"Shoah" heute (12.11.2013) auf arte

  • Hallo Joseph,

    wie immer wenn Dir nicht genehme Themen oder Meinungen auftauchen und Du nicht moralisieren oder gar unterbinden und verhindern kannst, machst Du es Dir einfach und verharmlost dann die Dir unbequemen Themen. Und Du ignorierst offensichtlich alles an Fakten und Tatsachen, die Deiner Meinung nicht entsprechen. So auch in diesem Thread.

    In der hier angeführten Rezension zu den drei 2011 erschienen Untersuchungen wird die Dimension der Beteiligung von polnischen Bürgern am Judenmord und die Motivation sehr detailliert und schonungslos offengelegt und beleuchtet. Wenn Du sie gelesen hättest, würdest Du nicht nur von der bei Dir immer wieder auftauchenden Unwahrheit von Einzeltätern, die auch erst nur durch Deutsche ermuntert oder aufgestachelt werden mußten, abrücken müssen, sondern auch akzeptieren müssen, daß hier eine Eigendynamik und Größenordnung eintrat, die sich quer durch die gesamte polnische Gesellschaft zog und viel tiefere Ursachen hatte, als nur die Deutschen im Lande.

    Natürlich bot die deutsche Besetzung ein ideales Umfeld für den nach 1939 erneut aufbrechenden Judenhass der Polen nebst den darauf folgenden Untaten, aber sie war nicht die Ursache und kein Einzelfall, sondern grauenvoller Höhepunkt einer langen und konfliktreichen Entwicklung des Verhältnisses von Polen und Juden in der polnischen Geschichte.

    Gerade das Thema Polen-Polnische jüdische Mitbürger ist daher weit vielschichtiger und vor allem deutlich anders als Du immer wieder versuchst fälschlich zu vermitteln. Der in Polen damals und bis heute stark ausgeprägte Nationalismus und Katholizismus spielte hierbei schon immer eine unheilvolle Rolle, insbesondere in der Zeit nach dem 1.WK bis zum 2.WK. Der Umgang des polnischen Staates unterschied sich in dieser Zeit, insbesondere während der Zweiten Republik, kaum von den Maßnahmen in Deutschland bis 1939 bei der Zurückdrängung der Juden aus der Gesellschaft.

    Während der Zweiten Republik nahm die Judendiskriminierung in Polen zu, da die Juden oft nicht als wahre Polen anerkannt wurden. Dieses Problem wurde sowohl durch den polnischen Nationalismus mit Unterstützung der Sanacja-Regierung als auch durch die Tatsache, dass viele Juden ein von der polnischen Mehrheit getrenntes Leben führten, verursacht

    Die 1937 an einigen Universitäten eingeführte halb- und inoffiziellen Quoten (Numerus clausus) sowie Segregation durch Sitzordnung (Getto-Sitzbänke, getto Bawkowe) halbierten zudem die Zahl der Juden an polnischen Universitäten zwischen der Unabhängigkeit und den späten 1930er Jahren. 1937 beschränkten die Verbände polnischer Akademiker und Rechtsanwälte ihre neuen Mitglieder auf christliche Polen, während viele Stellen bei der Regierung für Juden unzugänglich waren. All diese Ereignisse wurde von körperlicher Gewalt begleitet; von 1935 bis 1937 wurden bei antijüdischen Vorfällen 79 Juden getötet und 500 verletzt.[9] Die Gewalt richtete sich auch oft gegen jüdische Geschäfte, von denen viele geplündert wurden. Gleichzeitig reduzierten dauerhafte wirtschaftliche Boykotte und Hass einschließlich der Unruhen, kombiniert mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, die für stark landwirtschaftlich geprägte Staaten wie Polen besonders schwerwiegend waren, den Lebensstandard für polnische Juden.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Juden_in_Polen

    Selbst noch nach dem Krieg kam es in Polen zu Ausschreitungen gegen Juden, z. B. 1946 zum Progrom in Kielce, die dann ja in eine Massenflucht in den darauffolgenden Jahren endeten.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Pogrom_von_Kielce

    Übrigens schon 2008 hat man die in der zuvor von mir angeführten Rezension zu den drei geposteten Werken und den darin getroffenen Feststellungen im Westen offen thematisiert.

    http://polskaweb.eu/polen-juden-76584.html

    Das sich Polen in allen erdenklichen Fragen jener Zeit und auch zum Thema der Beteiligung an Judenverfolgung-und Vernichtung bis heute rein als Opfer sieht und natürlich alles ausgeblendet wird, was Polen bis 1939 im eigenen Lande und auch in der europäischen Politik "anstellte" ändert nichts an den Tatsachen, die auch hier offensichtlich immer mehr ans Tageslicht kommen, vor allem durch polnische Forscher selbst.

    Gruß Bernd

    Edited 3 times, last by Hoth (November 15, 2013 at 1:27 PM).

  • Hallo Bernd,

    in meinem letzten Beitrag habe ich auf die Tatsache hingewiesen, dass Polen ja bekanntlich Jahrhunderte als Staat nicht existierte.

    Nach dem 1. Weltkrieg erlangte es die Selbstständigkeit und konnte in zahlreichen Kämpfen mit der RA und auch gemäß den Bestimmungen von Versailles und Folgekonferenzen (Riga, etc.) sein Staatsgebiet auf Kosten seiner Nachbarn stark vergrößern.
    Durch den Sieg über die RA ("Wunder an der Weichsel") sah es sich auch als Retter Europas vor dem "Bolschewismus" - ähnlich der Rettung 1683 vor den Türken durch J. Sobieski.

    Durch diese unmäßige Vergrößerung schaffte sich Polen natürlich selbst so einige Minderheiten-Probleme (Deutsche, Litauer, Weißrussen, Russen, Ukrainer und nicht zuletzt Juden). Die jüdische Bevölkerungsgruppe war besonders in den südlichen und östlichen Landesteilen stark vertreten.

    Die poln. Regierung in der Zwischenkriegszeit kann als nahezu faschistoid und extrem nationalistisch bezeichnet werden. Dieser Nationalismus wurde dann nach Jahren der politischen Nichtexistenz der Nation recht hemmungslos ausgelebt, was natürlich zu Spannungen mit den Minderheiten führt.
    In den ukrainischen und litauischen Gebieten waren häufig Polen (und Juden) die Besitzer großer Betriebe und landwirtschaftlicher Güter - die Ukraine/Litauer waren nahezu Leibeigene - auch ein Grund für entstehende Spannungen.
    Bekanntlich gab es im Zuge der deutschen Besetzung Polens und der Ukraine und auch in der Nachkriegszeit heftigste Kämpfe zwischen poln. und ukrain. Nationalisten mit Zehntausenden bestialischen Mordtaten (von beiden Seiten!) sowie Umsiedlung ganzer Bevölkerungsgruppen (z. B. Lemken) in die früheren deutschen Ostgebiete.

