• Hallo,

    ich wundere mich, warum mit Dhyani so streng und vorwurfsvoll umgegangen wird. Was hat er denn so Schlimmes getan? Er hat gesagt, dass er beim Besuch von KL-Gedenkstätten weder geschockt war noch irgendwelche Gefühlsausbrüche gehabt hat. Er hat geschildert wie wenige oder viele Menschen mit dem Wissen um diese Verbrechen umgegangen sind, ob sie schockiert waren oder nur gleichgültig. Vielleicht hat Dhyani seine Empfindungen zu drastisch dargestellt und damit die Gefühle einiger Forumsmitglieder verletzt ohne es zu wollen. Wir alle wissen nichts über ihn, kennen nicht sein Alter und deshalb auch nichts über die Beweggründe seines Handelns.

    Vielleicht ging es ihm wie mir. Als ich während der Gefangenschaft die Filme über die Gräuel in den Konzentrationslagern ansehen musste, glaubte ich, wie viele andere auch, zunächst an Propagandafilme der USA und war auch nicht schockiert. Der Schock kam erst einige Jahre später als immer mehr Einzelheiten über den Holocaust bekannt wurden. Meine Empfindungen zu diesen Verbrechen dürften hinreichend bekannt sein und brauche sie nicht zu wiederholen.

    Dhyani hat ein Menschenbild - von damals - aus seiner Sicht gezeichnet und hat allerdings den Fehler gemacht, indem er schrieb, Zitat: „…dass damals keiner so reagiert hat, wie man es heute gerne hätte.“

    Dhyani hat niemand beleidigt, hat nichts verleugnet und hat ebenso Toleranz zu beanspruchen, wie andere auch.
    Nun könnt ihr auch auf mich einprügeln.

    Gruß
    Erich

    edit: Schreibfehler

    Edited once, last by Gast 1 (October 7, 2008 at 12:20 PM).

  • So Ihr Lieben,

    damit Ihr Gelegenheit habt, alle Beiträge in Ruhe zu lesen und vielleicht einmal eine Nacht über das Gesagte zu schlafen, ist das Thema bis morgen geschlossen.

    Ich werde es dann wieder öffnen - in der Hoffnung, dass es eine faire Diskussion bleibt und dem Thema angemessen ist.

    Viele Grüße,
    Arnold

  • Hallo,

    seltsame Blüten treibt die Debatte hier.
    Wird zu dem Thema etwas anderes als ein Klagelied eingegeben, so übertreffen sich einige Erinnerungsexperten in ritueller Empörung, die eine oder andere sogar mit einer guten Dose überheblichkeit, um nicht zu sagen Arroganz.
    Verweigert sich ein Veteran dann auch noch dem Abscheu-Ritual, und wagt er es nicht in den Chor der Entsetzten zu stimmen, wird das Thema kurzerhand (momentan) geschlossen...

    Ich meine soviel Souveränität im Umgang mit der eigenen Geschichte sollte man eigentlich aufbringen, dass man eine andere Meinung aushält.

    Gruss

    Pitt

    Suche alles zur : 2.SS-Pz.Div."Das Reich" 3./"DF" 10./"DF" 11./"D"

  • Hallo Pitt,

    die kurzfristige Schließung hat nichts mit dem Beitrag von Erich zu tun. Ich kenne die Diskussionen im FdW lange genug, um zu wissen, dass manche Themen plötzlich eskalieren und dass wir dann einige Mitglieder weniger haben...

    Wer eine Antwort zu Themen geben möchte, die Jahrzehnte zurückliegen, kann damit auch noch einen Tag länger warten.

    Gruß,
    Arnold

  • Hi,

    wie und wann Entsetzen und Erschrecken einsetzen, kann einfach nicht "verordnet" werden.
    Jeder hat eine eigene Art, sich diesen Themen zu nähern.

    Möchte dazu auf das Thema Wer einmal richtig schießen möchte ... verweisen.
    Dort, wie in vielen anderen Themen hier, hat sich beispielhaft gezeigt, daß das nicht möglich ist.


    Meine Erfahrungen:

    Etwa 1971 war ich in der CSSR, in Teplitz/Teplice.
    In Theresienstadt war ich; zuviel wußte ich schon und wollte einen solchen Schreckensort mit eigenen Augen sehen.
    Bis heute weiß ich und verstehe es nach wie vor nicht, wie wenig emotional mich das berührt hat.
    Es war eine "Kopfgeschichte", ein Erfassen auf intellektueller Ebene ...

    Zu gleicher Zeit wurde mir erzählt von den Christbäumen über Dresden und vom Widerschein der brennenden Stadt;
    sie hätten es alle tagelang gesehen ... das entsetzte mich.
    Die Fahrt in die CSSR ging damals direkt durch Dresden, die schweren Wunden, die die Stadt erlitten hatte,
    erschütterten mich damals und sind mir bis heute vor Augen ...

