Brandneu: Das Dt. Reich und der II. WK, MGFA

  • Hallo Rote Kapelle,

    wenn ich an dieser Stelle kurz einen kleinen Denkanstoß geben darf:

    Quote

    Diese, im Prinzip, unverholene Abqualifizierung einer Person, aufgrund ihrer eingeschlagenen Laufbahn bzw. der damit einhergehenden Ausbildung, ist für mich indiskutabel und wirft kein gutes Licht auf denjenigen, der sich solcher Methoden bemüht.

    du selbst hast doch deutlich geschrieben, das du, ob allgemein oder nur gegegnüber den hier besprochenen Personen, gewisse Vorurteile hast, nur weil sie Veteranen des 2. Weltkrieges sind. So kommt es mir deshalb sehr spanisch vor, wenn du dich einerseits beschwerst das Leute wegen, auf den ersten Blick, unwichtiger Dinge in ihrer Qualität als Autor abgemindert werden, obwohl du dies selbst tust!

    Es ist nicht von Nachteil, ganz im Gegenteil, wenn der Autor selbst im Krieg kämpfte. Gewiss ist die Schreibweise teilweise eine andere, was dem Buch aber nicht in der Qualität schaden muss! Und unter dem "Landserschreibstil" verstehe ich etwas anderes. Denn in diesem wird bewusst etwas erfunden!

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

    Edited 4 times, last by Tobias Giebel (July 6, 2007 at 12:35 AM).

  • Hallo Tobias,


    Ich kann mich über deinen Beitrag nur wundern. Scheinbar hast du meine Argumentation, hinsichtlich der Qualität der genannten Autoren, nicht verstanden. Anders ist mir jedenfalls deine Aussage nicht erklärbar.

    Mit keiner Silbe habe ich die im Verlauf dieser Diskussion genannten Autoren aufgrund ihrer eingeschlagenen Laufbahn und der damit einhergehenden Ausbildung abqualifiziert. Vielmehr habe ich anhand von konkreten Beispielen zwei wesentliche Punkte klar herausgestellt.

    Einerseits nämlich, den populärwissenschaftlichen Charakter der genannten Bücher und andererseits die fehlende Objektivität der erwähnten Autoren. Aufgrund dieser Defizite habe ich mir ein Urteil über die Qualität dieser Autoren erlaubt.

    Mir bleibt daher deine Argumentation schleierhaft, denn sie berührt den Sachverhalt nicht.

    Das du diese eindeutig verifizierbaren Kritikpunkte nicht akzeptieren kannst oder willst, bleibt selbstverständlich ganz dir überlassen, ändert jedoch nichts an der Tatsache.

    Ich habe selbstverständlich auch nicht behauptet, es wäre schlecht, wenn ein Autor im Krieg gedient hat.
    Andererseits ist es kein Kriterium, um eine wissenschaftliche Arbeit verfassen zu können.

    Daher ist auch Hinzes Einwand, er könne auf die Öffnung der sowjetischen Archive nicht länger warten, da es einem späteren Autor, der diese Ereignisse nicht selbst miterlebt hat, außerordentlich schwerfallen wird, sich in die Gegebenheiten hineinzudenken, die Leistungen der Truppe nachzuempfinden, schließlich die Entscheidungen militärischer Führungsstufen in ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung bewerten zu können, mehr als fragwürdig.

    Gerade Hinze war wohl in keiner Führungsposition, die ihn prädestiniert hätte, eine Gesamtdarstellung auf Korps- oder Heeresgruppenebene über die Rückzugskämpfe der deutschen Heeresverbände in Russland zu schreiben.

    Eine wissenschaftliche Arbeit hat frei von subjektiven, nicht quantifizierbaren Einflüssen zu sein, die auch maßgeblich in der Sprache zum Ausdruck kommen. Das gerade die Nachkriegsgeneration ausgezeichnete Arbeiten zu verschiedensten Bereichen des Zweiten Weltkrieges geschrieben hat und weiterhin schreibt, zeigt den tatsächlich stattgefundenen Entwicklungsprozess, der dem von Hinze prophezeiten diametral entgegenläuft.