    Nach der nun wiedergewonnenen Unabhängigkeit von der SU erlebte Polen in den ersten 20 Jahren eine Neubelebung eines naiven Nationalismus, der uns befremdlich vorkommt.
    Bei meinem vorletzten Besuch in Warschau im Sommer dieses Jahres war ich Augenzeuge einer martialischen Demonstration polnischer Ultranationalisten. Diesen war es - aus meiner Sicht völlig unverständlich - erlaubt worden, in militärischen Kampfanzügen mit Waffen (hoffentlich nur Attrappen?) sich der Bannmeile des Präsidentenpalais lautstark zu nähern und unter den Passanten Schrecken zu verbreiten.

    Vor kurzem hat die gleiche Gruppe vor der russ. Botschaft und anderen Gebäuden randaliert und Feuer gelegt (http://www.sueddeutsche.de/politik/aussch…chaft-1.1816286).

    Wie kann man das verstehen? Man stelle sich mal so etwas in D vor: NPD-Horden und Glatzköpfe marschieren mit Sturmgewehren durch Berlin ...?!

    Nun - es ist die große, fast religiöse Ehrfurcht vor dem Nationalen, welches fast alle Dummheiten toleriert und alle Weltfragen erklärt. Die Flug-Katastrophe von Smolensk ist immer noch ein Thema - für mind. 1/3 der Bevölkerung waren die Russen (und ...) die Drahtzieher.

    Und so ist es nun erfreulich zu sehen, dass es nun auch in Polen einige zaghafte Pflänzchen im kulturellen Bereich gibt, welche diesen kindlichen (unschuldigen?) Nationalismus in Frage stellen. Nationalismus ist nun einmal, nach A. Einstein, die Kinderkrankheit der Völker. Wir haben diese Krankheit (hoffentlich) überwunden - es war ein extrem schwerer Verlauf mit extremem Fieber und Ansteckung in der Nachbarschaft - und Belastung des Rettungspersonals.

    Hoffen wir, dass der Verlauf in den anderen Ländern durch perfekte Medikation harmlos sein wird.


    So - und nun noch einmal "Butter bei die Fische":

    - Ich möchte hier festhalten, dass die Shoah ohne den deutschen NS-Wahnsinn und der deutschen militärischen Leistungsfähigkeit nicht möglich gewesen wäre. Das kann ernsthaft niemand bestreiten. Hier liegt die Verantwortung eindeutig beim deutschen Staat und seinen Organen.

    - Wenn es in Polen oder anderen Ländern zu Pogromen oder anderen Gewaltmaßnahmen gegen Juden (oder andere Gruppen) gekommen ist, dann waren diese keine staatlich angeordneten, sondern spontane (vielleicht polit. begünstigte) Ereignisse. Hier kann man die individuell verantwortlichen Täter anklagen - aber nicht "die Polen", höchstens das polit. fachistoide bzw. kommun. System.


    Ich stelle ja die von Dir genannten durchaus seriösen Quellen nicht in Frage - auch nicht die von Daniel gelisteten Buchinhalte. Allerdings benötige ich diese Informationen nicht, um mir eine Meinung zu bilden bzw. zu leisten, welche bei mir auch auf Grund anderer und unmittelbarer Erkenntnisse gewachsen ist.

    Ich kann mit all den netten Vokabeln ganz gut leben, durch welche ich vor (!) und während der Dispute von Daniel und Dir (auch heute!) charakterisiert wurde:

    Daniel: inkompetent, unwissend, täuschend, ...
    Du (s. o.!): moralisierend, unterbindend, verharmlosend, ignorierend, nichts gelesen, fälschlich vermittelnd, ... .

    Und daher werde ich mich nun auch hier (versprochen!) aus dieser Arena zurückziehen, damit wieder seriös mit These und vielen Literaturstellen geglänzt werden kann.

    Gutes Gelingen wünscht

    Joseph

    Suche Informationen zum Füs.Bat. 170 im Zeitraum Juli 1944 und zur 269.I.D im Zeitraum Januar bis März 1945 (Festung Breslau)

    Edited 2 times, last by Gast 27 (November 15, 2013 at 3:11 PM).

  • Hallo,

    ich habe mal aus dem Internet folgende Sachen zum Thema Shoa/Lanzmann herausgesucht, die meinen Hinweis, denn mehr war es auch nicht, unterstützen sollen. Demnach ist der Wunsch eine Trennung des Threads herbeizuführen zu wollen, von Josephs Unterstellungen ganz zu schweigen, vollkommen absurd.

    Selbstverständlich plante Lanzmann eine Doku über das Jahrhundertverbrechen der Deutschen an den Juden, aber …

    „… während der Arbeit an Shoah , lernt Lanzmann den viszeralen Antisemitismus Polens kennen. …“
    (Quelle: http://www.zeit.de/kultur/literatur/2010-09/claude-lanzmann)

    … und dieser wurde ein wichtiger Bestandteil des Films. Ob das Joseph nun wahrhaben will oder eben auch nicht.

    Über die Reaktion der polnischen Regierung auf Lanzmanns „Shoa“ hatte ich ja bereits aufmerksam gemacht. Dazu nochmal folgendes.
    „… Der polnischen Regierung war dies zuviel. Nach einer Ausstrahlung dieser Filmszenen durch das polnische Fernsehen beschloß sie einen absurden Schritt: Noch vor der Pariser Uraufführung protestierte sie in aller Form bei der französischen Regierung gegen SHOAH und verlangte ein vollständiges Verbot des Films. Die Demarche ging natürlich ins Leere. Daraufhin ließ sich die Spitze der polnischen Staats- und Parteiführung den Film in einer geschlossenen Vorführung zeigen, um über das weitere Vorgehen zu beraten: vier stellvertretende Ministerpräsidenten, vier Generale, der Außenminister und General Jaruzelski persönlich. Die Führung einer Partei, mit deren unrühmlicher Geschichte antisemitische Pogrome und „Säuberungsaktionen" auf das engste verbunden sind, nimmt Nachhilfeunterricht in Geschichte. Das Ergebnis: Man schließt einen Kompromiß mit Lanzmann; es kommt im Oktober 1985 zur Ausstrahlung eines 90minütigen Zusammenschnitts im polnischen Fernsehen; in der anschließenden Diskussion wird der Film „einmütig" verurteilt. Lanzmann erfährt später, die Regierung habe Fernsehreporter auf die befragten polnischen Bauern angesetzt, um aus ihnen das „Geständnis" herauszupressen, daß der Regisseur sie für ihre antisemitischen Äußerungen bezahlt habe. …“
    (Quelle: http://www.filmzentrale.com/rezis/shoahkk.htm)

    Übrigens zu Lanzmanns Sichtweise, nicht meiner, wie Joseph es hier andauernd versucht darzustellen, auch noch ein anderes Beispiel, welches hier glänzend hineinpasst:

    1991 ging Claude Lanzmann bei dem polnischen Film „Korczak“, von Andrzej Wajda, auf die Barrikaden: „… Einige Intellektuelle, allen voran Claude Lanzmann, der Regisseur der Dokumentation „Shoah“, hielten den Film ebenfalls für antisemitisch. Die Vorwürfe: Ein strahlender Korczak werde schmutzigen, geldgierigen Juden gegenübergestellt, und es fehle jeglicher Hinweis auf die Beteiligung der polnischen Bevölkerung an den Verbrechen der Nazis.

