 16 Uhr kam Hptm. Kurze. Der Angeklagte teilte ihm mit, daß er selbst zum Kampf-Kdtn. von Landsberg bestellt worden sei. Er ließ sich von Hptm. Kurze noch einmal Stärke und Einsatz seiner Kräfte sowie den Verteidigungsplan erläutern. Dabei erfuhr er u.a., daß der Volkssturm, soweit er überhaupt bewaffnet war, dem bisherigen Kampf-Kdtn. Nicht unterstellt war und von einem eigenen Leiter, Hptm. Struve (?), geführt werde. Hptm. Kurze erwähnte ferner, daß er in Aussicht genommen habe, seine Kräfte für den Fall, daß sie sich vor Landsberg nicht halten könnten, in die Stranz-Kaserne gleichsam als Zitadelle und letztes Bollwerk zurückzunehmen. Der Angeklagte erklärte das für unzweckmäßig. Die Kaserne liege zu weit abseits. Es müßten daher in Landsberg selbst an den Kreuzungen der nach Westen führenden Hauptstraße Widerstandsnester angelegt werden, um den Feind aufzuhalten. Auch außerhalb Landsberg müßten solche Widerstandsnester gebildet werden, falls die Besatzung aus Landsberg geworfen werde. Kurze dürfe aber über die Bildung solcher Widerstandsnester nicht sprechen. Er dürfe vorerst auch mit seinen Offizieren nicht reden, um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen. Die Stadt müsse vielmehr mit allen Mitteln gehalten werden. Ein Ausweichen gebe es nicht.

    Im Laufe dieser Besprechung meldete Hptm. Kurze, daß der Feind inzwischen die Ortschaften Stolzenberg (9km n.o. v. Landsberg) und Lorenzdorf (4km n.o. v. Landsberg) genommen habe. In Lorenzdorf seien die Ungarn, die sich bei seinen Truppen befunden hätten, zu den Bolschewisten übergelaufen.

    d.) Erst aus dieser Besprechung mit Hptm. Kurze erfuhr der Ia der Division, daß der Angeklagte zum Kampf-Kdtn. von Landsberg bestellt worden war.

    6.) Im Anschluß an die Besprechung mit Hptm. Kurze übertrug der Angeklagte dem Obstlt. Freitag den Westabschnitt von Landsberg zur Verteidigung. Er stellte ihm eine der beim Auffangsstab neu gebildeten Kompanien zur Verfügung. Eine weitere Kompanie teilte er dem Wehrbezirks-Kdr. Von Landsberg, Obst. Krüger, zu, der sich ihm von sich aus zur verfügung gestellt hatte. Er befahl ihm, im Südabschnitt entlang der Warthe eine Verteidigungsstellung aufzubauen. Auch gegenüber Obst. Krüger und Obstlt. Freitag erklärte er, daß Landsberg mit allen Mitteln verteidigt werden müsse. Auch eine Einschließung müsse in Kauf genommen werden, falls der Feind auch von Westen her angreife.
    Schließlich ordnete er an, daß der Divisionsarzt von der Ib Staffel in Vietz nach Landsberg zurückzukehren und in Landsberg einen Verbandsplatz einzurichten habe.

    7.) Etwa um 18 Uhr ging der Angeklagte auf seinen Gefechtsstand zurück. Dort befahl er einem Pionieroffizier, die beiden Brücken über die Warthe im Süden der Stadt sofort zu sprengen. Dieser Befehl wurde um 18.30 Uhr ausgeführt.

    Auf dem Weg zum Gefechtsstand hatte der Angeklagte keinen Gefechtslärm gehört. Er sah nur, daß es in Lorenzdorf brannte.

    8.) Gegen 19 Uhr kam ein Offizier des AOK 9 zum Gefechtsstand des Angeklagten. In Abwesenheit des Ia teilte er ihm noch einmal mit, daß der Angeklagte zum Kampf-Kdtn. von Landsberg ernannt sei. Er fragte ihn, wie er seine Kräfte eingesetzt habe, was für Nachrichten er habe und welche Anforderungen er vorbringen wolle. Der Angeklagte wies darauf hin, daß die Munition knapp zu werden beginne. Er bat um ausreichend Nachschub.

    9.) Während der Angeklagte noch mit dem Verbindungsofizier des AOK 9 sprach, kam der Ia mit Obstlt. Jenssen herein. Er meldete, daß das südliche Btl. im Osten der Stadt von den Bolschewisten überrannt worden sei und daß die Truppen Landsberg räumten.

    Diese Nachricht von dem Durchbruch des Feindes hatte Jenssen zwischen 18.30 Uhr und 19.00 Uhr von Hptm. Kurze in der Stranz-Kaserne persönlich erhalten. Kurze hatte hinzugefügt, daß der Norden und Westen noch hielten.

    Etwa eine Viertelstunde später war Jenssen ferner von einem in der benachbarten Walter-Flex-Kaserne liegenden Lt. angerufen worden. Dieser teilte ihm mit, es sei befohlen worden, die Kasernen zu räumen. Die Einheiten sollen in Richtung Küstrin in Marsch gesetzt werden. Auf die Frage Jenssens, wer das befohlen habe, erwiderte der Lt. nur, daß das der „Adjudant“ getan habe. Um den Adjudanten welcher Einheit es sich handelte oder wie dieser Adj. hieß, fragte Jenssen nicht. Er befahl vielmehr seiinem Auffangsstab sofort, sich ebenfalls fertig zu machen. Obwohl er Fernsprechverbindung mit dem Div.-Gefechtsstand hatte, erkundigte er sich auch nicht, ob der Befehl zu Recht bestehe. Er fuhr vielmehr mit seinen Offizieren usw. und mit allen seinen Fahrzeugen unmittelbar zum Div.-Gefechtsstand des Angeklagten. Bei seiner Abfahrt war in der Kaserne alles in Bewegung. Auf dem Weg zum Div.-Gefechtsstand überholte er verschiedene im Abrücken begriffene Einheiten.

    Daß der Angeklagte zum Kampf-Kdtn. von Landsberg bestellt worden war, hatte Jenssen allerdings nicht erfahren. Er hielt vielmehr noch Hptm. Kurze für den Kampf-Kdtn. Erglaubte auch, daß der Räumungsbefehl von ihm ausgegangen sei.
    10.) Auf Grund der Meldungen des Obstlts. Jenssen wollte sich der Ia mit dem Hptm. Kurze ins Benehmen setzen. Er erhielt aber keine Verbindung mehr zur Kaserne. Da nur geringer Gefechtslärm, und zwar nur Infanteriefeuer und einige Panzerschüsse, zu hören war, wollte er ferner durch einen Offizier die Lage klären lassen. Der Angeklagte erklärte das jedoch nicht mehr für notwendig. Er betrachtete es als seine vordringlichste Aufgabe, die abmarschierenden Kolonnen wieder zum Stehen zu bringen und zurückzuführen. Er befahl daher, daß sich sein Stab fertig zu machen habe . Er wollte die Kolonnen bis zu ihrem Kopf überholen, sie anhalten und sie dann wieder nach Landsberg zurückführen.

    In Ausführung dieses Entschlusses löste er sofort seinen ganzen Gefechtsstand auf. Er ließ auch keinen Meldekopf zurück. Dem Obstlt. Jenssen befahl er, sich mit allen seinen Fahrzeugen ihm anzuschließen. Die Kde. und Führer der in und um Landsberg eingesetzten Einheiten verständigte er nicht davon, daß er abrücke. Zu den Tigern hatte er keine Verbindung.

    11.) Der Angeklagte fuhr mit seinem Stab bis Düringshof (15km westl. von Landsberg). Dort hielt er an. Die Fahrzeuge des Stabs und Obstlt. Jenssen mit seinem Stab ließ er bis Vietz (30km westl. von Landsberg) weiterfahren. Schon unterwegs hatten er und der Ia wiederholt Fahrzeuge angehalten. Er selbst holte, z.T. mit Gewalt, die aufgesessenen Schützen herunter. In Düringshof hielt er seine Flakbatterie an, die ebenfalls bereits abrücken wollte. Die Fahrzeuge selbst schickte er nach Vietz weiter. Dem Ia befahl er, zurückzufahren und vorerst möglichst in der Nähe von Landsberg eine Verteidigungsstellung aufzubauen.

    Es gelang dem Ia auch, beiderseits Wepritz (etwa 4km westl. Landsberg) mit etwa 300 Mann eine neue Verteidigungsstellung in nordsüdlicher Richtung einzurichten. Im Laufe der Nacht kamen noch zwei weitere Kompanien dazu. Auch die Tiger wurden hier aufgefangen und eingesetzt. Als der Angeklagte von Düringshof nach Wepritz zurückkam, befahl er den Einheitsführern, die neue Verteidigungsstellung bei Wepritz zu halten.

    12.) Er selbst fuhr von Wepritz mit dem Ia wieder zurück nach Vietz, um sich mit der Armee fernmündlich in Verbindung zu setzen. Etwa um 23 Uhr meldete er dem Oberbefehlshaber, was vorgefallen war. Dieser befahl ihm, Landsberg, wie der Angeklagte sich ausdrückt, „nach Möglichkeit“ wieder zu nehmen. Der Angeklagte äusserte Bedenken, ob das bei dem geringen Kampfwert der Truppe und bei dem herrschenden Munitionsmangel noch möglich sei. Der Oberbefehlshaber machte ihm wegen der Aufgabe von Landsberg scharfe Vorhaltungen.