    MfG

    Whoever saves one life, saves the world entire.
    Talmud Jeruschalmi

  • Hallo Tobias, hallo RK,

    mir scheint es, Ihr redet tatsächlich von zwei unterschiedlichen Dingen. Ich möchte das einmal an Hinzes "Ukraine 43/44" und Band 8 erläutern. Was Hinze da zusammengetragen hat, stammt zum großen Teil aus den Divisionshistorien, ihm kann es nicht um die Darstellung des militärhistorischen Ereignisses (das ginge nur in der Totalen) gegangen sein, sondern um eine Bestandssicherung und Zusammenfassung der in den Einzelpublikationen dargestellten Ereignisse aus deutscher (!) Sicht, und die ist nicht einmal vollständig.

    Warum nicht vollständig? Es fehlt einerseits der gesamte Rahmen, der sich um die Operationen zieht. Damit werden die Ereignisse schon aus deutscher Sicht unvollkommen beschrieben. Die Gegenseite fehlt vollständig, ebenso weitgehend die Auswertung der im BA verfügbaren Quellen. Die Bücher reichen somit höchsten für eine grobe Orientierung der Lokalitäten und Abläufe schon aus deutscher Sicht. Wie oben treffend beschrieben war, Alleinstellung bedeutet nicht Qualität.

    Tieke trifft dieser Einwand in vermindertem Umfang, er hat sich zahlreicher Quellen auf Armee-, Korps- und Divisionsebene bedient, verbleibt aber bei den militärischen Operationen ohne "Hintergrund", dafür im Detailreichtum vertieft.

    Umgekehrt sollte man solche Werke nicht in der Reihe der militärhistorischen Schriften diskutieren, dass wird ihrem oben beschriebenen Anliegen der beschränkten Dokumentation nicht gerecht.

    Was allem bisher fehlt, übrigens nach erstem Durchblättern auch dem Band 8 des DRZW, ist es, den immer noch vorhandenen Schleier über der Roten Armee zu heben. Dass ist Arbeit der nächsten Jahrzehnte und wird irgendwann ein vollständiges und objektives Bild der Abläufe abgeben. Ein kleiner Vergleich: Teile wirken auf mich immer noch so, als würde man bei der ex post-Diskussion über eine Schachpartie nur die Züge der einen Seite darstellen, die der anderen Seite nur fragmentarisch überblickend.

    Ich kann leider kaum übersehen, wie weit die Diskussionen und Archive in Rußland sind, aber von den Publikationen her gesehen scheint sich da eine Menge zu tun. Vielleicht wird sich hier irgendwann ein Gesamtbild fügen, dann aber durch eine größere Anzahl von Darstellungen (die Ereignisse 1943/44 sind kaum in einem Band, auch wenn er über 1300 Seiten zählt) zu erfassen.

  • Hallo,

    ok, dann habe ich wohl in den folgenden Satz zu viel hinein interpretiert

    Quote

    Für mich befriedigen die Bücher der alten Frontkämpfer nicht die gerade hier notwendige empirische Struktur und damit Hand in Hand die zu Gebote stehende Objektivität. Punkte, die die Studien des MGFA, beherzigen

    Der sagt für mich nämlich aus:

    Alten Frontkämpfern fehlt die Objektivität.

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

  • Quote

    Original von Tobias Giebel
    Der sagt für mich nämlich aus:
    Alten Frontkämpfern fehlt die Objektivität.

    Hallo Tobias,

    auch wenn das etwas hart formuliert ist, ist das nicht falsch:
    Die zitierten Autoren äußern sich in ihren militärischen Darstellungen wertend, Hinze vielleicht noch mehr als Tieke.

    Nehmen wir einmal ein anderes Beispiel: Niepolds Buch zur Heeresgruppe Mitte, als Dokumentation der KTBs und als Kontrast zu Hinze und als Beispiel, dass die Aussage nicht generalisiert werden kann (es gibt übrigens auch hervorragende Schriften aus der Scharnhorst-Reihe von Kriegsteilnehmern, die zB auch von aktuellen Publikationen nach wie vor rege zitiert werden).

    Übrigens: den Hinweis zur HG Mitte (Hinze-Niepold) kann man gut anhand des entsprechenden Abschnittes in DRZW 8 nachvollziehen.

  • Hallo Thomas,

    sicher mag das für viele stimmen! Aber erstens eben nicht für alle und zweitens mindert es, wie bereits geschrieben, nicht unbedingt die Qualität eines Buches. Es kommt darauf an wie sehr die Autoren bedacht sind ihre Meinung den anderen Menschen einzutrichtern. Und wen der Autor anstatt "russischer Soldat" etwas wie "der Russe" schreibt, so bin ich ein Mensch der sich darüber nicht künstlich aufregen muss, sondern, sofern denn die inhaltliche Qualität stimmt, darüber hinweg liest.