    Und auch da haben wir es wieder, Zitat: „.. auf die Beteiligung der polnischen Bevölkerung an den Verbrechen der Nazis.“

    Wer hätte das gedacht?

    Daraufhin reagierte Wajda auf die ausgesprochenen Anschuldigungen ähnlich wie Joseph:
    „ … Für einen Moment verliert der Regisseur seine Zurückhaltung. Ja, fährt er fort, er meine damit Claude Lanzmann, dessen Film er sehr schätze, obwohl Lanzmann nur ganz bestimmte Polen in „Shoah“ gezeigt habe: „Ausgerechnet in Polen, wo die Bereitschaft, Juden zu verstecken, ziemlich groß war, viel größer als anderswo.“ Seine „polnische Seele“ leide, sagt Wajda und spricht von dem einen Gerechten, der auch in Polen existiert. Er verweist auf die Bibel: Eine ganze Situation ändere sich, wenn nur ein einziger Gerechter ...“.
    (Quelle: http://www.zeit.de/1991/15/ein-film-fuer-polen)

    Das Problem ist hierbei aber, dass die relativierenden Aussagen von Wajda leider wissenschaftlich (fachlich) nicht verwertbar sind, genauso wie die von Joseph. Mit Meinungenschreibt man nun mal keine Geschichte. Ausserdem erinnern wir uns jetzt zurück, an unsere eigene deutsche Vergangenheitsbewältigung, die noch nicht solange her ist. Nach dem Krieg wollte hier niemand ein Nazi oder in der Partei gewesen sein. Fast jeder hatte Juden geholfen, sie versteckt oder mit ihnen sympathisiert. Die Wehrmacht war sauber und Verbrecher waren immer die Anderen. usw. usw.

    Polen hat da leider noch ne ganze Menge nachholbedarf, genauso wie Joseph.

    Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

    Edited once, last by Policeman (November 15, 2013 at 7:16 PM).

  • Guten Abend meine Herren,

    bei aller Freundschaft:

    Wer schafft es von euch als Erster dieses "Anschärfen" aus den Posts zu lassen?

    Immer wieder diese Spitzen, teilweise gut versteckt, teilweise recht offen vorgetragen...

    Liegt es nicht in unser aller Interesse vernünftig miteinander umzugehen?
    Ich bin fest davon überzeugt das es gelingen könnte, wenn man nur will.
    Hier hat jeder ein ordentliches Pfund Grips in der Birne, warum wird nicht davon Gebrauch gemacht?
    Auch muss hier keine Belehrung stattfinden, jeder hat genug Wissen was damals war, es braucht keine Erstunterweisung.
    Unstimmigkeiten, abweichende Meinungen, Beurteilungen gehören besprochen, diskutiert....nur, nennt ihr das gerade hier Stattfindende eine Diskussion, ein "drüber reden"?
    Ich nicht, es ist wie immer, alles wird kaputtgeredet.

    Damit meine ich alle, nicht jetzt explizit Daniel weil ich gerade auf seinen Post antworte.

    Ihr macht das schon, wie immer...

    Grüße Thomas

  • Hallo Thomas,

    ich habe mir in Punkto Schärfe in meinen Beiträgen hier nichts vorzuwerfen, darum wage ich den ersten Schritt nach Deiner Ansprache.

    In meinen vorherigen Beiträgen habe ich versucht (ohne Spitzen) darzulegen, warum das Thema Shoa und polnischer Antsemitismus in auf einer Bühne gespielt werden sollte. Da die meisten hier - mal unterstellt - etwas vom Fußball verstehen, hier der Dollpunkt: was haben z.B. Bayern München und der FC Hintertupfingen gemeinsam, ja sie spielen Fußball. Aber das war es auch schon. Wenn ich Kreisklassenfußball abhandeln will, dann fällt mir auch nicht ein Bayern München mit abzuhandeln.

    So, aber jetzt noch mal argumentativ:

    ich vermute mal, dass den teilnehmenden Diskutanten Christopher Browning´s Die Entfesselung der „Endlösung“ bekannt ist. Auf über 700 Seiten vollzieht er akribisch nach, wie, von der ideologischen Welle des Rassismus getragen und im Windschatten des Krieges, ab 1939 die „Herrenmenschen“ mit jeder Mordaktion mutiger wurden, sie geografisch immer weiter ausdehnten, immer mehr „Untermenschen“ einbezogen und sie mit industrieller Systematik und Methodik ermordeten. Historisch firmiert dieses unter den Begriffen Shoa, Holocaust, aber auch Völkermord oder Genozid. Und in der Regel mit Superlativen wie „größter“ oder „schlimmster“ usw. belegt. Nur um eine Zahl zu nennen: rd. 5.700.000 Juden wurden ermordet, dass sind rd. 2.750 Menschen an jedem Kriegstag.

    Und dann gab es im gleichen Zeitraum Untaten von Polen gegen die Juden. Mehr oder weniger spontan. Im Grunde ist (mir) nur eine größere Aktion in Jedwabno in der Kriegszeit bekannt. Je nach Quelle kamen dabei bis zu 1.400 Menschen um. Täter waren (katholische) Polen (die von den deutschen Besatzern nicht gehindert wurden) und Opfer die (jüdische) Polen. Der Verlauf dürfte in etwa dem Verlauf eines gewöhnlichen Judenpogroms entsprochen haben, wie sie bis in die Neuzeit hinein sporadisch in Ost-Mitteleuropa auftraten. Alles andere waren individuelle Taten, die in einem geordneten Staatswesen der Kriminalgerichtsbarkeit überlassen worden wären. Leider gab es keine funktionierende Gerichtsbarkeit.
    Dazu eine Textpassage aus einem Aufsatz von Feliks Tych, die für sich selbst spricht:
    „Eine ganz entscheidende Erfahrung der deutschen Gewaltherrschaft während der Okkupation (Polens, PS) war die, dass ein Jude ohne Bestrafung des Täters getötet werden konnte, dass das Umbringen eines Juden nicht zur Kategorie eines gewöhnlichen Mordes oder überhaupt eines Verbrechens gehörte. In solchen direkt nach dem II. Weltkrieg bemerkbaren Formen (und wohl auch während des Krieges, PS), in diesem gewalttätigen Ausmaß, spielte sich der Antisemitismus in Polen vor 1939 nicht ab.“