    13.) In Vietz traf der Angeklagte Obstlt. Jenssen und den Kdr. seines zweiten Rgts., Obstlt. Freitag, wieder an. Bei der Aussprache ergab sich, daß Obstlt. Freitag mit den ihm unterstellten Kräften schon etwa eine Stunde aus seiner Stellung vor Landsberg abgerückt war, bevor Obstlt. Jenssen dem Angeklagten gemeldet hatte, daß die Truppen aus Landsberg abrückten. Obstlt. Freitag rechtfertigte das damit, daß er von Hptm. Kurze oder dessen Adjudanten den Befehl erhalten habe, nach Küstrin zu marschieren. Tatsächlich befand er sich mit seiner Einheit bereits auf dem Weg dorthin. Der Angeklagte befahl ihm, seine Truppe sofort wieder zurückzuführen.

    Die Abteilung, die nördlich von Landsberg eingesetzt gewesen war, war nördlich der Küstriner Straße ebenfalls nach Westen abgerückt. Von wem sie den Befehl dazu erhalten hatte, konnte nicht festgestellt werden.

    -Fortsetzung folgt ;)

  • Hptm. Kurze, der vermutlich als Hauptbeteiligter in Frage kommt, konnte nicht vernommen werden, da er schwer verwundet in einem Lazarett liegt. Obstlt. Freitag ist kurz darauf bei Vietz gefallen.

    14.) Nachdem der Angeklagte nach dem Ferngespräch mit dem AOK 9 von Vietz nach Wepritz zurückgekommen war, hielt er dort eine Besprechung mit den Führern seiner Einheiten ab. Er eröffnete ihnen, daß er – entsprechend dem Befehl des Oberbefehlshabers – versuchen wolle, Landsberg wieder zu nehmen. Daraufhin erklärten ihm alle Einheitsfüherer übereinstimmend, daß das bei dem derzeitigen Zustand der Truppe völlig ausgeschlossen sei. Die Truppe sei derart übermüdet, daß ein Angriff mit ihr nicht durchzuführen sei. Sie habe auch jedes Selbstvertrauen verloren. Beim ersten Schuß laufe alles davon.

    Unter dem Eindruck dieser Schilderung gab der Angeklagte den Plan auf, wieder nach Landsberg vorzustoßen. Er unternahm auch nichts, um die Lage in Landsberg zu erkunden. Die bei Wepritz eingesetzten Einheiten hatten von sich aus Gefechtsaufklärung gegen Landsberg vorgetrieben.

    15.) Am 31.1.1945 vormittags sprach der Angeklagte einen - nicht zu seiner Division gehörenden - Offizier, der mit Resten seiner Truppe auf dem Rückweg von Osten durch Landsberg gekommen war. Dieser teilte ihm mit, daß die Bolschewisten in der Stadt sein und plünderten. Es sei ihm aber gelungen, sich mit seinen Männern unbehelligt im Süden von Landsberg „durchzuschlängeln“.

    16.) Am 31.1.1945 früh erschien erneut ein Verbindungsoffizier des AOK 9 beim Angeklagten. Dieser fragte ihn, ob der Befehl, Landsberg wieder zu nemen, noch aufrecht erhalten werde. Der Verbindungsoffizier erwiderte, daß sich nach seiner Ansicht an dem Befehl nichts geändert habe.

    17.) Am 31.1. kam es zwischen 7 und 8 Uhr früh vor Landsberg zu Gefechtsberührung mit den Bolschewisten. Im Laufe des Vormittags griffen diese wiederholt mit etwa zwei Kompanien und einigen Panzern an. Bis 11 Uhr vormittags wurden alle Angriffe abgewiesen. Dann machte sich der Munitionsmangel fühlbar.

    Um 15 Uhr nachmittags befahl die Armee, die bei Wepritz eingesetzten Einheiten nach Vietz zurückzunehmen.

    IV.) Die Verteidigung des Angeklagten

    1.) Der Angeklagte gibt diesen Sachverhalt in allen entscheidenden Punkten zu. Soweit er sich an bestimmte Einzelheiten nicht mehr erinnern kann – wie z.B. darauf, ob er am 30.1. zwischen 19 und 20 überhaupt persönlich mit Obstlt. Jenssen in seinem Gefechtsstand gesprochen habe – erscheint sein Vorbringen glaubhaft.

    2.) Der Angeklagte verteidigt sich wie folgt:

    a.) Schon vor Antritt des ihm vom Heeres-Personalamt genehmigten sechswöchigen Erholungsurlaubs sei er körperlich wie geistig völlig erschöpft gewesen. Auch seelisch habe er unter Spannungen gelitten. Im Urlaub selbst habe er sich auch körperlich nicht ausruhen können. Vor allen sei er auch durch die Flucht seiner Familie stark beansprucht worden.

    Nach seinem Eintreffen bei der Division Woldenberg hätten ihn die Kämpfe und die im Anschluß an sie entstandenen Rückzugserscheinungen bei der Truppe stark mitgenommen. Er habe daher von vornherein nicht genügend Spannkraft besessen, um in letzter Minute die schwere Aufgabe eines Kampf-Kdtn. von Landsberg zu übernehmen.

    Im Gegensatz zu Schneidemühl, Thorn oder dgl. sei für die Verteidigung der Stadt nichts vorbereitet gewesen. Das habe seine Aufgabe besonders erschwert. Die in und um die Stadt bereits eingesetzt gewesenen Einheiten seien wenig zuvelässig gewesen. So seien z.B. die vor Stolzenberg stehenden Ungarn sofort übergelaufen. Aber auch die deutschen Teile hätten im Gefecht nicht Stand gehalten.

    Seine eigene Division habe nur ganz geringen Kampfwert gehabt. Durch die Kämpfe der vorhergehenden Tage sei sie übermüdet und stark mitgenommen gewesen. Gegenüber der feindlichen Übermacht habe sie jedes Selbstvertrauen verloren gehabt. Wenn sie erst ins Zurückgehen gekommen sei, habe sie überhaupt nichts mehr gehalten.

    Für ihn selbst sei die Führung noch dadurch erschwert worden, daß die Division bei Friedeberg alle Nachrichtenmittel verloren habe.

    b.) Er selbst sei erst so spät zum Kampf-Kdtn. von Landsberg bestellt worden, daß er, von seinem persönlichen Zustand ganz abgesehen, schon wegen der Kürze der Zeit keine umfassenden Maßnahmen zur Verteidigung mehr habe treffen können. Durchgreifende Anordnungen gegenüber den Plänen seines Vorgängers hätten höchstens Unruhe und Unsicherheit in die Einheiten und ihre Führung getragen. Vor allem aus diesem Grund habe er auch davon abgesehen, die Einheiten näher an die Stadt heranzuziehen und sie enger zusammenzuschließen. Das sei auch der Anlaß gewesen, warum er nicht selbst ins Gelände gefahren sei.

    Er habe aber die verteidigung da verstärkt, wo er es für notwendig gehalten habe und wo es ihm möglich gewesen sei. Er habe die von Obstlt. Jenssen aufgestellten und zersprengten Kompanien sofort wieder nach vorne geschickt. Seine Panzer habe er da eingesetzt wo er den Angriff für am wahrscheinlichsten gehalten habe, nämlich vor Stolzenberg. Für die Stadt selbst und westwärts von ihr habe er die Bildung von Widerstandsnestern an den wichtigsten Straßenkreuzungen angeordnet. Er habe die Brücken sprengen lassen. Die Kdre. Seiner Einheiten habe er ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Landsberg mit allen Mitteln gehalten werden müsse, auch auf die Gefahr einer Einschließung hin.

    c.) Der Befehl zur Räumung der Stadt und zur Zurücknahme der Einheiten sei nicht von ihm ausgegangen. Er könne sich auch nicht erklären, wie es zu diesem Befehl und zu seiner Durchführung gekommen sei. Er habe nichts gegen diesen angeblichen Befehl unternommen, da die Räumung ja doch nicht mehr hätte aufgehalten werden können.

    Dieser Befehl von unbekannter Seite sei auch persönlich für ihn zum Verhängnis geworden.

    d.) Durch die Meldungen, daß die Einheiten bereits abrückten und daß der Feind das südlich am Ostrand der Stadt eingesetzte Btl. überrannt habe, sei er völlig überrascht worden. Beide Meldungen seien ihm aus vertrauenswürdiger Quelle, nämlich durch Hptm. Kurze über Obstlt. Jenssen, zugegangen. Nach seiner Kenntnis hätten sie alle Wahrscheinlichkeit für ihre Richtigkeit für sich gehabt. Er habe sie daher ohne weiteres als richtig unterstellt. Spähtrupps oder dgl. habe er deswegen nicht vorgeschickt, weil sie in der Dunkelheit und in der unbekanten Stadt ja doch nur dem Feind in die Hände gefallen wären.