    Und wenn du ehrlich bist:

    Wie vielen Autoren fehlt die Objektivität? Wie viele Autoren versuchen dem Leser, und wenn es nur einige unauffällige Sätze sind, ihre Meinung und Ansicht einzuverleiben? Ich denke diese Prozentzahl reicht weit, weit nach oben.

    Quote

    (es gibt übrigens auch hervorragende Schriften aus der Scharnhorst-Reihe von Kriegsteilnehmern, die zB auch von aktuellen Publikationen nach wie vor rege zitiert werden

    Das ist richtig! Als Beispiel:

    Franz von Adonyi-Naredy, "Ungarns Armee im Zweiten Weltkrieg - Deutschlands letzter Verbündeter"

    Auch aus dieser Schriftenreihe und ein gutes Buch über das Thema, gerade weil es auf dem deutschen Markt sehr wenig Literatur über die Verbündeten, insbesondere Ungarn, gibt. Der Herr war während des Krieges im Stabe einer ungarischen Infanterie-Division.

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

    Edited once, last by Tobias Giebel (July 10, 2007 at 12:21 PM).

  • Hallo Tobias,

    Quote

    ok, dann habe ich wohl in den folgenden Satz zu viel hinein interpretiert


    Dem kann ich mich nur anschließen. Grundsätzlich versuche ich von Pauschalurteilen Abstand zu nehmen, so auch in diesem Fall. Diese Aussage bezog sich auf die in diesem Thread besprochene Autorenschaft. Des Weiteren qualifiziert, der von dir zitierte Satz, diese Personen nicht aufgrund ihrer Laufbahn oder ihrer Ausbildung ab, weshalb mir eine Verbindung dahingehend auch nicht sichtbar werden will.

    Wenn ein Autor wertend in seine Darstellung eingreift, wie das die bereits zur Genüge erwähnten Autoren nun einmal tun, dann entzieht er diesem Buch die Grundlage, um wissenschaftlich an Relevanz zu gewinnen. Die wird in einem Buch nun einmal maßgeblich durch die verwendete Sprache transportiert. Eine kritische Betrachtung der verwendeten Wortwahl oder der Struktur eines Buches, ist keineswegs "künstlich", sondern dient der Feststellung, inwieweit sich der Autor wissenschaftlicher Methoden bedient hat.

    Jeder hat an ein Buch andere Ansprüche, deinen mögen die Darstellungen eines Saft oder Hinze genügen, mir aber nicht. Ich habe dir im Laufe dieses Threads die klar nachvollziehbaren Schwachstellen der Autoren und ihrer Publikationen anhand von Einzelbeispielen, aufzuzeigen versucht und sehe damit meine Aufgabe als erfüllt an.

    Schließlich liegt eine Bewertung über den persönlichen Wert dieser Bücher bei jedem selbst. Aus wissenschaftlicher Sicht, sind diese Arbeiten aber über weite Strecken nicht tragbar, weil sie die von der Wissenschaft definierten Maßstäbe nicht erfüllen können.


    MfG

    Whoever saves one life, saves the world entire.
    Talmud Jeruschalmi

  • Hallo,

    Quote

    Jeder hat an ein Buch andere Ansprüche, deinen mögen die Darstellungen eines Saft oder Hinze genügen, mir aber nicht

    Nun, im Laufe dieses Threads ist mir aufgefallen, das du vielleicht zu hohe Anforderungen hast. Ich bin in der Lage verwertbare Informationen aus Büchern herauszusuchen und zu verwerten.

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

  • Zu Tieke habe ich mal zwei Beschreibungen gefunden, die den Dissenz hier widerspiegeln:

    "Auf einsamer Höhe der Berichte über Schlachten und Entscheidungen des Zweiten Weltkrieges steht das Buch Tragödie um die Treue. Es ist dem Verfasser und seinen Mitarbeitern gelungen, eine schon in ihrem Beginn erkennbare Tragödie, die großen Mut, großen Kampf und hoffnungsloses Sterben einschließt, in einer sehr männlichen, aber zugleich auch sehr erschütternden Weise so zu gestalten, daß sie bis zum letzten Wort den Leser in Atem hält."