    Feliks Tych
    Deutsche, Juden, Polen:
    Der Holocaust und seine Spätfolgen
    http://www.fes.de/fulltext/historiker/00809002.htm#E9E2
    Ein lesenswerter Aufsatz, Bert / Hoth, danke für den Link

    Dies u.a. mal zu den sehr unterschiedlichen quantitativen Dimensionen. Es mag zwar eine Diskrepanz geben zwischen der Selbstwahrnehmung der (katholischen) Polen in Bezug auf ihre Opferrolle im 2. WK und den mehr und mehr sich abzeichnenden historischen Tatsachen, die auch auf eine Täterschaft hinweisen, geben. Aber unterm Strich bleiben die Polen Opfer, selbst als Täter, denn sie wären aller Voraussicht nach nicht zu Tätern geworden, wenn sie nicht zuvor Opfer geworden wären. Und hier liegt der Unterschied zu den Deutschen, die waren erst Täter und wurden dann Opfer (ihrer eigenen Taten).

    Darum wünsche ich mir, dass das Thema polnischer Antisemitismus nicht in einem Abwasch mit der Shoa / dem Holocaust hier im Forum abgehandelt wird.

    Gruß

    Paul


    G-W-G'

    Edited once, last by Paul Spohn (November 15, 2013 at 8:00 PM).

  • Guten Abend Paul,

    nur weil ich von alle rede sind nicht immer alle gemeint, erleichtert mir keinen direkt anzusprechen.
    Nix für ungut. =)

    Und ja, ich habe Browning gelesen, ich habe zig Bücher diesbezüglich gelesen, mein Schwerpunkt ist Allg.SS, somit auch Himmler, somit sein Kommandostab RFSS, ja auch dazu habe ich Cüppers gelesen, ich habe Bücher über Heydrich, über andere "Größen" der SS, Bücher über KZ-Kommandanten, über KZs selber, ich habe viele Bücher von damals "Inhaftierten", von überlebenden Juden, dazu noch jede Menge Standardblödsinn von gerade beliebten Historikern.

    Warum sag ich dir das?
    Weil ich möchte, dass jeder erkennt, dass ich nicht mitquassel ohne etwas Ahnung davon zu haben.
    Ich halte mich inhaltlich einfach nur raus...ich habe keine Zeit für fundierte Antworten, ich gebe zu so einem "schweren" Thema nicht einfach was raus ohne es belegen zu können.
    Klar kann ich was sagen, habe es mal da und da gelesen, ist aber sicher nicht hilfreich und so auch nicht im Sinne des Forums.

    Grüße Thomas

  • Hallo Paul,

    ich fange mal von hinten an, denn nur so wird ein Schuh draus.

    Quote

    Original von Paul Spohn

    Darum wünsche ich mir, dass das Thema polnischer Antisemitismus nicht in einem Abwasch mit der Shoa / dem Holocaust hier im Forum abgehandelt wird.

    Es geht in diesem Thread nicht um den Holocaust als großes und ganzes. Den stellt hier auch kein Mensch in Frage.
    Mit "Shoa" ist ausschließlich die Doku von Lanzmann gemeint. Siehe dazu nochmals TV-Tipp von Joseph.

    Daher auch mein Hinweis, zur Lanzmann Doku.

    "Shoa" (von Lanzmann), thematisiert u.a. Antisemitismus in Polen damlas wie heute. Ein interessantes Thema !!!

    Soweit jetzt klar?
    Warum daher abgrenzen?
    Zumal alle aufgeführten Quellen auf Lanzmanns "Shoa" aufbauen bzw. es zumindest erwähnen.

    Quote

    Original von Paul Spohn
    Aber unterm Strich bleiben die Polen Opfer, selbst als Täter, denn sie wären aller Voraussicht nach nicht zu Tätern geworden, wenn sie nicht zuvor Opfer geworden wären. Und hier liegt der Unterschied zu den Deutschen, die waren erst Täter und wurden dann Opfer (ihrer eigenen Taten).

    Das ist so eben nicht ganz richtig?
    War Polen 1937 (siehe Quellen von Bernd und Mir) etwa schon von der Wehrmacht besetzt oder stand unter deutschem Einfluss?

    Spätestens jetzt muss man doch merken, dass man auf dem Holzweg ist?

    Und das soll jetzt definitiv nicht als Belehrung verstanden werden.

    Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

    Edited 2 times, last by Policeman (November 15, 2013 at 9:02 PM).

  • Hallo Daniel und alle Diskutanten,

    bin Daniels Rat gefolgt und habe mich über die hier angebotenen verschiedenen Links in die Materie, die hier zur Diskussion und Bearbeitung steht, vertieft. Natürlich bin ich jetzt schlauer als zuvor, aber das geht mir meistens so, wenn ich etwas Neues zu bestimmten Themen lese. Im Folgenden werde ich den Versuch unternehmen, aus dem nun erweiterten Wissensstand, der mir dank der vielen Hinweise hier im Forum zugeflossen ist, zu verarbei-ten. Ich werde, dies sei mir erlaubt, wegen der gebotenen Kürze des Textes, weder zitieren noch verweisen und ich werde mich einer Sprache bedienen die vielleicht nicht immer ganz korrekt ist, aber, so hoffe ich, in der Wortwahl den Kern trifft.

    Zunächst nochmals zu Claude Lanzmann und seiner Dokumentation Shoa.
    Es ist eindeutig eine Dokumentation über den Ablauf des Massenmordes unter deutscher Regie, er konzentriert sich auf die deutschen Täter, versucht sie, teilweise über Jahre und mit subversiven Mitteln vor die Kamera zu bekommen. Deren Taten belegt er mit Bildern von den einstigen Mordstätten, den Wegen dorthin und mit Augenzeugenberichten der polnischen Anwohner. Weiterhin führt er Interwies mit den überlebenden Opfern.
    Wie es nun mal bei Interviews und Befragungen ist, gibt der Interviewte auf die Sachfragen immer zwei Antworten. Eine sachdienliche, also dem Fragegegenstand betreffende und eine Antwort über sich, er läßt auch immer einen Blick in seine Persönlichkeit zu, u.a. durch die Wortwahl, Emotionen etc..
    Antisemitische Stereotype sind noch immer über ganz Europa verbreitet, insbesondere bei den ländlichen und ungebildeten Schichten weit verbreitet. Die Leute wissen es häufig nicht mal selber, was sie da von sich geben. Es ist also ziemlich einfach diesen Leuten dies zu entlocken. Aber eine ganz andere Frage ist, ob diese Leute aus ihrer (unbewußten) Haltung heraus auch bereit sind, die bei den allermeisten Menschen vorhandene Schwelle hin zum Mord zu überschreiten.
    Wie bereits in den vorherigen Beiträgen gesagt: Lanzmanns Thema ist der deutsche Holocaust, wobei er dann, quasi ganz nebenbei, dem polnischen Antisemitismus begegnet.