    Er habe geglaubt, die Lage nur dadurch retten zu können, daß er bis zur Spitze der zurückflutenden Kolonnen zurückfahre und diese dort aufhalte. Wenn er versucht hätte, die Kolonnen in der Stadt selbst zum Stillstand zu bringen, so hätte das nur zu einer heillosen Verstopfung geführt. Bei einer Beschießung durch den Feind wäre dann unermeßlicher Schaden angerichtet worden.

    e.) Er habe nie daran gedacht, Landsberg endgültig zu verlassen oder gar aufzugeben. Das gehe schon daraus hervor, daß er beabsichtigt habe, in der Stadt einen Luftlandeplatz einzurichten. Nach dem Auffangen der Kolonnen habe er vielmehr sofort wieder zurückkehren und die Verteidigung übernehmen wollen. Er habe es für zwecklos gehalten, seinen Stab und Obstlt. Jenssen mit seinen Offizieren dort zurückzuhalten.

    Daß es ihm nicht mehr gelungen sei, nach Landsberg zurückzukehren, sei nur an den Verhältnissen gelegen. Diese seien stärker gewesen als er. Noch am 31.1. hätten ihm alle Einheitsführer versichert, daß es völlig ausgeschlossen sei, die Truppe wieder nach vorne zu bringen. Sie bräuchten mindestens zwei bis drei tage, um sie erst wieder halbwegs zu Soldaten zu machen.

    f.) Heute sehe er ein, daß er in verschiedenen Punkten hätte anders handeln sollen. Damals sei ihm das in seiner völligen Erschöpfung jedoch nicht zu Bewußtsein gekommen. Er habe vielmehr geglaubt, das Beste zu tun.

    V.) Beurteilung

    A.) Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten.

    1.) a.) Angesichts der Hinweise des Angeklagten auf seinen körperlichen und geistigen Zustand am 30. und 31.1.1945 ist zunächst die Frage zu prüfen, ob der Angeklagte für sein Verhalten strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, sei es überhaupt, sei es in vollem Maß.

    Auch wenn keine anderen Unterlagen als die Angaben des Angeklagten selbst zur verfügung stehen, so ist der Senat doch davon überzeugt, daß der Angeklagte tatsächlich in hohem Grad verbraucht und erschöpft war. Seine Schilderungen nach dieser Richtung sind persönlich wie sachlich voll glaubwürdig. Im Übrigen spricht schon die Tatsache, daß er Ende Januar 1945 einen sechswöchigen Erholungsurlaub bewilligt erhalten hat, für die Richtigkeit seiner Darstellung.

    b.) Es steht außer Frage, daß schwere körperliche, geistige oder seelische Überbeanspruchungen zu Erscöpfungszuständen führen können, die bis in den Bereich von Bewußtseinsstörungen reichen und den Betroffenen unfähig machen, Recht und Unrecht zu unterscheiden und (oder) nach dieser Einsicht zu handeln, oder, welche die Fähigkeit dies zu tun, wenigstens erheblich vermindrn (§ 51 StGB).

    2.) Der Senat ist aber der Auffassung, daß sich der Angeklagte nicht in einem derartigen, in das gebiet des Krankhaften übergreifenden Zustand befunden habe. Der Angeklagte hatte immerhin fast zwei Wochen Urlaub hinter sich, in denen er nicht eingesetzt gewesen war. An den Kämpfen der Div. Woldenberg hatte er nur knapp zwei Tage teilgenommen. In den beiden hier in Frage stehenden Tagen und Nächten, also am 30. und 31.1.1945, hatte er, wenn auch nur kurz, schlafen können. Seine Tätigkeit am 30.1.1945 bestand zum erheblichen Teil nur in langen, z.T. überlangen, Gesprächen. Weder Obstlt. Jenssen, der ihn allerdings nur kürzer sprach, noch vor allem der Ia, der ständig mit ihm zusammen war, haben etwas außergewöhnliches an ihm beobachtet.

    3.) Der Senat hält daher den Angeklagten für voll verantwortlich im Rahmen der allgemeinen Strafgesetze.

    B.) Zur Sache.

    1.) Wie bereits am Eingang dieses Urteils erwähnt, legt die Anklage dem Angeklagten zur Last, daß er den ihm anvertrauten Posten, d. i. die Stadt Landsberg, verlassen hat, ohne daß er zuvor die ihm zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel erschöpft hatte.

    Es ist in der Tat nicht zu bestreiten, daß verschiedene Umstände und Anhaltspunkte eine solche Annahme durchaus nahe legen. Zu ihnen gehört vor allem die Tatsache, daß der Angeklagte am 30.1.1945 gegen 20 Uhr seinen ganzen Gefechtsstand aufgelöst und daß er mit seinem gesamten Stab sowie mit Obstlt. Jenssen und den 5-6 Offizieren Jenssens Landsberg verlassen hat, ohne auch nur einen Meldekopf zurückzulassen.

    Der Angeklagte versichert aber, daß er von Anfang an die Absicht gehabt habe, nach Auffangen der zurückflutenden Teile seiner Division und nach Aufbau einer festen Widerstandsstellung wieder in die Stadt selbst zurückzukehren. An der Verwirklichung dieser Absicht sei er nur durch die äußeren Umstände gehindert worden. Diese Versicherung ist, wie alles, was der Angeklagte vorbringt, persönlich glaubwürdig. Zum mindesten ist sie nicht zu widerlegen.

    Der Senat hält daher ein Verbrechen der Übergabe an den Feind i.S. des § 63 Abs. 1 Nr. 2 MStGB nicht für erwiesen.

    2.) Dagegen ist der Senat der Auffassung, daß der Angeklagte in sonstiger Beziehung nicht alles getan hat, um seine Aufgabe zu erfüllen, Landsberg mit allen Mitteln zu halten.

    Für den Entscheid nach dieser Richtung steht allerdings nicht in Frage, ob seine Anordnungen, vor allem seine Unterlassungen, rein führungsmäßig gesehen richtig oder unrichtig waren. Noch weniger ist zuprüfen, ob sie zweckmäßig waren oder nicht. Vielmehr handelt es sich nur darum, ob der Angeklagte seine soldatische Pflicht verletzt hat.

    Der Senat bejaht das vor allem in folgenden vier Hauptpunkten:

    a.) Schon nachdem der Angeklagte als Div. Kdr. in Landsberg eingetroffen, erst recht aber, nachdem er zum Kampf-Kdtn. der Stadt bestellt worden war, hätte er sich unverzüglich an Ort und Stelle davon überzeugen müssen, was zur Verteidigung der Stadt vorbereitet war und was und wo es noch etwas zu ändern oder zu ergänzen gab. Es ist nicht richtig, daß solche Maßnahmen "in letzter Minute" nur "Unruhe und Unsicherheit in die Truppe gebracht hätten". Sie waren vielmehr im Gegenteil die Grundlage dafür, daß er seine Aufgabe richtig und wirksam erfüllen konnte. Der Angeklagte hätte ferner, und zwar ebenfalls an Ort und Stelle, Fühlung mit den Kdrn. und Führern seiner Einheiten aufnehmen müssen. Vor allem hätte er eindrücklich darauf hinweisen müssen, daß er die Kampfführung übertragen bekommen habe, daß es "kein Ausweichen gebe" und daß die Stadt unbedingt gehalten werden müsse. Zu solchen Hinweisen wäre um so mehr Anlaß gewesen, als gerade er selbst zur Genüge beobachtet hatte, daß die Truppe nicht mehr hielt und der Aufmunterung und Stütze von oben bedurfte. Wäre der Angeklagte, statt sich in der Stadt fern von den Vorgängen aufzuhalten, in dieser Weise vorgegangen, so wäre es auch nicht möglich gewesen, daß auf irgend einen ungeklärten Befehl hin Einheiten und Besatzung am späten Nachmittag des 30.Januar begannen, sich z.T. Dutzende von Kilometern nach Westen (Küstrin!) hin absetzen zu wollen.

    Nichts von alle dem hat der Angeklagte getan. Er hat seine Zeit in der Stadt mit Besprechungen verzettelt, bei denen nichts wirklich Wirksames herauskommen konnte. Er hat nicht einmal sichergestellt, daß die Nachrichtenverbindung von seinem Gefechtsstand zu den Einheiten usw. gewährleistet wurde. Befehle nach dieser Richtung wären aber um so notwendiger gewesen, als er weder Fernsprecher noch Funkgerät besaß. Sogar sein eigener Adjudant hat erst am späten Nachmittag und erst aus der besprechung des Angeklagten mit Hptm. Kurze in der Stranz-Kaserne erfahren, daß sein Div. Kdr. zum Kampf-Kdtn. von Landsberg bestellt worden war. Diese Versäumnisse gehen über bloße Führungsfehler hinaus. Sie belasten den Angeklagten als pflichtwidrige Unterlassungen, die auch strafrechtlich zu bewerten sind.

    b.) Aus der durch Obstlt. Jenssen mitgeteilten Meldung des Hptm. Kurze hatte der Angeklagte am 30.1.1945 gegen 19 Uhr erfahren, daß nach einem, von irgend einem "Adjudanten" übermittelten Befehl die Besatzung in der Stadt begonnen hatte, ihre Stellung zu räumen. Es war zunächst nebensächlich, wer diesen Befehl ausgegeben hatte und wie er entstanden war. Dies konnte später geklärt werden.