    "Das Buch ist typische Tieke-Qualiät! Sehr detailreich werden die Kämpfe in Kurland, Pommern und um Berlin beschrieben, oft auf Battalionsebene, manchmal sogar auf Kompanieebene. Der Leser erhält einen tieferen Einblick in die schweren Kämpfe, die dieses Korps im Laufe seiner Existenz führen mußte. Augenzeugenberichte lockern die Darstellung auf und geben dem geneigten Leser einen Einblick in die Erlebnisse des "normalen" Frontsoldaten ( sehr interessant sind hier die Berichte der ausländichen Freiwilligen!). Insgesamt eine SEHR gelungene Darstellung!"

    Die erste Beschreibung zeigt eigentlich recht gut die Zielstellung seiner Bücher, sicher auch als eine Art "Verarbeitung" seiner Kriegszeit und Angehörigkeit zur Waffen-SS. Dass Tieke zudem Heroisierung des "schon in ihrem Beginn tragisch-" aussichtslosen Kampfes der Wehrmacht, steht vermutlich außer Frage, wie auch die Beschreibung "männlich" nochmal unterstreicht.

    Der zweite Hinweis trifft den bereits angesprochenen Aspekt, dass es hier um "tiefere" Einblicke geht, nämlich um die Froschperspektive der Kämpfe, sicher in dem versprochenen Detailreichtum. Für Einheitsforscher, (ähnlich bei Saft Otsgeschichten, Personensuche etc.), kleinere Statistiken und Sammlungen etc. ist das möglicherweise auch hilfreich.

    Mit "Entscheidungen des Zweiten Weltkrieges", seinem Verlauf und Hintergründe im Sinne der historischen Forschung über den Verlauf des Zweiten Weltkrieges hat das nun allerdings nichts zu tun, aber so sind halt Klappentexte. Das heißt nicht, dass man nicht Daten für die oben genannten begrenzten Zwecke aus seinen Schriften ziehen kann.

  • Hallo,

    Quote

    Für Einheitsforscher, (ähnlich bei Saft Otsgeschichten, Personensuche etc.), kleinere Statistiken und Sammlungen etc. ist das möglicherweise auch hilfreich

    Also in einer Korpschronik möchte ich pers. nichts anderes haben als Infos über dieses Korps und seine unterstellten Einheiten. In einer Divisionschronik möchte ich Infos NUR über diese Division haben. Das ist doch bei Chroniken über Einheiten aber selbstverständlich, noch nie anders gewesen und müsste vorallem auch dir, der du so einige Chroniken hast, die ich haben will, bekannt sein. Wenn ich ein Buch über das III. (germ.) SS-Panzer-Korps habe, dann will ich weder ein Buch über Verbrechen der Wehrmacht noch über die Kämpfe in Estland, Lettland, Litauen in der Hand halten, sondern eins übers III. (germ.) SS-Panzer-Korps!

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

  • Quote

    Original von Tobias Giebel

    Wenn ich ein Buch über das III. (germ.) SS-Panzer-Korps habe, dann will ich weder ein Buch über Verbrechen der Wehrmacht noch über die Kämpfe in Estland, Lettland, Litauen in der Hand halten, sondern eins übers III. (germ.) SS-Panzer-Korps!

    Gruß
    Tobias


    ähm, wie jetzt?

    keine Kämpfe im Baltikum aber doch den Kampfweg des III.(germ)??

    ?(

    Gruss Uwe

  • Quote

    Original von Tobias Giebel
    ... noch nie anders gewesen und müsste vorallem auch dir, der du so einige Chroniken hast,

    Eben deshalb habe ich da unterschieden. ;)

    Ich wollte nur deutlich machen, dass man einerseits vorsichtig damit sein muss, diese Chroniken auf die Ebene historischer Ausarbeitungen zu heben.

    Umgekehrt ist es nicht angemessen, sie in diesen Vergleich zu stellen und mangels Wissenschaftlichkeit, die sie nicht beanspruchen können, als unbrauchbar abzuwerten. Chroniken enthalten zT Material, dass auch nicht mehr im BA vorhanden ist (aus Privatbeständen, von Augenzeugenberichten ganz abgesehen).

    Ich habe fertig :D

  • Hallo Uwe,

    ja, es ist ja ein Unterschied die Kämpfe im Baltikum zu behandeln, oder die Kämpfe des III. germanischen im Baltikum.