    Und dies führt uns zum Thema: die (katholischen) Polen entdecken heute den Antisemitismus der seit vielen, vielen Generationen unhinterfragter und alltäglicher Bestandteil ihres Denkens ist.
    Dieser Erkenntnisprozess wurde durch polnische Forschungen und deren Publikation angestoßen, allerdings nicht als akademisch und theoretisch-abstraktes Denkmodell, sondern indem die unmenschlichen Grenzüberschreitungen gegenüber den Juden anhand konkreter Beispiele vorgeführt werden. (In wieweit Lanzmann hier Auslöser war, weiß ich nicht). Diese Grenzüberschreitungen (katholischer) Polen gegenüber (jüdischen Polen) hat es unstreitig gegeben, sie zu quantifizieren bleibt der weitern Forschung vorbehalten. Bei der Bewertung ist jedoch unbedingt darauf zu achten, dass es neben dem historisch gewachsenen Antisemitismus auch noch viele andere Motive und Triebkräfte gab die die Grenzüberschreitungen beförderten (Habgier, blanke Not, die Taten blieben sanktionslos). Auch in Deutschland war die Judenverfolgung nicht nur dem Antisemitismus geschuldet. Die heutigen ablehnenden Reaktionsweisen der Polen sind durchaus verständlich, denn wenn historische Gewissheiten plötzlich nicht mehr gelten sollen oder zumindest in Frage gestellt werden, hat man ein Problem. Dieser Erkenntnisprozess hat eingesetzt und wird für viele Polen vermutlich schmerzliche Wahrheiten hervorbringen.

    Aber ich frage mich, ob bei allen Wahrheiten die die Polen über sich herausfinden und sie einer weiten Öffentlichkeit präsentieren werden, die Geschichte der Shoa / des Holocaust neu geschrieben werden muss? Hätten die Deutschen durch ein anderes Verhalten der Polen gegenüber den Juden ihre Mordmaschinerie gestoppt?

    Ich stelle hier folgende These auf:
    - den Deutschen war die damalige Haltung der Polen (denn sie galten als ebensolche, wenn auch nicht ganz so schlimme, Untermenschen wie die Juden) weitgehend egal. War es ihnen zuträglich, dann nahmen sie es mit, ansonsten hatten die Polen zu parieren.
    - Die polnischen Untaten gegenüber den Juden waren nicht Bedingung und nicht Voraussetzung für den Aufbau und den Betrieb der Mordindustrie in den Vernichtungslagern.
    - Die polnischen Untaten hingegen bedurften, als Voraussetzung dafür, dass sie geschehen konnten, die kriegerische Okkupation des Landes und den Sturz der gesamten Gesellschaft in Chaos und Anarchie.
    - Und noch eine These zum Schluss: Die Aufarbeitung der polnischen Geschichte im 2. Weltkrieg wird die Geschichtsschreibung zur Shoa nicht grundlegend verändern, wohl aber um eine Facette „bereichern“.

    Shoa und Krieg stellen die Rahmen- und Vorbedingung für die Vorgänge in Polen dar, allerdings auf dieser Ebene konnte kein Pole mehr agieren, die war einzig den Deutschen vorbehalten. Nur auf den „Ebenen“ darunter konnten Polen agieren und diese Ebene gilt es zu untersuchen. Die Bearbeitung dieser darunter liegenden Ebenen unter dem Begriff Shoa abhandeln zu wollen, stößt weiterhin auf meine Ablehnung.

    Zum Schluss noch ein kleine persönliche Anmerkung für Dich, lieber Daniel:
    Ich bemühe mich meine Beiträge sachlich und argumentativ hier einzubringen und bin es gewohnt entsprechende Antworten zu bekommen. Dein Telegrammstil -mit leicht genervten Entgleisungen - wird der „schwere“ des Themas nicht gerecht.

    Und nun wirklich ganz zum Schluss darf ich Dich nochmal zitieren:
    „War Polen 1937 (siehe Quellen von Bernd und Mir) etwa schon von der Wehrmacht besetzt oder stand unter deutschem Einfluss?“
    Wahrscheinlich habe ich es übersehen, aber mir erschließt sich dieser Hinweis nicht und aus den genannten Quellen kann ich auch keine Erkenntnis ziehen.

    Beste Grüße

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo Paul

    Quote

    Original von Paul Spohn
    Zum Schluss noch ein kleine persönliche Anmerkung für Dich, lieber Daniel:
    Ich bemühe mich meine Beiträge sachlich und argumentativ hier einzubringen und bin es gewohnt entsprechende Antworten zu bekommen. Dein Telegrammstil -mit leicht genervten Entgleisungen - wird der „schwere“ des Themas nicht gerecht.

    Nein, da bin ich weiterhin anderer Meinung. Sie waren weder sachlich noch argumentativ. Sie waren schlichtweg geschichtlich falsch und hatten auch keine Quellenhinweise, obwohl es die Forumsregeln klar vorschreiben (siehe Hinweis Tobias). Wenn ich dir dann Gegenbeispiele gebracht habe (siehe Jedwabne oder Polnische Blaue Polizei) hast du sie einfach ignoriert. Und ja, dann reagiere ich definitiv genervt, da es wie du sagst ein schweres Thema ist und ich daher ein wenig Hintergrundwissen von jedem Teilnehmer voraussetzte, zumal du ja auch kein Neuling im Forum bist. Damit meine ich auch Joseph. Mit soviel Beiträgen bzw. Erfahrung hier im Forum, müsste man eigentlich wissen wie es fachlich abläuft. Des Weiteren sind relativierende Stammtischvergleiche wie Joseph sie einbrachte (z.B. der Mobvergleich/Schalke 04 oder es kam mal „zu kleineren Progromen“) unterste Schublade und nicht mal ansatzweise sachlich oder gar wissenschaftlich. Das nervt und ist echt zum kotzen, anders kann man das nicht sagen. Zumal hier weiterhin ständig aufgezwungende Anschuldigungen ausgesprochen wurden (z.B. „Willst Du suggerieren, dass Hitler "den Polen" (besser: dem damaligen faschistoiden Staat Polen) nur um Haaresbreite zuvorgekommen ist - sonst "hätten die´s gemacht"?!“ oder "Holocaust wurde erst möglich wegen des poln. Antisemitismus?") die so nie von mir gesagt wurden. Zumal sie noch rotzfrech in Anführungsstrichen gesetzt wurden, damit es so aussieht, als hätte ich sie so gesagt. Einfach nur traurig, ärgerlich und peinlich …

    Sollte ich dich dennoch in irgendeiner Form beleidigt haben, so entschuldige ich mich jetzt öffentlich bei dir und hoffe die Sache ist vom Tisch.