    In den 80er Jahren war ich in Ravensbrück.
    Dort hat mich das Entsetzen erfaßt.
    Ich weiß, daß ich dort saß, heulend, fassungslos.


    Ich will hier dafür sprechen, daß jeder das Recht hat,
    auf seine eigene Weise mit den Schrecklichkeiten umzugehen.
    Jemandem vorzugeben, wie er zu empfinden hätte -
    das steht implizit ja im Raume - negiert die Geschichte des anderen.

    Slava Ukraini! In Memoriam A.N.!

  • Quote

    Original von weers
    Hallo Pitt,

    die kurzfristige Schließung hat nichts mit dem Beitrag von Erich zu tun. Ich kenne die Diskussionen im FdW lange genug, um zu wissen, dass manche Themen plötzlich eskalieren und dass wir dann einige Mitglieder weniger haben...

    Wer eine Antwort zu Themen geben möchte, die Jahrzehnte zurückliegen, kann damit auch noch einen Tag länger warten.

    Gruß,
    Arnold


    Hallo Arnold,

    danke für die Klarstellung

    Hallo Pitt

    da hat Arnold genau den Punkt getroffen und wenn er vermutet, dass es dann einige Mitglieder weniger gibt - mindestens einen - vermutet er wieder richtig. Aber ich will meinen Beitrag dazu leisten, dass es dazu nicht kommt und habe mir einen Maulkorb verpasst, und werde mich, zumindest an solchen Themen, nicht mehr beteiligen.

    Hallo Kordula,

    Deine Worte könnten auch meine sein.

    Gruß
    Erich

  • Hallo,

    zunächst möchte ich CEJ für seinen Beitrag danken. Ich finde es wichtig,dass jeder in diesem Bereich seine Meinung kund tun darf (sofern er nicht gegen geltendes Recht verstößt) ohne dafür angeprangert zu werden.

    Wenn jemand wie Dhynai schreibt, dass er beim Besuch einer Gedenkstätte kein Erschüttern gespürt hat, dann ist das sein ehrliches Empfinden gewesen. Ihn nun dafür zu verurteilen ist etwas, dass mir so gar nicht schmeckt.
    Hoffentlich haben noch viele User den Mut ihre wahren Empfindungen zu schreiben, denn nur so lässt sich Geschichte rekonstruieren - nicht durch Dogmen.

    Gruß
    Stefan

    Edited once, last by Herusker (October 8, 2008 at 7:50 PM).

  • Quote

    Original von Herusker
    ... Empfindungen zu schreiben, denn nur so lässt sich Geschichte rekonstruieren - nicht durch Dogmen.

    Seltsame Darstellung,

    wahrscheinlich meinst du etwas anderes: die Perzeption der zB Ereignisse als Wahrnehmungsvorgang. Die kann man nach den verschiedenen Gruppen unterscheiden und untersuchen, zB Beteiligte.

    Rekonstruktion von Geschichte ist etwas anderes und beschäftigt sich mit den Personen (u.U. auch deren Perzeption als Forschungsobjekt), daneben den Ereignissen, Objekten, etc. der Vergangenheit. Wahrnehmung von und das Ereignis als solches müssen nicht übereinstimmen.

  • Guten Abend!

    Quote

    Ich will hier dafür sprechen, daß jeder das Recht hat, auf seine eigene Weise mit den Schrecklichkeiten umzugehen. Jemandem vorzugeben, wie er zu empfinden hätte - das steht implizit ja im Raume - negiert die Geschichte des anderen.

    Diesem Zitat von Kordula hätte ich nichts hinzuzufügen - und um nichts anderes ging es in den Beiträgen zuvor.

    Trotzdem füge ich noch etwas hinzu ;)

    Ich habe kein Problem mit dem Umgang Anderer auf solche Themen (mich interessiert höchstens das Warum), aber ich erwarte auch die Akzeptanz des Anderen gegenüber meiner Umgangsform (und die Erklärung liefere höchstens ich).

    Soweit , so gut - ich habe meine Erfahrungen zum Thema kundgetan. Wenn einer Fragen dazu hat, bin ich gerne bereit, das auch über die PN-Box zu antworten.