    Der Angeklagte wußte aber, daß nur er berechtigt war, die Absetzung von Landsberg oder die Räumung der Stadt zu befehlen. Er wußte natürlich erst recht, daß nicht er das befohlen hatte und daß eine solche Räumung auch seine Aufgabe und seine Absicht vereiteln mußte, Landsberg zu halten. Wenn er schon aus irgend welchen Gründen nicht selbst nach vorne fahren wollte oder konnte, um einzugreifen, so mußte er zum mindesten Offiziere usw. in die Stadt und nach vorne schicken, um den dort eingesetzten Einheiten mit allem Nachdruck klar zu machen, daß der Befehl nicht zu Recht bestehe, sondern daß Stellungen und Stadt bis zu einem Gegenbefehl durch ihn selbst unbedingt zu halten seien. Neben seinem Ia und den beiden Offizieren seines eigenen Stabes standen ihm dazu Obstlt. Jenssen und dessen fünf oder sechs Offiziere sofort zur Verfügung. Er kann sich auch nicht darauf berufen, daß es für ein solches Eingreifen zu spät gewesen sei, da die Einheiten z.T. bereits abgerückt gewesen, z.T. im Abrücken begriffen gewesen seien. Das ist eine bloße Vermutung, die er keinesfalls zur Grundlage seines Entschlusses machen durfte. Es ist sogar mit erheblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß ein Teil der Truppen zum mindesten noch in Landsberg selbst zu erreichen war und angehalten werden konnte.

    Die Tatsache, daß er statt dessen die Durchführung der Räumung tatenlos weiter ablaufen ließ, ist eine weitere pflichtwidrige schwere Unterlassung. Denn sie gefährdete die Erfüllung seiner Aufgaben als Kampf-Kdt.

    c.) Durch die Meldung des Obstlt. Jenssen hatte der Angeklagte weiter erfahren, daß der Feind das südlich im Osten der Stadt liegende Btl. überrannt habe. Auch diese Meldung nahm er ohne weiteres als richtig und als gegebene Tatsache hin. Er begnügte sich mit der Vermutung, daß sie "alle Wahrscheinlichkeit für ihre Richtigkeit für sich habe".

    Er tat nichts, um sich zu vergewissern, ob sie tatsächlich richtig war. Dabei wußte er als alter Frontoffizier zur Genüge, wie leicht in solchen Lagen Gerüchte entstehen. Er unternahm gleichfalls nichts, um festzustellen, wo der Feind eingebrochen war, wie weit er vorgestoßen war, wie stark er war, wie sich die eingebrochenen Kräfte zusammensetzten, wie die Lage in den Nebenabschnitten war usw usw. Dies alles aber war auch für ihn selbst ausschlaggebend. Denn nur bei einer so weit wie nur möglich sicheren und verlässigen Kenntnis der Dinge konnte er entscheiden, was er zur Erfüllung seiner Aufgaben als Kampf-Kdt. zu unternehmen hatte. Wenn er sich darauf beruft, daß er in der Dunkelheit und in der unbekannten Stadt keine Spähtrupps habe vorschicken wollen, da er sie sonst nur in die Hand des Feinds getrieben hätte, so braucht das nicht im Ernst widerlegt zu werden. Es genügt der Hinweis, daß es sich um eine deutsche Stadt und um eine deutsche Bevölkerung handelte. Ihrer Hilfe und Ortskenntnis war er in jeder Weise sicher.

    -Fortsetzung folgt- ;)

  • Statt dessen hat er auch nur jeden Versuch einer Aufklärung unterlassen, um Gegennmaßnahmen zu treffen. Er ist vielmehr mit seinem gesamten Stab und mit dem Stab des Obstlt. Jenssen abgerückt. Er hat von diesem Abrücken nicht einmal seine Einheiten in Kenntnis zu setzen versucht, sondern sie führungslos sich selbst überlassen.

    Diese Unterlassungen belasten ihn in besonderem Maß.

    d.) Der Angeklagte begründet die Auflösung seines Gefechtsstands und sein Abrücken aus Landsberg damit, daß er bis zur Spitze der zurückflutenden Kolonnen habe vorausfahren wollen. Nach seiner Erfahrung in solchen Lagen habe er darin das einzige Mittel gesehen, die Truppe überhaupt wieder zum Stehen zu bekommen.

    Es steht außer Frage, daß zum mindesten die Art und Weise, in der dieses Ziel zu erreichen versuchte, völlig verfehlt war. Sein Verhalten ist zum Teil und in bestimmten Einzelheiten geradezu unverständlich.

    Angesichts der glaubhaften Versicherungen des Angeklagten, daß er geglaubt habe, gerade durch sein persönliches Eingreifen auf die angegebene Art die Lage wiederherstellen zu können, möchte der Senat aber davon absehen, insoweit ein strafrechtlich-pflichtwidriges Verschulden des Angeklagten zu bejahen.

    Im Rahmen des Gesamtverhaltens des Angeklagten betrachtet, spielt dieser Teil des Verhaltens des Angeklagten auch nur eine untergordnete Rolle. Denn der Senat billigt dem Angeklagten, wie schon oben erwähnt, zu, daß er die Absicht hatte, nach dem Auffangen seiner Einheiten sobald wie möglich wieder in die Stadt zurückzukehren.

    e.) Anders steht es mit den Vorfällen des folgenden Vormittags.

    Der Angeklagte hatte durch den Oberbefehlshaber der Armee persönlich den Befehl erhalten, Landsberg wieder zu nehmen. Ob dieser Befehl dahin ging, Landsberg "nach Möglichkeit" wieder in seine Hand zu bekommen, wie er selbst behauptet, oder ob der Oberbefehlshaber gefordert hatte, dies "mit allen Mitteln" zu tun, wie der Ia in der Hauptverhandlung bekundet hat, ist belanglos und kommt auf das Gleiche hinaus.

    Denn in jedem dieser beiden Fälle mußte der Angeklagte zum mindesten versuchen, wieder in die Stadt zu gelangen. Zu diesem Zweck mußte er aber vor allem feststellen, wie nunmehr die Lage in der Stadt aussah, d.h. wie weit der Feind vorgedrungen war, wie stark er war, um welche Gattung von Truppen es sich handelte, welche Absichten auf Feindseite zu erkennen oder zu vermuten waren, usw. usw. Denn erst auf der Grundlage einer solchen Erkundung konnte er sich entscheiden, was er unternehmen könne und müsse.
    Ebenso wie am Vorabend, hat der Angeklagte auch hier nur jeden Versuch einer Aufklärung unterlassen. Er beruft sich darauf, daß die bei Wepritz wieder gesammelten Einheiten Gefechtsvorposten vorgetrieben hätten. Dies konnte und durfte ihm in keiner Weise genügen. Er war, wie am Vorabend, so auch hier verpflichtet, vom Führungsstandpunkt aus sich verlässige Grundlagen für seine weiteren Maßnahmen zu verschaffen.

    Er hat somit auch hier alles unterlassen, was ihm die Lage und die Erfüllung seiner Pflicht als Kampf-Kdt. gebot.

    f.) Der Senat ist überzeugt, daß der Angeklagte seine Pflichten nicht etwa absichtlich verletzt hat. Vor allem ist der Angeklagte schon nach seiner soldatischen Vergangenheit und Bewährung gegen den Feind vor dem Verdacht geschützt, daß er aus Furcht vor persönlicher Gefahr gehandelt hat.

    Wohl aber hat der Angeklagte in den angegebenen Punkten seine Pflicht als Soldat und Kampf-Kdt. bewußt (vorsätzlich) verletzt. Denn zu einem solchen Bewußtsein genügt die Kenntnis der äußeren Tatsachen und Vorgänge, die für eine soldatische und strafrechtliche Beurteilung sein Verhalten als pflichtwidrig erscheinen lassen.

    g.) Der Schaden, der unmittelbar durch das Verhalten des Angeklagten entstanden ist, und die Gefahren, die er weiter heraufbeschworen hat, brauchen im einzelnen nicht näher dargelegt zu werden.

    Sie liegen auf der Hand. Bei genügender Überlegung hätte sie der Angeklagte selbst erkennen können und erkennen müssen. Er hat sie also fahrlässig verschuldet.

    h.) Damit hat sich der Angeklagte als Soldat im Feld der fortgesetzten Pflichtverletzung im Sinne von § 62 MStGB. schuldig gemacht.

    i.) Auf weitere Einzelheiten taktischer Art braucht nicht eingegangen zu werden.

    Ebenso braucht nicht geprüft zu werden, gegen welche weiteren Strafvorschriften sich der Angeklagte verfehlt hat.

    VI.) Art und Höhe der Strafe

    1.) Bei der Festsetzung der Art und Höhe der Strafe ist sich der Senat bewußt, daß sowohl persönlich wie sachlich in weitem Umfang Milderungsgründe zu Gunsten des Angeklagten sprechen.