    Quote

    Original von Paul Spohn
    Und nun wirklich ganz zum Schluss darf ich Dich nochmal zitieren:
    „War Polen 1937 (siehe Quellen von Bernd und Mir) etwa schon von der Wehrmacht besetzt oder stand unter deutschem Einfluss?“
    Wahrscheinlich habe ich es übersehen, aber mir erschließt sich dieser Hinweis nicht und aus den genannten Quellen kann ich auch keine Erkenntnis ziehen.

    Hier nun die Ereignisse in Polen aus den Jahren 1937 und 1946. Daher spielte die deutsche Besatzungszeit hier keine Rolle.

    „Allmählich gewann die Ansicht, dass es in Polen eine >Judenfrage< gebe, eine immer breitere Basis. Ende Oktober 1937 reiste eine polnische Delegation in die damalige französische Kolonie Madadaskar, um zu prüfen, in wieweit dort polnische Juden angesiedelt werden könnten. Im Dezember des selben Jahres verhandelte der polnische Außenminister Jozef Beck mit seinem französischem Kollegen Yvon Delbos über das Madadaskarprojekt. Die französische Regierung stand dem polnischen Anliegen reserviert, aber nicht verständnislos gegenüber. Die polnische Regierung formulierte ihre Appelle an die Kolonialmächte und den Völkerbund immer dringlicher und aggressiver, fand jedoch kein Gehör. Die Frage der jüdischen Auswanderung wurde mehr und mehr zu einem Problem, das populistischen Antisemitismus und ökonomische Grundsatzentscheidungen miteinander verband. Die >Judenfrage< war bald Gegenstand von Haushaltsdebatten und Außenwirtschaftsverhandlungen.“
    (Quelle: Götz Aly/Susanne Heim, „Vordenker der Vernichung“, siehe Kapitel „Schwellenland Polen“ u. „Wirtschaftskriese und Antisemitismus“, S.72-104)

    Demnach keine wenigen „rustikalen Gestalten aus der poln. Landbevölkerung“, wie Joseph es versucht hatte darzustellen, sondern die polnische Regierung. Zumal an dieser Stelle interessant wäre zu erfahren, wie Joseph darauf kommt, dass die damalige polnische Regierung „faschistoid“ bzw. faschistisch war. Das wäre nämlich neu in der historischen Forschung. Ich lerne aber immer gerne hinzu.

    Quote

    Original von Hoth
    Die 1937 an einigen Universitäten eingeführte halb- und inoffiziellen Quoten (Numerus clausus) sowie Segregation durch Sitzordnung (Getto-Sitzbänke, getto Bawkowe) halbierten zudem die Zahl der Juden an polnischen Universitäten zwischen der Unabhängigkeit und den späten 1930er Jahren. 1937 beschränkten die Verbände polnischer Akademiker und Rechtsanwälte ihre neuen Mitglieder auf christliche Polen, während viele Stellen bei der Regierung für Juden unzugänglich waren. All diese Ereignisse wurde von körperlicher Gewalt begleitet; von 1935 bis 1937 wurden bei antijüdischen Vorfällen 79 Juden getötet und 500 verletzt.[9] Die Gewalt richtete sich auch oft gegen jüdische Geschäfte, von denen viele geplündert wurden. Gleichzeitig reduzierten dauerhafte wirtschaftliche Boykotte und Hass einschließlich der Unruhen, kombiniert mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, die für stark landwirtschaftlich geprägte Staaten wie Polen besonders schwerwiegend waren, den Lebensstandard für polnische Juden.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Juden_in_Polen

    Selbst noch nach dem Krieg kam es in Polen zu Ausschreitungen gegen Juden, z. B. 1946 zum Progrom in Kielce, die dann ja in eine Massenflucht in den darauffolgenden Jahren endeten.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Pogrom_von_Kielce

    Dies geschah also aus eigenem Antrieb heraus, ohne deutsche Beteiligung bzw. deutschen Einfluss. In Polen lag vor und nach dem Krieg viel mehr antisemitisches Potenzial in der Luft, als bisher angenommen wurde. Selbst heute noch. So ist und war das nun mal. Und genau das hat Lanzmann zu einem Thema oder auch Teil in der Doku „Shoah“ gemacht. Er befragte fast jeden polnischen Zeitzeugen (speziell in Grabow und Treblinka) nicht direkt, sondern indirekt zum damaligen und heutigen Antisemitismus. Offen und direkt ist das kaum möglich. Wahrscheinlich hätten sie dann erst recht nicht geantwortet oder wären der Fragestellung ausgewichen. Daher hat das Lanzmann es in meinen Augen sehr geschickt angestellt, so das es keiner merkte, worauf er eigentlich abzielte.

    Und daher bin ich zum Abschluss mit dir einer Meinung.

    Quote

    Original von Paul Spohn

    Dieser Erkenntnisprozess hat eingesetzt und wird für viele Polen vermutlich schmerzliche Wahrheiten hervorbringen.

    Wie man hier an den Reaktionen des Threads „Shoah“ eindrucksvoll erkennen kann.
    Leider ist dieser Prozess der bitteren Erkenntnis in Polen aber noch lange nicht abgeschlossen. Siehe dazu auch aktuelle Diskussion im Thread "UMUV".

    Viele Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

    Edited once, last by Policeman (November 17, 2013 at 10:09 AM).

  • Lieber Daniel und ein allgemeines Hallo!

    Daniel, danke für Deine Ausführungen. Ich muß ehrlich sagen, ich bin relativ unbedarft und eher mit rudimentären Vorkenntnissen, in das Thema eingestiegen. Shoa habe ich zweimal gesehen, einmal vor undenklichen Zeiten und eben jetzt. Zudem ist mir Claude Lanzmann aus der Literatur ein Begriff.
    Die polnische Geschichte, einschließlich dem Wissen um den Anti-Judaismus und Antisemitismus ist mir eigentlich ziemlich geläufig, allerdings die hier angeführten Foschungsergebnisse sind neu für mich.

    Ich finde inzwischen das Thema und auch die dargebotenen Informationen ziemlich spannend und wenn wir uns anstrengen, dann könnte doch noch was aus diesem Thread werden.

    Kommen wir zur Sache.