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

  • RK,

    Meine Gesamtargumentation lief nicht dahin, Benz den Historikerstatus abzusprechen, es ging um die Reputation, die m.E. deutlich übertrieben wurde, als habe er irgendeine besondere Bedeutung für die Forschung, dann noch, ihn in einem Atemzug mit Wette zu nennen. Nein, es handelt sich um einen Lehrer mit Ambition, nicht weniger. Ich bin mir auch sicher, dass er das werden wollte, immerhin hat er auf Lehramt studiert, denn das bedeutet Staatsexamen nämlich. Das gibt die klare Richtung vor. ICH weiß das...

    Wir brauchen uns nicht über die heterogene Qualität von promovierten und habilitierten (aber v.a. graduierten!) streiten, das ist Fakt. Dass aber eine Aussage über die Qualifikation eines jemanden anhand seiner erworbenen Qualifikation, hier das Staatsexamen, ohne wenn und aber indiskutabel sei oder meine Person in zweifelhaftes Licht stellt, ist für mich wenig nachvollziehbar, folglich ebenso wenig die undifferenzierte Meinung, dass „ein derartiger Abschluß auch nichts über die wissenschaftliche Qualität eines Autors aus[-sage] und [...] daher bei einer Betrachtung desjenigen irrelevant“ sei. Die etwa 150 Jahre währende Professionalisierung der Geschichtswissenschaft kann durch das Befinden eines Moderators des FdW weder rückgängig gemacht noch negiert werden.
    Das Staatsexamen ist die niedrigste Stufe akademischer Qualifikation, was nicht schrecklich viel ist, zudem sorgt die Mehrbelastung durch Didaktik-Veranstaltungen u.a. praktisch dafür, dass man bei Lehrämtern etwas gnädiger in der Prüfung verfährt. Sagt über Benz nichts aus, seine Examensarbeit scheint ja auch sehr gut gewesen zu sein, selbst wenn – das muss man auch im Subtext bei Müller, ebenso wie bei Wette lesen – keine neuen Forschungsimpulse kamen, womit sie auch in Retrospektive Recht hatten. Zum Referieren des aktuellen Forschungsstandes gehört nicht viel. Auch das stellt keine Abwertung durch mich dar, sondern eine simple Beobachtung, ebenso wie die Feststellung wozu ihn ein Staatsexamen nach offiziellen Statuten die Befähigung bescheinigt. Darüber hinaus bietet ihm der Schulbetrieb wenig bis keine Möglichkeit an aktueller Forschung zu partizipieren.

    Abgesehen von dieser Qualifikation gibt es keinen halbwegs objektivierbaren Hinweis über die wissenschaftliche Leistung, außer die Rezensionen, die sowohl was den Rußlandfeldzug als auch das Carell-Buch recht einhellig sind. Im ersten Fall ist es für die historische Forschung als kaum weiter relevant eingestuft worden, wenn auch aktuellen Stand referierend. Das ist zwanzig Jahre her, zwanzig Jahre Fortschritt in der Forschung, ganz besonders in Theoriefragen. Die Chancen, dass man so etwas an der Schule verpasst, sind höher als im Lehr- und Forschungsbetrieb einer Uni etc. Wollen wir uns Benz Stellung im Jahre 2007 ansehen, so scheint er doch nicht nur einiges verpasst, sondern auch verlernt zu haben. Die aktuellen Rezensionen in namhaften Zeitschriften spiegeln das wider.

    Dass sie konstatieren, Benz habe eine Lücke entdeckt, ist kein großes Lob, sondern wiederum eine einfache Feststellung durch den Rezensenten. Wichtiger sind die bewertenden Teile, über das, was der/die Autor/in aus dieser Lücke gemacht hat. Gnadenlose Verrisse schließt es in keinem Fall aus. Das führt zu einem weiteren Punkt. In der Tat ist der Tonfall in Rezensionen immer sehr sachlich, Kritik immer mehr oder weniger verhüllt – umso vielsagender doch die klaren Worte zu Benz’ Carell-Buch! Selbst bei fiesen Verrissen habe ich selten Sätze wie „systematische Quellenarbeit wurde nicht geleistet“ oder „Um die Person Schmidts scheint es in diesen Passagen gar nicht mehr zu gehen“ zu lesen bekommen. (Nebenbei, die Großdeutschlanddivision als jemand, der über Militärgeschichte des zweiten Weltkriegs graduiert hat und nichts anderes in seinen Veröffentlichungen behandelte, als SS-Truppe zu bezeichnen, rundet dieses Bild nur ab.) Ein absolut einhelliger Kritikpunkt ist die sich Larmoyanz und Polemik verlierende Darstellungsart, die Rede ist vom Verlust jeglicher Sachlichkeit. Um solche Unsachlichkeit zu erkennen, braucht es nicht unbedingt platter Ausdrücke wie ‚der Russe’. Wie die Rezensionen zeigen, genügt ein wissenschaftlich geschulter Leser.
    Aus all dem den Schluss zu ziehen, „nicht jedermann“ finde das Buch gut, ist aufgrund der schon genannten Bedeutung von Rezensionen viel zu kurz gefasst. Benz’ aktuelle Arbeit und damit deren Bewertung als irrelevant für die Reputation zu bezeichnen, ist aber nur unfassbar.