    Gruß, Klaus

    Im Gedenken an Veteran Werner (12. SS-Pz.Div 26)
    +11.07.2009

  • Hallo,
    das erste KZ, das ich besichtigt habe, als Soldat 1994 , war Buchenwald.
    Mein Grossvater war selbst kurzzeitig "Gast" in so einem 1933 und wurde nur durch die heftigste Fürsprache seines sehr NS-verbundenem Schwiegersohns nach ein paar Wochen unter Polizeiaufsicht, tägliches Melden, wieder entlassen.
    Als ich Buchenwald besichtigte, wusste ich, dass auch das Pendant dort üble Exzesse durchgeführt hatte. Ich habe das ziemlich neutral und ohne grosse Gefühlsbewegungen mir angesehen, so nach dem Motto: Warum mussten diese(beide Seiten) ... das so machen?
    Ein paar Jahre später hatte ich Gelegenheit mit einer ausländischen JUgendgruppe Auschwitz zu besichtigen. Mich hat das auch nicht besonders aufgeregt, allerdings bei den gesprengten Anlagen konnte ich nur sagen, dass das wirklich gut gemacht war. Und es waren ja nicht nur die Krematorien sondern auch die Gaskammern, in denen eine Zahl X einfach so umgebracht wurden, gesprengt worden. Am Abend sollte eine Diskussion über Auschwitz stattfinden. Die fand auch statt, aber nicht lange. Nachdem ich als Deutscher entsprechend vorgestellt worden war, sollte ich meine Meinung zu Auschwitz abgeben. Diese Antwort war sinngemâss so: "Mir ist Auschwitz aus diversen Medien bekannt, was ich hier gesehen habe bestâtigt wieder meine Einschätzung der damaligen deutschen Machthabe rund deren Helfeshelfern in den besetzten Ländern." . Einige der Jugendlichen kamen aus Antwerpen und da habe ich auch noch etwas auf die Rolle der belgischen Verwaltung gerade in Antwerpen bei der Judenverfolgung hingewiesen. Totenstille, auch bei den Französischsprachigen.
    Ich persönlich bin wenig emotional, von daher kann mich seit bestimmten persönlichen Ereignissen nur wenig erschüttern. Das heisst aber nicht, dass ich nicht auch weinen kann.
    Gruss
    Rainer

    Suum cuique

  • Ich bitte um Entschuldigung, falls ich eventuell vorhandene Antworten ueberlesen oder nicht entsprechend kommentiert habe.

    Jedoch wage ich, meine Ursprungsfrage noch einmal zu wiederholen, da ich (meiner Meinung nach) noch keine (hinreichende) Antwort erhalten habe bzw. herauslesen konnte:

    Was schockiert an KZ/Aussenlagern/aehnlichen Einrichtungen, dass es zu solchen Gefuehlsausbruechen kommt bzw. kommen kann?

    oder

    Warum zeigen sich die Leute, die sagen, dass sie weinen, schockiert sind oder sonstige Gefuehle recht offen zeigen, genau in dieser Art und Weise?

    (Ich stelle diese Frage, ohne eine Verurteilung vornehmen zu wollen und vor allem moechte ich nicht die Gefuehle anzweifeln. Ich moechte lediglich den Grund erfahren.)

    Dhyani

    Use your brain and think about it!

  • Quote

    Original von Dhyani
    Was schockiert an KZ/Aussenlagern/aehnlichen Einrichtungen, dass es zu solchen Gefuehlsausbruechen kommt bzw. kommen kann?

    Konkret: Wer ist wie und weshalb schockiert?

    Hier würde ich gefühlt nach der Nähe zu den Ereignissen differenzieren, aber ich kann mich weder zu allgemeinen Reaktionen, noch zu denen der Zeitgenossen, sondern nur zu meinen eigenen äußern.


    Man kann das schockiert nennen (zuletzt war ich in DORA), oder traurig.
    Diese Stätten verorten und vergegenständlichen zunächst ein systematisch betriebenes, die Vorstellungskraft sprengendes Verbrechen gegen jede Menschlichkeit, die Verfolgung, Mißhandlung und Tötung von Millionen.

    Diese Verbrechen wurden außerdem im Machtbereich und in der Verantwortung des deutschen Staates vollzogen (unter "Beihilfe" anderer, wie Rainer richtig anmerkte, auch unter Pression anderer, was für die Taten als solche mich jedenfalls weniger interessiert), einer großen Kulturnation, bei der Hunderttausende zu radikalisieren waren. Sicher kann man dabei feststellen - und auch das "schockt" - ("ganz gewöhnliche normale Menschen"), dass die Zivilationshaut äußerst dünn ist: die nächste Steinzeit ist offensichtlich wirklich nur drei Mahlzeiten weit weg.