    Der Angeklagte ist ein im Frieden und in zwei Kriegen bewährter Offizier mit tadelloser Vergangenheit. Er hat auch in diesem Krieg vor dem Feind seine Schuldigkeit getan, wie schon seine Auszeichnungen beweisen. Durch fünf Jahre Krieg war er körperlich, geistig und seelisch stark verbraucht. Bei der Übernahme der Div. Woldenberg befand er sich in einer Verfassung, in der er beinahe zwangsläufig versagen mußte. Gleichwohl hat er es aus begreiflichem, wenn auch in der Sache verfehltem Ehrgefühl heraus unterlassen, auf seinen Zustand hinzuweisen. Er hat sich selbst in die Lage gebracht, deren Opfer er dann wurde.
    Die Mittel, die ihm zur Verfügung gestellt wurden oder noch zur Verfügung standen, waren ungenügend. Die Truppe war ausgesprochen minderwertig. Leistungsfähigkeit und Kampfwille waren geschwächt. Die Führung war durch das Fehlen aller Nachrichtenmittel behindert. Der Ia, der ihm zugeteilt war und der, wenigstens zum Teil, sonst hätte eingreifen können und sollen, war an sich ein bewährter und gut verwendbarer Frontoffizier. Er hatte aber in der Truppenführung keinerlei Schulung und Erfahrung.

    2.) Diese Gründe können jedoch nicht den Ausschlag geben.

    Einmal sind die Unterlassungen des Angeklagten schon an sich besonders zahlreich und z.T. besonders schwer. Überdies müssen im Krieg, wie für das Gesetz als solches, so auch für den mit seiner Anwendung betrauten Richter der Schade und die Gefahren im Vordergrund stehen, die ein Angeklagter für Volk und Reich heraufgeführt hat.

    Landsberg war eine Stadt von 50 000 Menschen. Von ihrem unmittelbaren Wert für Freund und Feind ganz abgesehen, mußte sie schon deswegen so lange wie nur möglich gehalten werden, um dem Feind den angestrebten Vormarsch auf die Reichshauptstadt,
    - mochte er zunächst auch an Landsberg vorbeistoßen, - wenigstens so lange und so sehr wie nur möglich zu erschweren und seine Kräfte zu binden.

    Durch das Verhalten des Angeklagten ist die Stadt ohne jeden Widerstand verloren gegangen. Ihre wertvollen Anlagen, Anstalten, Betriebe usw. usw. sind beinahe ohne einen Schuß und noch dazu unversehrt in die Hand des Feindes gefallen. Zehntausende deutscher Menschen wurden kampflos den Bolschewisten überliefert. Was das bedeutet, hätte der Angeklagte schon angesichts des Schicksals seiner eigenen Familie bedenken sollen und müssen.

    Diese Gründe lassen die die vom Gesetz vorgesehene Regelstrafe von Zuchthaus oder Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren nicht mehr als ausreichend erscheinen. Die Schwere des Nachteils und der Ernst der Gefahr erfordern nach dem gesunden Empfinden des Volks, vor allem des Soldaten, härtere Sühne.

    Der Senat erkennt daher nach § 5a Abs.1 KSSVO. gegen den Angeklagten auf Tod.

    Die Nebenstrafen beruhen auf § 31 MStGB. und § 32 RStGB.


    gez. Schmauser Angerstein Westhoff Böckel Zeitler.


    Der Reichsführer-SS hat am 16.Februar 1945 das Feldurteil bestätigt und die Vollstreckung der Strafe zum Zwecke der Frontbewährung ausgesetzt. Er hat angeordnet, daß der Verurteilte als Schütze bei der Division Groß-Döberitz eingesetzt wird, wo er entweder den Soldatentod finden oder sich durch beispiellose Tapferkeit einen Gnadenerweis verdienen kann.


    Hier noch die Gesetzestexte, die in diesem (und weiteren, im o.g. Buch dokumentierten) Urteilen Anwendung fanden:

    Gesetzestexte aus dem Militärstrafgesetzbuch
    zitiert nach "Das Wehrmachtsstrafrecht im 2.Weltkrieg"

    Sammlung der grundlegenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse,
    bearbeitet von Rudolf Absolon, Kornelimünster 1958

    Unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht


    § 64 Unerlaubte Entfernung

    Wer unbefugt seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihnen fernbleibt und vorsätzlich oder fahrlässig länger als drei Tage, im Felde* länger als einen Tag, abwesend ist, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen kann die Strafe bis auf vierzehn Tage geschärften Arrests ermäßigt werden.

    § 65 (In der Fassung vom 10.10.1940)

    Ebenso (§ 64) wird bestraft, wer es vorsätzlich oder fahrlässig unterläßt, innerhalb eines Tages sich der Truppe oder Dienststelle, von der er abgekommen ist, oder einer anderen Truppe wieder anzuschließen oder sich nach beendeter Kriegsgefangenschaft bei einem Truppenteil zu melden.

    § 69 Fahnenflucht

    (1) Wer in der Absicht, sich der Verpflichtung zum Dienste in der Wehrmacht dauernd zu entziehen oder die Auflösung des Dienstverhältnisses zu erreichen, seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihnen fernbleibt, wird wegen Fahnenflucht bestraft.

    (2) Der Fahnenflucht steht es gleich, wenn der Täter in der Absicht seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihnen fernbleibt, sich für die Dauer des Krieges, kriegerischer Unternehmungen oder innerer Unruhen der Verpflichtung zum Dienste in der Wehrmacht überhaupt oder in den mobilen Teilen der Wehrmacht zu entziehen.

    § 70 Strafe für Fahnenflucht

    (1) Die Strafe für Fahnenflucht ist Gefängnis nicht unter sechs Monaten.
    (2) Wird die Tat im Felde begangen oder liegt ein besonders schwerer Fall vor, so ist auf Todesstrafe oder auf lebenslanges oder zeitiges Zuchthaus zu erkennen. (Anm. 25)
    (3) Stellt sich der Täter, um den Wehrdienst fortzusetzen, binnen vier Wochen - im Felde binnen einer Woche - nach der Tat, so kann in den Fällen des Abs.1 auf Gefängnis nicht unter sechs Monaten erkannt werden.

    Anm. 25) Hierzu: Richtlinien des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht für die Strafzumessung bei Fahnenflucht vom 14.April 1940. Durch die Kriegsstrafsonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) vom 17.8.1938 wurde bestimmt, daß § 70 in folgender Fassung anzuwenden ist:

    § 70 Bei Fahnenflucht ist auf Todesstrafe oder auf lebenslanges oder zeitiges Zuchthaus zu erkennen.

    Richtlinien des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht
    für die Strafzumessung bei Fahnenflucht vom 14.4.1940

    I.

    Die Todesstrafe ist geboten, wenn der Täter aus Furcht vor persönlicher Gefahr gehandelt hat oder wenn sie nach der besonderen Lage des Einzelfalles unerläßlich ist, um die Manneszucht aufrechtzuerhalten. Die Todesstrafe ist im allgemeinen angebracht bei wiederholter oder gemeinschaftlicher Fahnenflucht und bei Flucht oder versuchter Flucht ins Ausland. Das gleiche gilt, wenn der Täter erheblich vorbestraft ist oder sich während der Fahnenflucht verbrecherisch betätigt hat.

    II.

    In allen anderen Fällen der Fahnenflucht muß unter Berücksichtigung der gesamten Umstände geprüft werden, ob Todesstrafe oder Zuchthaus angemessen ist. Eine Zuchthausstrafe wird in diesen Fällen im allgemeinen als ausreichende Sühne anzusehen sein, wenn jugendliche Unüberlegtheit, falsche dienstliche Behandlung, schwierige häusliche Verhältnisse oder andere nicht unehrenhafte Beweggründe für den Täter hauptsächlich bestimmend waren.

    III.

    Diese Grundsätze gelten auch für die Fälle, in denen das Ausbrechen aus einer Strafanstalt als Fahnenflucht anzusehen ist.


    Selbstverstümmelung und Dienstentziehung durch Täuschung

    § 81 Selbstverstümmelung

    (1) Wer sich durch Selbstverstümmelung oder sonst zum Dienst untauglich macht, wird mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. In minder schweren Fällen kann auf Gefängnis oder auf Arrest nicht unter vierzehn Tagen erkannt werden.

    (2) Wird die Tat im Felde begangen oder liegt ein besonders schwerer Fall vor, so kann auf Todesstrafe oder auf lebenslanges oder zeitiges Zuchthaus erkannt werden.

    § 83 Dienstentziehung durch Täuschung (Anm. 31)

    (1) Wer sich oder einen anderen dem Dienst entzieht und dabei ein auf Täuschung berechnetes Mittel anwendet oder sonst arglistig handelt, wird mit Gefängnis bestraft. In minder schweren Fällen kann auf Arrest erkannt werden.

    (2) Wird die Tat im Felde begangen oder liegt ein besonders schwerer Fall vor, so kann auf Todesstrafe oder auf lebenslanges oder zeitiges Zuchthaus erkannt werden.

    Anm. 31) Die Vorschrift ist während der Geltungsdauer des § 5 Abs.1 Nr.2 der KSSVO unanwendbar.


    Dienstpflichtverletzung aus Furcht, Feigheit

    § 84 Dienstpflichtverletzung aus Furcht

    Wer aus Furcht vor persönlicher Gefahr eine militärische Dienstpflicht verletzt, wird mit Arrest oder mit Gefängnis bestraft.

    § 85 Feigheit

    (1) In besonders schweren Fällen der Dienstpflichtverletzung aus Furcht (§84) ist wegen Feigheit auf Todesstrafe oder auf lebenslängliches oder zeitiges Zuchthaus zu erkennen.