    Wenn jemand nach deinen Maßstäben bereits eine Reputation besitzt, wenn er zu einem Thema publiziert hat, können wir uns die Diskussion sparen, ja dann ist auch der Wigbert Benz einer. Ist jemand mit Reputation aber ein Forscher, dessen Werke Standardwerke ihrer Zeit waren, oder gar bis hinein in unsere Zeit sind, oder die unverzichtbare Literatur für ein noch so kleines Thema darstellen, oder die wertvolle Forschungsimpulse gegeben haben, die nachwirk(t)en, dann ist er es nicht. Das Carell-Buch wird daran wohl nichts ändern.

    Ich habe natürlich meinen klaren Verdacht, was die Frage nach meiner Publikation bedeutet. Wie soll ich solche Sprache deuten, wenn sie derartige Botschaften trägt? Mehr noch, wenn sie außerdem aussagt, (m)eine Publikation sei überfällig. Das ist bei drei und einem Restsemester bis zu meinem M.A. wohl kaum der Fall, auch wenn ich recht schnell bin. Mal sehen, was in 22 Jahren ist... Das wäre die passendere Frage gewesen! (Ansonsten Kurzantwort: Winter, bei H-soz-kult bin ich schon lange...)

    Quote

    In meiner Naivität glaubte ich doch tatsächlich, ein dezidierter Hinweis zu besagter Konferenz, könnte interessierte Mitglieder zu eigenständiger Recherche animieren


    Die Belegpflicht für deine Aussagen liegt bei dir, nicht bei mir, dich darauf hinzuweisen, musst du dir nach deinen markigen Worten gefallen lassen. Alles andere ist tatsächlich bestenfalls naiv und diese Naivität nehme ich dir nicht ab.


    Noch einmal speziell zu dir, cpa,

    die Klarstellung war m.E. dringend nötig. In der Konsequenz meiner Ausführung zum Thema akademische Qualifikation stimme ich auch überein, dass man Benz durchaus über Tieke usw. in Sachen Kompetenz stellen kann – ist auch nicht schwer. Und dass Benz Welten von namhaften Historikern entfernt ist. Ein Schelm, wer auf die Idee käme, sich jetzt deren akademische Grade anzusehen und zu Benz und Tieke anzuordnen... :D

    Ich habe das Staatsexamen ja auch ausdrücklich in den Zusammenhang mit dem Schuldienst, den Publikationen sowie deren Rezeption in der Fachwelt gestellt. Dieser Zusammenhang wurde bewusst oder nicht, jedenfalls unstatthaft von RK’s Zitat vernichtet, ist von mir aber in seiner Konsistenz zur Betrachtung gestellt worden.

    Zuletzt, als höchstens vereinzelt zu bezeichnende Ausnahmen und Verweise auf andere Fachgebiete helfen nicht. Anderes Spiel, andere Regeln.

    Edited 2 times, last by Kai G. (July 12, 2007 at 3:47 PM).

  • Quote

    Original von Kai G.
    Noch einmal speziell zu dir, cpa,
    die Klarstellung war m.E. dringend nötig. ...
    Ich habe das Staatsexamen ja auch ausdrücklich in den Zusammenhang mit dem Schuldienst, den Publikationen sowie deren Rezeption in der Fachwelt gestellt.
    Zuletzt, als höchstens vereinzelt zu bezeichnende Ausnahmen und Verweise auf andere Fachgebiete helfen nicht. Anderes Spiel, andere Regeln.

    Na, dann möchte ich Dir auch speziell antworten. Zunächst einmal habe ich nichts klarzustellen gehabt, da sich meine Position zur Bewertung der Autoren nicht geändert hat.