    Daniel, Deine Erklärungen zu 1937 habe ich zur Kenntnis genommen. Ich möchte den Informationshorizont noch einwenig erweitern. Im Spätherbst 1937 fand in Evian/Frankreich eine internationale Konferenz von 40 Staaten statt. Beraten wurde wie der damalige Exodus der deutschen Juden (rd. 500.000) von den Ländern aufgefangen werden konnte. Also aus gegebenen Anlass. Deutschland war nicht eingeladen, Polen, die SU und ich glaube Bulgarien nahmen nur als Beobachter teil. Es wurde kein Ergebnis gefunden, aber neu für mich war, dass damals die Judenverfolgung in Deutschland im internationalen Raum bereits Konferenzen aller Staaten hervorbrachte.
    Am Thema vorbei (Aufnahme deutscher Juden) versuchten verschiedene osteuropäische Staaten ihr "Judenproblem" auch in der Konferenz zur Sprache zu bringen, so auch Polen.
    (nachzulesen bei Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Konferenz_von_%C3%89vian)

    Methodisch schlage ich vor, dass wir für unser hiesiges Thema in drei zeitliche Phasen aufteilen:

    1. Phase: die Zeit vor dem 1. September 1939
    2. Phase: 1.9.1939 bis 8. Mai 1945 (Kriegszeit)
    3. Phase: nach dem Kriegsende

    Begründe wird die Aufteilung mit den sehr unterschiedlichen politischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Phasen, wobei als Konstante der polnische Antisemitismus zu untersuchen sein wird.

    Ich vermute mal, dass hier kein Teilnehmer im Forum ist, der selbstständige Studien zu dem Thema veranstaltet, so sind wir auf die reine Rezeption der vorliegenden Literatur angewiesen. Da erbitte ich weitere Hinweise.

    Bis heute heißt der Thread: "Shoah" heute (12.11.2013) auf arte.
    Ist wohl Irreführend, kann man den ersten Beitrag von Josef nicht einfach stehen lassen und den Rest z.B. "Polen und die Shoa" nennen?

    Daniel, danke für Deine erklärenden Worte. Dazu zwei Anmerkungen:
    a. wenn es um Umgangsweise und Diskussion hier im Forum geht, dann nehme ich Deine Stellungsnahme zur Kenntnis, werde die guten Anregungen zukünftig mir zu herzen nehmen und das andere vergessen, jedenfalls hier nicht weiter dazu diskutieren, da fruchtlos.
    b. Wenn Du mir Informationen zukommen läßt, dann werde ich mich bedanken, aber sie nicht unbedingt diskutieren. Anders ist es mit Argumenten, die will ich gerne aufnehmen und versuchen, so gut ich es kann, zu beantworten.

    Hoffe jetzt auf ein weitere fruchtbare Runde hier.

    Jetzt steht "Tatort" an.

    Paul


    G-W-G'

  • Guten Tag allseits,

    wir haben ausführlich diskutiert und wie folgt entschieden:

    Das Thema wird zurückgestellt, denn
    ° die Diskussion hat zu Klärungen/Annäherungen geführt;
    ° der z.T. überaus grenzwertige Ton hat sich versachlicht.

    Verschiedene Beiträge haben wir herausgenommen, denn
    ° Streit etwa zu qm-Zahlen von Räumlichkeiten führt nicht weiter;
    ° auf weitere "Erleuchtung" verzichten wir.

    Bedingung für die Fortführung der Diskussion sind
    ° angemessener Ton
    ° jeglicher Verzicht auf offene oder verdeckt eingebrachte Versuche der Relativierung.

    Als letztes der Hinweis auf unser Hausrecht; jeder möge in den Regeln nachlesen.

    Kordula

    Slava Ukraini! In Memoriam A.N.!

  • Moin Moin,

    zunächst mal vielen Dank dass ihr den Strang zurückgeholt habt. Es ist offensichtlich sehr schwierig über dieses Thema zu schreiben, ohne in Verdacht zu geraten, und ich kann nur nochmal betonen, dass ich absolut nicht relativieren und schon gar nicht leugnen will noch wollte. Einige Aussagen im hier diskutierten Film haben Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Aussagen in mir geweckt, weshalb ich ihn für kontraproduktiv halte. Dass solche Aussagen dafür benutzt werden, den Holocaust in Frage zu stellen, beweist meine Aussage, denke ich. Das, und nichts anderes, wollte ich eigentlich diskutieren. Dass ich dazu angeben muss, was genau die Zweifel hervorgerufen hat, lässt sich wohl nicht vermeiden, und ich verstehe wirklich nicht, inwiefern das etwas relativieren könnte. Eine kleine Abhandlung, die ich eben gefunden habe, mag das verdeutlichen.

    http://kulturblogs.de/artefakten/201…h-relativieren/

    Um es mal ganz klar zu stellen, selbst wenn kein einziger Jude oder sonst wer ermordet worden wäre, ist und bleibt der Umgang der Nazis mit ihnen nicht genehmen Menschen eine unvergleichliche Ungeheuerlichkeit und ist weder zu entschuldigen noch zu erklären. Für mich sind alle Menschen ungeachtet ihrer offensichtlichen Unterschiede von gleicher Art, und das Einzige, was uns wirklich unterscheidet, sind unsere Taten. Meine Überzeugung ist, dass die Menschheit auf geistiger Ebene einen Punkt erreicht hat, von dem an es eigentlich nichts trennendes mehr geben dürfte. Leider sieht die Realität ganz anders aus, und wenn jeder, der seine Zweifel an bestimmten Gegebenheiten ausspricht, als Bösewicht betrachtet wird, ist es der Sache sicher nicht dienlich.

    In diesem Sinne freundliche Grüße

    Robert

  • Guten Abend,

    warum wird wieder auf den moderativen Post Bezug genommen, warum Erklärungsversuche?

    Warum machen wir das überhaupt...ganz sicher nicht um die Weiterführung der Diskussion mit dem ersten folgenden Post wieder " unterbrechen zu lassen".

    Wir brauchen keine Nachhilfe in Sachen Relativierung, wir brauchen keine Nachhilfe in Sachen Glaubwürdigkeit von Zeitzeugen.

    Alles schon zig mal gehabt, alle im Forum, die sich dieser Thematik angenommen haben, sind diesbezüglich geimpft...kennen sich aus.

    Ich hoffe nur es geht weiter...

    Schönen Abend noch
    Thomas

  • Hallo,

    Ich versuche mal eine Fortsetzung indem ich an meinen Vorschlag der drei Phasen anknüpfe.

    Phase 1.
    Alles spricht dafür, dass sich bis zum Kriegsbeginn in Polen eine starke antisemitische Strömung entwickelt hat. Inwieweit dies die gesamte (katholische) polnische Gesellschaft umfasste oder nur Teile bleibt zu untersuchen. Die politische Elite griff die Thematik auf, wenn sie diese nicht selbst gefördert hat und versucht die "Judenproblematik" u.a mit dem Madagaskar-Projekt zu lösen. Aly und Heim beschreiben die Problematik als eine Fehlinterpretation einer sozio-ökonomischen Entwicklungsblockade, die zu einem Judenproblem umgedeutet wurde.
    Diese innergesellschaftliche Entwicklung in Polen wird durch den deutschen Überfall auf Polen jäh unterbrochen.
    Phase 2
    setzt hier ein. Polen wird zu einer azephalen Gesellschaft, die Eliten wurden von den Deutschen weggefangen, die rd. 10% der Einwohnerschaft umfassende jüdische Bevölkerung wird separiert und konzentriert in Ghettos, später getötet. Aus dieser Perspektive gesehen entzogen die Deutschen die Juden dem polnischen Antisemitismus. Dieser hatte also keinen Einfluss mehr auf die Geschicke der Juden. Insofern war der Einfluss des polnischen Antisemitismus allerhöchstens noch im Bereich des Atmosphärischen.