    (2) Ein besonders schwerer Fall kann namentlich dann vorliegen, wenn die Tat während einer Kampfhandlung oder zu einer Zeit, in der eine Kampfhandlung zu erwarten ist, oder in besonders schimpflicher Weise begangen worden ist oder wenn sie einen erheblichen Nachteil herbeigeführt hat.

    § 86 Milderung bei Mutbeweisen

    Hat der Täter nach der Tat hervorragenden Mut bewiesen, so kann in den Fällen des § 84 von Strafe abgesehen und in den Fällen des § 85 auf Gefängnis erkannt werden.

    * Der Begriff "im Felde" könnte als gleichbedeutend mit "an der Front" mißverstanden werden. Er bedeutet aber "für die Dauer des mobilen Zustandes der Wehrmacht", also für die ganze Kriegszeit.

  • Hallo Johann,

    nachdem Du jetzt mit der Einstellung der sehr interessanten Biografie
    von Gerhard Kegler fertig bist, möchte ich zum Thema noch etwas einfügen !

    Es geht um die Stellungsnahme von Generalmajor Kegler und die des
    Oberstrichters Ernst Frhr. von Dörnberg zur Problematik der Div. "Woldenberg" !

    Diese wurde in Heft Nr. 7 der "Wehrwissenschaftlichen Rundschau" nach dem Krieg abgedruckt !
    (Stellungsnahme 1 - 3 )

    Desweiteren ein Ausschnitt des Spiegels vom 25.03.1953, wo es um die
    Pensionsberechtigung von Keglers ging !

    Und noch ein Foto !


    Viele Grüße
    PETER
    .........

  • Quote

    Der Angeklagte Generalmajor Kegler wird wegen Pflichtverletzung im Feld zum Tod, zum Verlust der Wehrwürdigkeit und zum dauernden Verlust der Ehrenrechte verurteilt.

    Hallo zusammen,

    was in dem o.g. Urteil leider nicht erwähnt wird, aber sicherlich auch interessant wäre, ist die Frage, ob die Familie von Gerhard Kegler aufgrund des Todesurteiles ebenfalls Repressalien, z.B. in Form von Sippenhaft(ung), einziehen des Privatvermögens usw. ausgesetzt war.

    Über eine Rehabilitierung Keglers ist leider auch nichts "amtliches" zu finden, nur der Hinweis, daß die in der Urteilsbestätigung erwähnte Degradierung später durch den Bundespräsidenten Heuss auf dem Gnadenwege aufgehoben wurde.

    jan: Stammt das von Dir eingestellte Bild des Urteils ebenfalls aus dem o.g. Buch "...kann nur der Tod die gerechte Sühne sein"? Mir liegt zur Zeit noch (über Fernleihe aus der Uni Hamburg) eine Ausgabe von 1997 vor, die anscheinend auch schon als Repro angefertigt wurde. Leider ist das Buch nur noch in ganz seltenen Fällen im Antiquariat erhältlich - und dann natürlich zu unverschämten Preisen  :(

    Gruß, J.H.

  • Hallo
    Ich hab das vor langer Zeit mal von jemanden zugeschickt bekommen.
    Damals suchte ich nach Informationen zu der Division Woldenberg.
    Hab da noch ein paar Seiten von.
    Ich gehe mal davon aus das sie aus dem selben Buch sind.

    mfg Jan

  • Quote

    Original von Johann Heinrich

    was in dem o.g. Urteil leider nicht erwähnt wird, aber sicherlich auch interessant wäre, ist die Frage, ob die Familie von Gerhard Kegler aufgrund des Todesurteiles ebenfalls Repressalien, z.B. in Form von Sippenhaft(ung), einziehen des Privatvermögens usw. ausgesetzt war.

    Hallo Johann,

    da sprichts du ein interessantes Thema an.

    Familien von Soldaten konnten in Sippenhaft genommen werden.

    Aus meiner Erinnerung heraus gab es diese Regelung erst irgendwann im Jahre 1945. Möglicherweise gab es diese Regelung von Sippenhaft welche die Familien von Soldaten für bestimmte "Vergehen" mit einbezog erst nach der Zeit des Urteils. Fraglich ist weiterhin inwieweit diese Sippenhaftung überhaupt umgesetzt wurde und nicht nur auf dem Papier existierte. Da in dem von dir eingestellten Urteil, (danke dafür, sind dort auch Urteile von ehem. Angehörigen der 32. ID. enthalten?) nichts über diese Sippenhaftung vermerkt ist, gehe ich davon aus das diese nicht angewendet wurde. Weiterhin kann ich mir vorstellen das es bei Offizieren möglicherweise wieder Sonderregelungen gab. Wenn Interesse kann ich die Verfügung? mal raussuchen. Die psychologische Wirkung auf einem Soldaten der erfährt das die Familie in Sippenhaft genommen werden kann bei bestimmten Vergehen muss enorm gewesen sein. Ein mir bekannter ehemaliger Wehrmachtsangehöriger welcher 1945 in Ostpreußen war musste damals unterschreiben das er über diese Sippenhaft aufgeklärt wurde. Es war wohl noch nicht genug das sie ihre eigenen Kammeraden, vom Manschaftsdienstgrad bis zum Offizier, an den Bäumen reihenweise aufgeknüpft sahen.

    Beste Grüße
    Andreas

    Immer auf der Suche nach Daten, Bildern und Material über die 32. Infanterie Division, sowie über Straf,- und Bewährungseinheiten.

    Edited once, last by 32. Infanterie Division (August 5, 2010 at 4:04 PM).

  • Quote

    Original von 32. Infanterie Division
    danke dafür, sind dort auch Urteile von ehem. Angehörigen der 32. ID. enthalten

    Hallo Andreas,

    hat leider etwas gedauert, aber dafür stell ich nun hier das Inhaltsverzeichnis des Buches "... kann nur der Tod die gerechte Sühne sein!" als Abschrift ein, um eventuell suchenden Angehörigen von damals Verurteilten die Möglichlichkeit eines ersten Rechercheansatzes zu bieten. Eine Verurteilung durch ein Gericht der 32.Infanterie-Division konnte ich nicht ausmachen.
    Das Vorwort dieses Buches hat die Herausgeberin, Hermine Wüllner verfasst, die das Buch nach dem Tod ihres Mannes Fritz Wüllner im August 1996, in der zweiten, überarbeiteten Auflage herausgegeben hat.
    Fritz Wüllner hat insgesamt fünfzehn Jahre nach seiner Pensionierung damit verbracht, die Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus zu erforschen und zu dokumentieren. Er kam nach seinen Recherchen zu dem Schluß, daß die Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg nicht unter 50 000 Todesurteile gefällt haben kann, wobei in seinem Buch nur ein einziges Urteil eines Marinegerichtes genannt wird.

    Diese 28 Todesurteile hat er in seinem Buch erfasst:

    1. „Er hat sich damit einer Zersetzung der Wehrkraft im Sinne des § 5 Abs. 1 Ziff. 3 KSSVO schuldig gemacht“
    Todesurteil vom 15.10.1944 gegen den Obergefr. Winzent Hadasch durch das Gericht der 357. Inf.Div. wegen Selbstverstümmelung (Str.L.Nr. 374/44)

    2. „Die Vollstreckung des Urteiles halte ich nicht für erforderlich“
    Todesurteil vom 7.11.1944 des Gerichts der 11.I.D. gegen den 22jährigen Emmo Schlauteck wegen Selbstverstümmelung. Vollstreckt am 20.11.1944 in Mezamnize in Lettland (Str.L.Nr. 327/44)

    3. „Er wußte, daß die Juden gerade deshalb bestrebt waren, Ungarn zu verlassen“
    Todesurteil gegen den Obergefr. Friedrich Winking vom 8.8.1944 wegen Unerlaubten Entfernen u. a. (Str.L.Nr. III/182/44) des Ger. D. Div. 409, Zweigstelle Aschaffenburg

    4. „Der Angeklagte ist zwar erst 18 Jahre alt, er hat aber die Tat nicht aus jugendlicher Unüberlegtheit begangen“
    Todesurteil vom 26.2.1945 gegen den Pz.Gren. Gerhard Meier (Str.L.Nr. XII/12/1945) des Standgerichts der Div. Nr. 432, Zweigstelle Neisse, wegen Fahnenflucht

    5. „Strafmindernd das Geständnis, seine Unbestraftheit, seine Auszeichnung und seine Reue“
    Todesurteil vom 30.3.1945 gegen den Obergefr. Jacob Kindel wegen Ungehorsam (Str.L.Nr. 138/45) des Standgerichts der 75.Inf.Div.