    Deine Ausführungen zu Stellung der Historiker und ihrer Qualifikation sehe ich mit gemischten Gefühlen. Die Unterscheidung der Qualität von Publikationen oder allgemein fachlichen Äußerungen anhand der akademischen Grade halte ich grundsätzlich für verfehlt, Deinen Hinweis auf die mögliche Sonderstellung der Geschichtswissenschaft in dieser Frage ebenso.

    Diese Haltung nehme ich einerseits mit einem gewissen kleinen Überblick über den (natürlich nur einen, aber da verbandsweise HSL-organisiert, wäre auch der Plural nicht falsch) universitären Betrieb ein. Sicherlich dienen in allen Fächern Promotion (und auch Habilitation) dem Nachweis des über Examinierung hinaus vertieften wissenschaftlichen Arbeitens, regelmäßig ist dieses schließlich auch Gegenstand der Disputation und des Rigorosums und ist dort nachzuweisen. Eine Gewähr für anschließend hochwertige literaische oder sonstige fachliche Arbeit ist damit aber nicht gegeben, wenn man sich die Publikationslisten mancher Fachbereiche nach Masse und Qualität durchsieht.
    Eine Publikation nach dem akademischen Grad des Autors einzuordnen, halte ich daher höflich gesagt für verfehlt. Selbstverständlich mag - gewissermaßen auch konträr - die akademische Qualifikation prima facie auch für die Qualität der Arbeit sprechen.

    Zum anderen würde ich diese Meinung als jahrzehntelanger Konsument solcher (gerade hier gerade historischer) Publikationen abgeben, also aus der Sicht desjenigen, für den diese Publikationen überhaupt erfolgen und der sie mittels Buchpreis etc. auch vergütet und sodann Bestände im Umfang einer Fachbereichsbibliothek überblickt. Dafür würde ich sogar gewisse Ansprüche anmelden, urteilen zu dürfen. Etwas ironisch formuliert: wenn die Publikationen (nur) an die geneigte Fachleserschaft gerichtet wären, genügten auch Vorträge und Universitätsverteiler, wie zB bei Dissertationen möglich - manche Promovierte und Habilitierte suchen händeringend nach Verlagen, die hier eine Filterung vornehmen. Dort Abgewiesenes verschwindet dann als Mindestpublikation via Copyshop in 250 Exemplaren in den Lesesäalen. Wenn sich ein Autor dagegen einer breiteren Öffentlichkeit zuwendet, muss er hinnehmen, auch von dieser sachlich beurteilt zu werden, ohne sich dahingehend auszuflüchten, die Beurteilenden wären zB Habilitierte einer anderer Profession. Da mag ein habilitierter Historiker im Urteil der Öffentlichkeit zuweilen schlechter wegkommen als ein promovierter oder gar graduierter. Der anschließende Hinweis, diese verstünden ohnehin nichts davon, würde mir zweifelhaft erscheinen, er mag natürlich demjenigen als Substitution hilfreich erscheinen, der seine Auflage mangels Abnahme über Dritte aufkaufen muß.

    Andererseits gebe ich Dir recht, wenn ich Dein Anliegen hinsichtlich eines weiteren Aspektes richtig interpretiere: sicher ist es im Zeitalter der "digital gestützen Schwarmintelligenz" schwieriger geworder, Expertise zu beanspruchen (wie es ein Kollege der Publizistik ausgedrückt hat). Im universitären Bereich - und damit bis zum Examens-Level - ist es gerade in den Geisteswissenschaften in den letzten 20 Jahren immer schwieriger geworden, wissenschaftliches Arbeiten nachzuweisen bzw. solches zu valuieren. Mittlerweile ist es - etwas grob und überspitzt ausgedrückt -Laien möglich, mit paste&copy in Fachdiskussionen einzugreifen (der Kollege schlug in Weinlaune ein online-Feldexperiment im Rahmen einer Physiker-Diskussion vor, ich glaube aber, dass er es noch nicht realisiert hat :D. Ironisch ausgedrückt: Probate Gegenwehr ist in vielen Bereichen unverändert die fachspezifische Codesprache (das gilt mE für sämtliche Geisteswissenschaften, in Deinem Bereich lassen sich auch Beispiele finden, ohne nun nur auf die inzwischen inflationäre Verwendung von "Rezeption und Perzeption" hinzuweisen).