    So vermischt sich alles, auch wenn man dem als Nachgeborener nicht verantwortlich und nur als Ereignis gegenüber steht:
    Trauer auch gerade als Deutscher,
    Unverständnis bei allen Versuchen, das kühl-logisch zu erfassen,
    die krasse Gegensätzlichkeit von Kultur und Tat,
    die menschliche Nähe zu solchen Taten bei Verstand auch abseits von krankhaften bzw. abnormen Einzelphänomenen

    Auch das ist Ergebnis der Mischung, als Beobachtung:
    Es gibt zahlreiche Menschen, die sich ihr Leben lang mit diesen Vorgängen beschäftigen und für die es beruflicher Alltag ist. Ich schließe daraus, dass diese Ereignisse ebenso schokierend abstoßend wirken, wie sie offensichtlich manche anziehen. Andere sind desinteressiert und in der Folge von der Präsenz dieses Themas genervt.


    EDIT
    Mir gerade beim Schreiben eingefallen, welche Bedeutung der Gebrauch der Sprache in diesem Zusammenhang hat und welche Sensibilitäten zu beachten sind. Ein Fall kam in Erinnerung, bei dem das - aus der konkreten Situation heraus, Ort und Zeit, berechtigt oder nicht berechtigt, zu einer Eskalation geführt hat:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Jenninger

    Edited once, last by cpa95 (October 9, 2008 at 10:23 AM).

  • Beim Thema Betroffenheit muß man vielleicht auch zwischen Ost und West unterscheiden.

    In der ehemaligen DDR ist man mit dem völlig einseitigen und oftmals verlogenen Heldenkult der Kommunisten und Antifaschisten als Staatsdoktrin aufgewachsen und sozusagen permanent konfrontiert worden. Ob man nun wollte oder nicht. Geschichte und Personen wurden stilisiert und geschönt, andere Teile ganz verschwiegend oder geklittet. Propaganda in allen Medien, das Thema Faschismus von Kindheit an, mit allem was dazugehört. Die Gräuel und Verbrechen waren allseits bekannt und wurden praktisch ständig thematisiert.

    Besuche der verschiedensten KZ o.ä. waren schon für Pioniere (Kinder) und FDJ-ler (Jugendliche) an der Tagesordnung, zu den vielen verschiedenen offiz. polit. Veranstaltungen obligatorisch.

    Dementsprechend war die Betroffenheitssättigungsschwelle bei vielen zu diesem Thema dann schon früh erreicht. Es enstand eine gewisse Normalität zu diesem Thema an sich. Vielleicht auch als Abwehrreaktion zur "Reiz-Überflutung".

    Hat dann mal ein Wessi so ein Lager besucht ist für den dann oft die Welt zusammengebrochen und derjenige dann oft gleich mit. Ein guter pers. Freund hat zu DDR-Zeiten über mehrere Jahre Westreisegruppen durch historische Stätten, auch der ehemaligen Nazizeit geführt, und von einer Vielzahl solcher Begebenheiten berichtet.

    Es mag also unabhängig von der pers. Befindlichkeit des Einzelnen durchaus Unterschiede in der Betrachtungsweise und in der Aufnahme dieser Eindrücke vor Ort gegeben haben, denn die Deutschen in Ost und West sind völlig unterschiedlich mit dem Thema aufgewachsen.

  • Hallo Rolf!

    Ich wage mir, deine Kommentar etwas zu revidieren.

    Quote

    hier ein Beispiel, dass das Los der Juden einigen bekannt war und ihnen auch von einigen geholfen wurde.

    Ich denke, daß trifft es besser und hoffe, Du nimmst mir das nicht übel.

    Gruß, Klaus

    Im Gedenken an Veteran Werner (12. SS-Pz.Div 26)
    +11.07.2009

  • Quote

    Original von Herusker
    Immer wieder kommt dabei die Behauptung auf, dass es unmöglich gewesen sein kann, dass so etwas in der deutschen Bevölkerung unbekannt geblieben ist.

    No Comment (nat. nur auf ein KL bezogen, nicht auf die Vernichtungslager)

    Aus Longerich, Peter: Himmler Biographie. (2008) S. 159

    Man achte auf das Datum!!
    (Ansonsten halte ich mich aus dieser unsäglichen Disk. zu Emotionen usw. der Gegenwart heraus)

  • das erste Mal war ich 1988 in Buchenwald und damals hat mich das emotional zumindest zeitweise ziemlich erschüttert, beim zweiten mal 2002 hab ich nur noch diese dunkle Aura punktuell gefühlt.

    lag wahrscheinlich an den 3- 4 knallbunten Reisebussen davor.

    zu den Lagern und Wissen oder Unwissen.

    Ich glaube jeder wusste über diese Lager, aber was darin genau vorging wussten nur die wenigsten und vorallem wollte es auch niemand genau wissen. In den Lagern waren ja nicht nur Komunisten und unschuldige Juden etc. sondern auch Kriminelle, Mörder, Kinderschänder etc.

    Beitrag geändert, einige "verdächtige" Passagen entfernt.
    Arnold