    6. „Die Strafe ist dem § 57 MStGB als schwerstem Strafgesetz zu entnehmen“
    Todesurteil gegen den Grenadier Michael Fries vom 18.5.1944 (StPL des RKG 2.Senat) wegen Kriegsverrat und Vorbereitung zum Hochverrat

    7. „Sie muten wie trübste Etappenerscheinungen des Jahres 1918 an“
    Urteile des RKG gegen 17 Angehörige* der Stabskompanie der Sturm-Panzer-Abt. 216 unter Vorsitz von Reichskriegsgerichtsrat Lueben (StPL der Reichskriegsanwaltschaft (I/424/43) - Vollstreckungen in Halle/Saale durch Erschießen, Enthaupten, Erhängen

    8. „Weil die Auswerfung milder Strafen im Hinblick auf die augenblickliche Lage für labile Charaktere ein Anreiz zu ähnlichem Tun bildet“
    Todesurteil gegen die Kanoniere Alfred Folke und Johann Noetzelmann wegen gemeinschaftlicher Fahnenflucht vom 12.Februar 1945 durch das Gericht des Kommandanten des rückw. Armeegebietes 531 (Str.L.Nr. 95/45)

    9. „Er habe nie daran gedacht, Landsberg endgültig zu verlassen oder gar aufzugeben“
    Todesurteil des Reichskriegsgerichts vom 12.2.1945 gegen den Generalmajor Gerhard Kegler wegen Pflichtverletzung im Felde (Str.P.L. 9/45 des 3.Senats)

    10. „Der Angeklagte ist ein ausgesprochener Drückeberger“
    Todesurteil gegen den Wehrmachtstrafgefangenen Josef Kerner, Angehöriger der 5./Feldstrafgefangenen-Abteilung 15, vom 11.4.1944 des Gerichts der 260.Inf.Div. (Str.L.Nr. 159/44) und zum Gefängnisurteil gegen denselben vom 6.6.1944 des Gerichts des festen Platzes Borissow (Str.L.Nr. 95/44) und die schließliche Verurteilung zu drei Wochen geschärftem Arrest

    11. „Zur Truppe wollte ich keinesfalls wieder zurückkehren“
    Todesurteil gegen den Obergefr. Georg Grosser, geb. am 3.2.1919 in Berlin, vom 8.9.1941 wegen Fahnenflucht und Verleitung zur Fahnenflucht des Gerichts beim Koluft Heeresgruppe Süd, (Str.L.Nr. 3 K. 59/41)

    12. „Er stand da als Jämmerling, der in seiner Erbärmlichkeit nicht Mitleid, sondern nur Verachtung erregen konnte“
    Todesurteil gegen den Gefr. Josef Mross vom 12.3.1945 durch das Gericht der 1.Ski-Jäg.Div. wegen Dienstpflichtverletzung aus Feigheit (Str.L.Nr. 114/45)

    13. „Damit steht fest, dass er aus Furcht vor persönlicher Gefahr seine militärischen Dienstpflichten verletzt hat“
    Todesurteil gegen den Gefr. Walter Fuchs durch das Gericht der 1. Ski-Jäg.Div. vom 3.3.1945 wegen Feigheit (Str.L.Nr. 89/45)

    14. „Als Strafe für das Verhalten der Angeklagten kam lediglich die Todesstrafe in Frage“
    Todesurteil vom 21.12.1944 gegen die Marinehelferin Gertrud Kirchhoff, geb. 29.5.1914, durch das Gericht des 2. Adm. der Nordsee, Zweigstelle Wilhelmshaven (Str.L.Nr. IX/206/44) als Volksschädling nach § 4 der Volksschädlingverordnung

    15. „Es war demnach festzustellen, dass der Angeklagte einen Menschen vorsätzlich getötet hat, ohne Mörder zu sein“
    Zuchthaus-Urteil des Kommandanten des rückw. Armeegebietes 550 vom 12.10.1942 (Str.L.Nr. 3567/42) gegen den Gefr. Ernst Heine wegen Fahnenflucht, Totschlags und Beihilfe zum Totschlag

    16. „L. wäre also demnach nicht wegen Vortäuschens, sondern wegen Hervorrufens seelischer Störungen verantwortlich zu machen“
    Todesurteil des Gerichts der 17.Inf.Div. vom 6.April 1945 (Str.L.Nr. 69/45) gegen den Schützen der 2./Feldstrafgefangenenabteilung 8, Wilhelm Larmann, wegen Zersetzung der Wehrkraft durch Vortäuschung von Krankheiten

    17. „In solchen Fällen kann nach gesundem Volksempfinden der im Gesetz für die Straftat der unerlaubten Entfernung gegebene Strafrahmen nicht ausreichen“
    Todesurteil des Gerichts beim Kommandanten des rückw. Armeegebiets 585 vom 23.3.1945 (Str.L.Nr. II/175/45) gegen den Obergefreiten Heinrich Mildenberger wegen unerlaubter Entfernung unter Anwendung des § 5a der KSSVO

    18. „Dieses Urteil hat der Chef des OKW auf Grund des Führererlasses über die Aufhebung rechtskräftiger Urteile von Wehrmachtsgerichten vom 6.1.1942 mit Verfügung vom 25.11.1944 aufgehoben“
    Todesurteil des Reichskriegsgerichts, 4.Senat, unter Vorsitz von Generalrichter Dr. Lattmann, vom 11.Januar 1945 gegen den Bausoldaten Anton Brezina (Str.PL 122/44) wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und Begünstigung des Feindes

    19. „Bei der Vorführung zum Vollstreckungsplatz flüchtete der Verurteilte. Er wurde sofort erschossen.“
    Todesurteil des Standgerichts des Kampfkommandanten in Leobschütz vom 17.2.1945 (ohne Straflisten-Nummer) gegen den Gefreiten Heinz Darr wegen unerlaubter Entfernung unter Überschreitung des regelmäßigen Strafrahmens

    20. „Die Aufrechterhaltung der Manneszucht in der Feldstrafgefangenen-Abteilung [erfordert] eine abschreckende Bestrafung“
    Todesurteil des Gerichts des Höheren Kommandeurs der Nachschubtruppen 3 vom 15.2.1944 (Str.L.Nr. III/67/44) gegen den Grenadier Reinhold Heilig wegen Fahnenflucht

    21. „Aus diesen Gründen hätte das Gericht auch dann von der Milderung der Strafe abgesehen, wenn der Angeklagte vermindert zurechnungsfähig wäre (RStGB. § 51, Abs.II)“
    Todesurteil des Gerichts der 129.Inf.Div. vom 10.8.1944 (Str.L.Nr. 179/44) gegen den 19jährigen Grenadier Heinrich Kampmann wegen Zersetzung der Wehrkraft durch Selbstverstümmelung

    22. „… dass ich mir insgeheim die Frage stellte, ob dieses eines deutschen Soldaten würdig sei, ganz gleich, ob er Strafgefangener ist oder nicht“
    Todesurteil gegen die Flieger Werner Klein und Willi Lehwalder vom 8.6.1944 wegen gemeinschaftlicher Fahnenflucht durch das Gericht des Kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau III (Bereich Berlin), Breslau (Str.L.Nr. 2515/44)

    23. „… dass die Widerstandsgruppe das Ziel verfolgte, mit Hilfe der Feindmächte die Nationalsozialistische Regierung in Wien zu stürzen“
    Todesurteil des Reichskriegsgerichts vom 8.März 1945 (Str.L.Nr. 20/45, 4.Senat) gegen den Unteroffizier Heinrich Greff, den Gefreiten Gerhard Schäfer, den Schützen Ludwig Rehak wegen Kriegsverrats und Fahnenflucht

    24. „Er habe im polnischen Heer gedient und dem polnischen Staate den Eid geschworen, dass er bis zum letzten Blutstropfen für Polen kämpfen werde“
    Todesurteil des Reichskriegsgerichts vom 19.2.1945 (Str.L.Nr. 13/45, 4.Senat) gegen den Soldaten Viktor Grzesik wegen Fahnenflucht und Nichtanzeige eines geplanten Hochverrats

    25. „Der Senat hielt die Todesstrafe für erforderlich“
    Todesurteil des Reichskriegsgerichts vom 4.3.1945 (Str.L.Nr. 21/45, 2.kleiner Senat) gegen den Schützen Johannes Hübner wegen Fahnenflucht

    26. Ein Intendanturrat und sechs Geistliche vor dem Reichskriegsgericht
    Urteile des Reichskriegsgerichts gegen:
    1. den Marine-Intendanturrat d.R. Rudolf Mandrella, geb. 1902, vom 12.5.1943
    2. den katholischen Geistlichen Friedrich Lorenz, geb. 1887 und den katholischen Pfarrer Herbert Simoleit, geb. 1908, vom 4.9.1944
    3. den ehemaligen Provikar Karl Lampert, geb. 1894, vom 8.9.1944 mit Anmerkungen zum ersten Urteil gegen Provikar Lampert vom 20.12.1943, zusammen mit seinen Mitangeklagten und Mitverurteilten
    Pfarrer Plonka, geb. 1891
    Probst Daniel, geb. 1898
    Kuratus Berger, geb. 1908

    27. Ein Wehrdienstverweigerer von 1936 bis 1944
    Todesurteil des Gerichts der 263.Inf.Division vom 27.11.1944 (Str.L.Nr. I/422/44) gegen den Schützen Richard Kaszemeik wegen Fahnenflucht

    28. „Verblieb er trotz der Bemühungen des ihn untersuchenden Arztes sowie des Anstaltsgeistlichen bei seiner Weigerung“
    Todesurteil des Reichskriegsgerichts vom 31.8.1944 gegen den Grenadier Xaver Klotz (StPL 2.Senat 50/44, Verhandlungsleiter Barwinski) wegen Verweigerung des Wehrdienstes

    - Todesurteile der 1. Ski-Jäg.Division aus 1945
    Von der 1. Ski-Jäg.Division sind allein aus dem Jahre 1945 sechs Todesurteile bekannt, eines davon ein Standgerichtsurteil. Die Division war in dieser Zeit der I. Pz.Armee unterstellt und befand sich in Mähren und in der Slowakei.

