Frontleitstelle des Heeres (Id 298)
Anonymous
Sonntag, 30. Juni 2002, 16:09:40 Uhr
Mein Großvater war Soldat der Luftwaffe. In seinem Soldbuch ist ein Stempel mit folgendem Schriftzug:
"Offizier der Luftwaffe bei d(er) Frontlietstelle d(es) H(eeres) Nr. I"
Kann mir jemand Auskunft darüber geben,
a) was die Aufgaben einer Frontleiststelle des Heeres waren,
die Aufgaben eines Luftwaffenoffiziers dort waren und
c) wo sich diese Frontleitstelle befand (datiert v. 01.06.1943).
MfG
STP
Jörg Wurdack
Sonntag, 30. Juni 2002, 19:10:30 Uhr
zu a) Frontleitstellen hatten die Aufgabe, einzelne Soldaten (vor allem Urlauber),
aber auch ganze Transporte, bei Truppenverschiebungen ihren Einheiten wieder zuzuführen.
Dazu verfügten sie über den in kurzen Abständen aktualisierten "Frontnachweiser",
der die Standorte aller Truppenteile enthielt. Wurde z.B. eine Division verlegt und trafen nach
Verlegung noch Urlauber oder genesene Verwundete dieser Division am alten Einsatzort ein,
dann wurden diese von der Frontleitstelle entweder direkt zum neuen Einsatzort oder zu festgelegten
Sammelplätzen weitergeleitet. Die Frontleitstellen hatten auch für den Transport und die sonstige
Versorgung der weiterzuleitenden Soldaten zu sorgen.
Bei größeren Feinddurchbrüchen nahmen die Frontleitstellen auch Aufgaben in der Versprengtenkontrolle war.
Versprengte Soldaten, die z.B. von der Feldgendarmerie an Versprengtensammellinien
aufgegriffen worden waren, wurden zur Frontleitstelle gebracht und von dort weitergeleitet.
Weiter konnten die Frontleitstellen bei drängenden Lagen zur Aufstellung von Alarmeinheiten
aus den dort versammelten Versprengten und Urlaubern herangezogen werden.
Die Frontleitststellen waren bis auf ganz wenige Ausnahmen Heeres-Truppenteile,
die aber Wehrmachtsaufgaben wahrnahmen, d.h. sie waren sowohl für Heer, Luftwaffe als auch Marine zuständig.
Waffen-SS, RAD, OT usw. wurden stillschweigend meistens mit versorgt und weitergeleitet,
obwohl diese Organisationen keine Teile der Wehrmacht waren.
zu b) Wegen dieser Wehrmachtszuständigkeit befanden sich auf den Frontleitstellen meistens
auch Luftwaffenangehörige, bei Bedarf auch Marinesoldaten, um den Besonderheiten dieser
Wehrmachtsteile gerecht zu werden. Ein Luftwaffenoffizier bei einer Frontleitstelle hatte sich
also vor allem um die Weiterleitung der dort eintreffenden Luftwaffensoldaten zu kümmern.
zu c) Einsatz der Einheit: Die Unterlagen über die gesamte Frontleitorganisation sind
äußerst spärlich, es gibt für viele dieser Dienststellen so gut wie keine Erkenntnisse.
Eine Frontleitstelle Nr. I (römisch Eins) gab es nach meinem Kenntnisstand nicht.
Die Frontleitstellen waren in der Masse bei Kriegsbeginn zunächst unter der Bezeichnung "Frontsammelstelle"
aufgestellt worden und wurden mit großen Buchstaben unterschieden (zunächst A - O).
Im August 1941 erfolgte die Umbenennung in "Frontleitstellen" und die Bezeichnung mit Nummern.
Entweder ist die Frontleitstelle Nr. 1 (arabisch Eins) gemeint, diese existierte aber angeblich nur
als "Frontsammelstelle Nr. 1", aufgestellt am 1.8.1941 aus der Frontsammelstelle A,
keine Erkenntnisse über den Einsatzort.
Eine andere Möglichkeit wäre eventuell noch, das "I" als "J" (wie Julius) zu lesen.
Hier gab es eine Frontsammelstelle J, die 1941 zur Frontleitstelle 9 wurde. An Einsatzorten
liegt hier nur vor: 1944 bei HGr. A in Krakau, 1945 HGr. Mitte in Schlesien.
Diese Verwechslung der Bezeichnung wäre bei einer Luftwaffendienststelle mit
den für sie ungewohnten Bezeichnungen des Heeres durchaus möglich.
Eine Frontleit- oder Frontsammelstelle mit dem Kennbuchstaben "I" (wie Ida) gab es wegen
der Verwechslungsgefahr mit dem "I" als Römisch Eins nicht.