    Fazit: über Qualität einer Schrift entscheidet die Schrift, nicht die Qualifikation des Autors. Da mag es das geneigte professionelle oder professorale Publikum geben, aber auch das zahlende. da wir schlecht abstimmen können, bleiben solche Diskurse meistens Unentschieden oder haben zwei Sieger. Damit kann man sicher leben, da das Leben im Turm der Wissenschaft ohnehin weitergeht und dann und wann doch beachtliche Sensationen herunterfallen, die im Fall der Historiker selbst die breite Öfentlichkeit zahlenderweise begeistert annimmt.

    Nachsatz: Meine obige Betrachtung ist selbstverständlich nicht ernsthaft gemeint, ist nicht zur Veröffentlichung bestimmt und sollte ich darauf angesprochen werden, behaupte ich natürlich das Gegenteil. 8) Somit gehts ernsthaft weiter und

    in diesem und mit Dir einigen Sinne
    als Konsument und Fan Deiner fachlichen Beiträge

    Herzliche Grüße
    Thomas

  • Ich schätze deine Beiträge auch sehr, doch bitte ich wirklich darum, meine genau zu lesen. Die akademische Qualifikation sehe ich als einen Hinweis unter anderen. Diese anderen, das sind die Anstellung in Forschenden Institutionen und die Rezeption der Werke in der Fachwelt, sind sicherlich entscheidender und im Zweifelsfall bei der Bewertung eines Autoren vorzuziehen, das habe ich auch niemals angezweifelt.
    Sich jetzt nur auf einen Punkt zu stürzen und die schwerer gewichtigen, aber in Konkordanz stehenden, anderen Punkte nicht zu beachten, wie du das zu tun scheinst, ist unfair. Ich hoffe, dass ich dich in dieser Hinsicht falsch verstehe

    Die Sonderstellung habe ich für Geschichte nicht beanspruchen wollen, eher den Unterschied zur Rechtswissenschaft – welcher ich übrigens ohne mit der Wimper zu zucken diese Sonderstellung zuspreche.

    Edited once, last by Kai G. (July 12, 2007 at 9:54 PM).

  • Quote

    Original von Kai G.
    Die akademische Qualifikation sehe ich als einen Hinweis unter anderen ... Ich hoffe, dass ich dich in dieser Hinsicht falsch verstehe ....


    Nichts anderes habe ich geschrieben: "Selbstverständlich mag - gewissermaßen auch konträr - die akademische Qualifikation prima facie auch für die Qualität der Arbeit sprechen." Abgelehnt hatte ich dieses nur als (alleiniges) Kriterium.

    Insofern ist das wirklich falsch angekommen.


    Quote


    Die Sonderstellung habe ich für Geschichte nicht beanspruchen wollen, eher den Unterschied zur Rechtswissenschaft – welcher ich übrigens ohne mit der Wimper zu zucken diese Sonderstellung zuspreche.


    Dass ist natürlich ein Hammer und eine krasse Diskriminierung der Ökonomen, den natürlichen biologischen Feinden aller Juristen :D , und natürlich vice versa. Statt mit der Wimper zu zucken würde ich hier in konvulsivisches Zucken ausbrechen. Zwecks Beweis der Unrichtigkeit Deiner These (ich mag es kaum aussprechen: der ""Alleinstellung"" der Juristen 8o ) - die so nicht stehenbleiben kann - werde ich in Kürze eine 60-seitige Ausarbeitung vorlegen und hier publizieren.

  • Nun gut, dann wäre wenigstens ein Missverständnis ausgeräumt, auch wenn wir in der Wertung im Detail auseinander gehen.

    ... und schade - ich dachte, ich provoziere mindestens 100 Seiten! :D

  • Quote

    Was allem bisher fehlt, übrigens nach erstem Durchblättern auch dem Band 8 des DRZW, ist es, den immer noch vorhandenen Schleier über der Roten Armee zu heben. Dass ist Arbeit der nächsten Jahrzehnte und wird irgendwann ein vollständiges und objektives Bild der Abläufe abgeben. Ein kleiner Vergleich: Teile wirken auf mich immer noch so, als würde man bei der ex post-Diskussion über eine Schachpartie nur die Züge der einen Seite darstellen, die der anderen Seite nur fragmentarisch überblickend.


    hier sind heutige russische Historiker interessant, sie haben sowohl Zugang zur westlichen Literatur als auch zu russischen Archiven, gerade 2007 ist ein neues Buch zu Kursk erschienen, Autor konzentriert sich auf Anfangsphase, auf 736 Seiten!!! 8o