    Ich will hiermit die Hypothese eröffnen, dass sich der polnische und deutsche Antisemitismus wahrscheinlich nur graduell unterschieden, aber nur der deutsche Anspruch auf die Endlösung erheben kann.

    Gruß und gute Nacht

    Paul


    G-W-G'

  • Quote

    Original von Paul Spohn

    Alles spricht dafür, dass sich bis zum Kriegsbeginn in Polen eine starke antisemitische Strömung entwickelt hat. Inwieweit dies die gesamte (katholische) polnische Gesellschaft umfasste oder nur Teile bleibt zu untersuchen.

    Hallo Paul,

    Wiederholt und aufallend oft, ist in Deinen Beiträgen die Rede von den „(katholischen) Polen“. Gewiß war und ist in Polen der Katholizismus die vorherrschende Religion.
    Bis 1939 betrug der römisch-katholische Anteil jedoch nur ca. 66% an der polnischen Gesamtbevölkerung.
    Willst Du damit zum Ausdruck bringen, das restliche Drittel des polnischen Volkes war von den damaligen antisemitischen Strömungen im Lande nicht erfaßt ?

    Nachdenkliche Grüße
    Fragesteller

  • Hallo Fragesteller,

    eigentlich ganz einfach, zunächst gab es damals die Polen, also die polnischen Staatsbürger bzw. die Gesamtheit der polnischen Bevölkerung in den Grenzen des Landes.

    Nun stehen wir - nicht nur bei der historischen Betrachtung - der Tatsache gegenüber, dass sich alle Gesellschaften, also auch die polnische, aus unterschiedlichen Gruppierungen (Schichten, Klassen) zusammensetzen. Je nach Untersuchungsgegenstand, kann ich diese unter Verwendung soziologischer, ökonomischer oder auch religiöser Kategorien strukturieren.
    Natürlich auch noch anderer Kategorien.

    Ich habe hier die religiöse Kategorie gewählt, weil in fast allen Beiträgen in der Literatur immer die Juden als eintheitliche Gruppe benannt werden. Die waren jedoch und zuvörderst Polen und erst dann Polen jüdischen Glaubens. Und die quasi Gegengruppierung waren Polen, in diesem Fall katholischen Glaubens.

    Weil ich der Auffassung bin, dass Jude nicht als rassischte Kategorie, so wie es die Nazis taten, gebraucht werden darf, so verwende ich Pole nur im Sinne von Staatsangehörigkeit und nicht als völkischen Begriff.

    Mir ist natürlich klar, dass hier eine gewisse Schieflage entstehen kann. Das Beispiel der vom Fragesteller genannten 66% zeigt dies. Aber wegen der hier im Forum oftmals geforderten Kürze der Beiträge ging ich bewußt das Risiko der Schieflage ein. Ein Hinweis darauf ist das Setzen der beiden Begriffe in Klammern zu sehen.

    Ich hoffe ich habe mich verständlich erklärt.

    Beste Grüße sendet

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo Paul,

    zu deiner Erläuterung, dass die polnischen Juden "zuvörderst" erst einmal Polen waren, möchte ich sagen:

    sie konnten wahrscheinlich alle polnisch sprechen, aber das jiddisch war doch weit verbreitet (genau weiß ich es nicht), dadurch würde ich sie dann doch eher zu einer großen Minderheit rechnen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Polen#Una…E2.80.931939.29

    http://de.wikipedia.org/wiki/Jiddisch

    Gruß Andreas

    Heine ist von den meisten anderen Dichtern verschieden, weil er alle Scheinheiligkeit verachtet ... (Elisabeth von Österreich)

    Edited 3 times, last by turmbergsurfer2 (November 24, 2013 at 7:05 PM).

  • Hallo Andreas,

    ja, ein berechtigter Einwand, den Du da bringst, aber auch wieder nicht ganz stimmig.

    Wir reden über das Land Polen, den in Polen herrschenden Antisemitismus zu jener Zeit und darüber, dass sowohl "Täter" als auch Opfer dieses Antsemitismus Einwohner dieses Landes waren, Staatsbürger Polens.

    Ja, es gab Minderheiten, es gab Mehrheiten. Vielleicht macht es tatsächlich Sinn nach der Muttersprache (jiddisch, polnisch) zu kategorisieren.
    Ich werde mal Deine Anregung aufnehmen und versuchen in meine Überlegungen einzubeziehen.

    Schöne Grüße

    Paul


    G-W-G'

  • Hallo,

    damit das Thema nicht einschläft, werde ich hier nach und nach Ergebnisse meiner Recherchen zum Thema polnischer Antisemitismus einstellen. Ich werde mich mit einer Wertung und Diskussion der Ergebnisse erst einmal weitgehend zurückhalten.

    Zunächst einige Zitate aus einer Rezension der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.6.2008, S. 8 zu dem Buch:

    Agnieszka Pufelska: Die "Judäo-Kommune" - Ein Feindbild in Polen. Das polnische Selbstver-ständnis im Schatten des Antisemitismus 1939 - 1948. Schöningh Verlag, Paderborn 2007. 284 S., 39,90 [Euro].

    Zu Verständnis sei hier vorweg angemerkt: sie befassen sich mit der beginnenden Phase 3, der Nachkriegsphase.

    Zitat 1
    „Das Zentralkomitee der Juden in Polen unterstützte die Linke, da antikommunistische Opposition schwerlich jüdische Interessen vertreten würde. Ihre (die der Juden d. Autor) Dauergefährdung markierten 840 Raubüberfälle auf Juden, 135 Morde an Juden von Juli 1945 bis Februar 1946. Beim Pogrom in Kielce am 4. Juli 1946 fanden 40 Juden den Tod. Oft einfach vom Mob erschlagen.“

    Und etwas weiter im Text Zitat 2:
    „Nach "Kielce" emigrierte die Hälfte von 200 000 Juden in wenigen Monaten.“

    Die hier in der Rezension enthaltenen Zahlen wurden vom Rezensenten der FAZ von A. Pufelska übernommen.

    Beste Grüße

    Paul


    G-W-G'

    Edited once, last by Paul Spohn (November 28, 2013 at 11:39 AM).