Hallo zusammen,
ich hatte das genannte Buch zur 2. Panzer-Division schon vor Jahren gelesen und dachte bisher auch, der Politiker Franz Josef Strauß wäre der Autor.
So leicht kann man sich täuschen.
Hier vielleicht noch zur Ergänzung der ausführlichste Link zur Wehrmachtslaufbahn des Politikers F.J. Strauß,
Auszug:
QuoteIm Februar 1941 unterstellte man seine Batterie der Heeresflak-Abteilung 277, die in Kronach in Oberfranken zusammengestellt worden war und nach Abschluss der Aufstellung in Polen zum Einsatz kam. Nach der Ablegung des Zweiten Staatsexamens am 1. April 1941 wurde er am 14. April erneut einberufen und nahm ab Juni am Russlandfeldzug teil. Sein Truppenteil kam nacheinander in den Räumen Przemysl, Lemberg, Kirowograd, Krementschug und Dnjepr zum Einsatz.
Von September 1941 bis Februar 1942 absolvierte er einen Offiziersanwärterlehrgang in Altendamm bei Stettin. Am 15. Februar des gleichen Jahres erfolgte die Beförderung zum Wachtmeister und Leutnant. Im Rahmen der weiteren militärischen Laufbahn gehörte Franz Josef Strauß der Heeresflakartillerieabteilung 279 in Gotha an, aus der im März 1942 die Heeresflakabteilung 289 neu aufgestellt wurde. Diese Abteilung wurde dann am 28. April von Gotha nach Russland verlegt und in der Ukraine, auf der Krim sowie vor Stalingrad eingesetzt, wo sich Franz Josef Strauß beide Füße erfror. Nachdem er zwischen Januar und Mai 1943 an der Feldflak Artillerieschule XII in Stolpmünde einen weiteren Lehrgang absolviert hatte, wurde er als Ausbildungsoffizier und Abteilungsadjudant an die Flakschule IV in Altenstadt bei Schongau abkommandiert.
[...]
http://www.fjs.de/privates/soldat.html
Damit komme ich zur eigentlichen Quellenkritik des von UdoRudi eingestellten Dokuments.
"Die Quellenkritik versucht festzustellen, wer eine Geschichtsquelle hergestellt hat und mit welcher Motivation. Damit ist sie eine zentrale Aufgabe von Historikern."
https://de.wikipedia.org/wiki/Quellenkritik
Der Autor F. J. Strauß hat in seinem Buch einleitend folgende Vermutung geäußert:
Quote"Nach langen Monaten Aufenthalt unter primitiven Umständen in Rußland und langen Monaten Urlaubssperre konnten etwa im Juni 1942 endlich die ersten Soldaten in Urlaub fahren.
Irgendein Spaßvogel (sic!) brachte folgendes Merkblatt für Fronturlauber heraus:
"Urlauber der Ostfront, bedenke, daß Du in ein Land kommst, dessen faschistische Lebensverhältnisse wesentlich von denen abweichen, die Du aus der UdSSR gewohnt bist.
[...]""
(Franz Josef Strauß, Die Geschichte der 2. (Wiener) Panzer-Division, Eggolsheim o.J., S. 127.)
Ich habe selbst eine Version dieses sogenannten "Merkblatts", mit vielen Tippfehlern, wahrscheinlich die billige Kopie einer Abschrift, weil das Papier hauchdünn ist.
Am Ende steht der Hinweis, dass es sich um eine Übernahme "Aus der Frontzeitung "Die Wolgafront" handelt. Also kein offizielles Merkblatt für Fronturlauber.
Das verantwortliche Höhere Kommando XXXIV gehörte wohl laut Lexikon der Wehrmacht 1941 zur 2. Armee (Südflügel der Heeresgruppe Mitte), ab Ende Januar 1942 zur 2. Panzerarmee.
Und die 2. Panzer-Division gehörte im fraglichen Zeitraum zur 3. Panzerarmee (Nordflügel der Heeresgruppe Mitte)
Die 2. Panzer-Division lag also gar nicht im Einzugsbereich dieser Propaganda- und Soldatenzeitung, wenn man sich die Urheberschaft im Bundesarchiv ansieht:
Die Wolgafront.- Nachrichtenblatt eines Armeekorps an der Ostfront
Archivaliensignatur:
BArch, RH 24-34/77
...
Kontext:
XXXIV. Höheres Kommando z.b.V. / XXXIV. Armeekorps z.b.V. >> RH 24-34 Höheres Kommando z.b.V. XXXIV / XXXIV. Armeekorps z.b.V. >> Abteilung Ic (Feindaufklärung und Abwehr, geistige Betreuung)
Laufzeit:
Nov. 1941
Enthältvermerke:
Enthält:
Jg. 1941: Folge 1, 3
Provenienz:
XXXIV. Höheres Kommando z.b.V. (XXXIV. Höh. Kdo. z.b.V.), 1939-1941
Archivalientyp:
Schriftgut
...
Bestand:
BArch, RH 24-34 XXXIV. Höheres Kommando z.b.V. / XXXIV. Armeekorps z.b.V.
Quelle:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/REFAMGQ2Z…hit&hitNumber=3
Ich denke entscheidend ist der Hinweis auf die verantwortliche Abteilung:
"Abteilung Ic (Feindaufklärung und Abwehr, geistige Betreuung)"
Nach meiner Kenntnis waren viele Offiziere in den Ic-Abteilungen eingefleischte Nazis (mit Parteibuch) oder mussten zumindest "ideologisch gefestigt" im Sinne des NS-Regimes sein.
Vermutlich haben dann später andere "Etappenhengste" in den übrigen Frontgebieten diese satirische Abrechnung mit der "Winterschlacht im Osten" abgeschrieben/kopiert.
In manchen höheren Stäben hatte man wohl oftmals geradezu Langeweile.
In UdoRudis Version steht dazu passend ganz unten der Vermerk der Kartenstelle 83/523. Die hatten wohl auch öfters Langeweile in der Etappe...
Hier im Forum wurden verschiedene Kartenstellen einmal thematisiert:
Link:
Kartenstellen
------------------------------------------------------
Die Quellenkritik hat in diesem Fall also ergeben, dass eine Propaganda-Abteilung das "Merkblatt für Fronturlauber" für eine Frontzeitung hergestellt hat.
F. J. Strauß zufolge nach monatelanger Urlaubssperre im Frühjahr 1942 und nachdem dieselben Zeitungsschreiber den "Feldzug im Osten" bereits im Herbst des Vorjahres für "siegreich beendet" erklärt hatten. So wie übrigens die NS-Presse im Heimatkriegsgebiet die Bevölkerung laufend schamlos belogen hatte.
"Nach langen Monaten Aufenthalt unter primitiven Umständen in Rußland und langen Monaten Urlaubssperre konnten etwa im Juni 1942 endlich die ersten Soldaten in Urlaub fahren." (F.J. Strauß)
Welche Motivation der Verfasser des satirischen Propagandaprodukts dabei hatte, muss man vielleicht noch genauer untersuchen.
Gruß
Bodo
Schriftgröße auf normal gebracht, Diana