    Es wurden hingerichtet:
    der Gefreite Gustav Kurt Abel, 22 Jahre alt, am 17.2.1945
    der Gefreite Walter Fuchs, 22 Jahre alt, am 5.3.1945
    der Uffz. Hans-Jürgen Lehmann, 22 Jahre alt, am 1.2.1945

    - Vollstreckungen in Halle/Saale am 16.3.1945
    Am 16.3.1945 war der Henker in Halle an der Saale, wie so oft. An diesem Tage wurden insgesamt 8 Todesurteile des Reichskriegsgerichts hier vollstreckt, vier durch Enthaupten und vier durch Erhängen. Mit Grzesik und Hübner starben an diesem Tage dort

    der Obergefreite Johannes Dorsch, 26 Jahre alt
    der Flieger Johannes Struzyk, 25 Jahre alt
    der Schütze Nikolaus Wermejew, 20 Jahre alt
    der ehem. Legionär Heinrich Westermann, 29 Jahre alt
    Horst Loschnat (FGA 19 Freiburg), 22 Jahre alt
    und der Obergefreite Robert Wolbank, 31 Jahre alt

    - Enthauptungen in Halle/Saale am 13.11.1944
    Mit den Geistlichen zusammen starben am 13.11.1944 unter dem Fallbeil in Halle:

    Der Arbeiter Renier Antonius Bäcker, 40 Jahre alt
    der Gefreite Viktor Derda, 32 Jahre alt
    der Soldat August Fehst, 41 Jahre alt
    der Zivilist Hans Heermann, 43 Jahre alt
    der Flieger Stephan Kwasniewski, 45 Jahre alt
    der Former Rostilav Roszival, 21 Jahre alt
    der PzJäger Alois Rytt, 22 Jahre alt
    der Oberleutnant Claus Schaller, der am Tage seiner Hinrichtung 35 Jahre alt wurde
    - alle zum Tode verurteilt durch das Reichskriegsgericht

    * Die Namen der verurteilten 17 Angehörigen der Sturm-Panzer-Abteilung 216 sind nachfolgend aufgelistet. Die Verfahren endeten mit 11 Todesurteilen, 3 Gefängnisurteilen, 1 mal Zuchthaus und 2 Freisprüchen. Der Ursache und Grund dieser Urteile war die Gründung eines Arbeiter- und Soldatenrates und dessen spätere Umbenennung in "Komitee Freies Deutschland" durch die genannten Soldaten:

    Gefreiter Hugo Ruf (Todesurteil)
    Obergefreiter Siegfried Dietz (Todesurteil)
    Obergefreiter Werner Spenn (Todesurteil)
    Gefreiter Johann Hoops (Todesurteil)
    Stabsgefreiter Walter Buchholz (Todesurteil)
    Feldwebel Bernhard Schwarz (Todesurteil)
    Unteroffizier Willy Pallat (3 Jahre Gefängnis)
    Unteroffizier Otto Viehweger (3 Jahre Gefängnis)
    Unteroffizier Kurt Hahn (Todesurteil)
    Unteroffizier Werner Strack (Freispruch)
    Stabsgefreiter Martin Weber (Todesurteil)
    Obergefreiter Otto Matysek (Urteil nicht bekannt)
    Unteroffizier Johann Sasse (Todesurteil)
    Obergefreiter Richard Zirn (Todesurteil)
    Obergefreiter Johann Lukaschitz (Urteil nicht bekannt)
    Gefreiter Günter Hundert (Urteil nicht bekannt)
    Gefreiter Paul Hartwig (Urteil nicht bekannt)

    Gruß, J.H.

    Edits: Formatierung :rolleyes:

  • Als Literatur zur Militärjustiz kann ich noch folgendes Buch empfehlen

    Das letzte Tabu - NS-Militärjustiz und "Kriegsverrat" von Wolfram Wette & Detlef Vogel.
    Enthält u.a. 39 Urteile

    Kann für wenig Geld bei der Bundeszentrale für politische Bildung erworben werden.

    Gruß Alex

  • Quote

    Original von Henry Jones
    Kann für wenig Geld bei der Bundeszentrale für politische Bildung erworben werden.

    Hallo Alex,

    herzlichen Dank für den Tipp, Bestellung ist raus! Jetzt muß ich bald doch anbauen, um die Bücher noch alle unterzubringen  8)

    Gruß, J.H.

  • Quote

    Original von Johann Heinrich

    Hallo Andreas,

    hat leider etwas gedauert, aber dafür stell ich nun hier das Inhaltsverzeichnis des Buches "... kann nur der Tod die gerechte Sühne sein!" als Abschrift ein, um eventuell suchenden Angehörigen von damals Verurteilten die Möglichlichkeit eines ersten Rechercheansatzes zu bieten. Eine Verurteilung durch ein Gericht der 32.Infanterie-Division konnte ich nicht ausmachen.

    Hallo Johann danke fürs nachsehen und das einstellen der weiteren Informationen.

    MfG Andreas

    Immer auf der Suche nach Daten, Bildern und Material über die 32. Infanterie Division, sowie über Straf,- und Bewährungseinheiten.

  • Quote

    Original von 32. Infanterie Division
    Familien von Soldaten konnten in Sippenhaft genommen werden.
    Aus meiner Erinnerung heraus gab es diese Regelung erst irgendwann im Jahre 1945.

    Hallo Andreas,

    bei der Konrad-Adenauer-Stiftung war noch etwas zum Thema Sippenhaftung zu finden:

    http://www.kas.de/wf/de/71.8136/

    Mir wurde der Begriff Sippenhaftung zum ersten Mal im Zusammenhang mit den Verschwörern des 20.Juli bekannt:

    ..."Unmittelbar nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 fanden über 7000 Verhaftungen statt. Die meisten Widerstandskämpfer des 20. Juli wurden hingerichtet. Die Familienangehörigen der Verschwörer wurden nach den Prozessen in Gefängnisse, Zuchthäuser und Konzentrationslager verschleppt und der Adel wurde Ihnen aberkannt. Nina von Stauffenberg und der älteste Sohn von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Berthold, kamen nach dem 20 Juli bis zum Kriegsende in ein Konzentrationslager. Die Angehörigen der Familie Stauffenberg – und der Familien der anderen Widerstandskämpfer des 20. Juli -, die über 15 Jahre alt waren, kamen in Sippenhaft. Die jüngeren Kinder der Familie Stauffenberg wurden unter fremden Namen, darunter unter dem Namen >>Meister<<, in NS-Kinderheime heimlich verfrachtet. Der Bruder von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, wurde am 10. August 1944 hingerichtet."

    Quelle: http://www.shoa.de/drittes-reich/…-juli-1944.html

    Gruß, J.H.

  • Quote

    Original von Johann Heinrich

    Hallo Andreas,

    bei der Konrad-Adenauer-Stiftung war noch etwas zum Thema Sippenhaftung zu finden:

    Hallo Johann, danke, was ich meinte ist Sippenhaft die auf die Familie von Soldaten angewendet wurden konnte wenn der Angehörige Fahnenflüchtig und Überläufer war !

    MfG Andreas

    Immer auf der Suche nach Daten, Bildern und Material über die 32. Infanterie Division, sowie über Straf,- und Bewährungseinheiten.

    Edited once, last by 32. Infanterie Division (August 14, 2010 at 10:32 PM).

  • Ich wohne seit über 50 Jahren in Kanada. Mein Name ist Peter Klopp und bin der Neffe von Gerhard Kegler. Seit einer Zeit unterhalte ich einen Blog über die Klopp-Kegler Familie. Da war natürlich mein Onkel Gerhard Kegler auch ein wichtiger Bestandteil meiner Familienforschung. Ich habe schon guten Gebrauch von dem FdW gemacht. Doch gibt es ein Buch in englischer Sprache mit dem Titel "The Siege of Küstrin: Gateway to Berlin 1945" von Tony Le Tissier. Dieses Buch fällt durch seine ausführliche Beschreibung von chaotischen Bedingungen der militärischen Lage in und um Lansberg/Warthe und durch Augenzeugenberichten von Mitkämpfern der Woldenberg Division auf. Mit Genehmingung des Verlages habe ich die betreffenden Ausschnitte in meinem Blog veröffentlicht. Besucher mit Englischkenntnissen dürften an den neuen Perspektiven, die diese Auszüge bieten, interessiert sein. Man suche im Blog klopp-family.com nach Gehard Kegler. Soweit habe sechs Posts zu diesem Thema veröffentlicht.

  • <p>

    </p>

    <p>Vielen Dank, lieber Klaus-Dieter und Thilo! Der Link macht den Sprung zur Gerhard Kegler Geschichte doch wesentlich einfacher. Noch ein Hinweis! Die nun folgenden Posts in meinem Blog haben nichts zu bieten, was nicht schon im FdW bekannt ist. Die Zusammenfassung aus dem englischen Buch: The Siege of K&uuml;strin k&ouml;nnte dagegen von gro&szlig;em Interesse sein .</p>

    <p>Viele Gr&uuml;&szlig;e</p>

    <p>PeterKanada</p>