Hallo Beresina,
nein, mit Motsch habe ich noch keinen Kontakt aufgenommen, da mein Emailpostfach bis letzten Sonntag nicht funktionierte.
Motsch hatte mir jedoch eine Mail geschickt, in der er mir mitteilt, dass er meinen Onkel nicht kannte. Motsch war ja wohl auch bei der 1. Kompanie während Hartmann und mein Onkel bei der 2. Kompanie waren. Nach einigen Briefen und Telefonaten mit Herrn Hartmann konnte ich schon viele mich interessierende Fragen klären.
Im Buch von Herrn Hartmann wird der Tod meines Onkels genaustens beschieben. Hier ein kleiner Auszug:
Nacht vom 13.01.1945 auf den 14.01.1945
Zuletzt waren wir also in Chrapanow, im Hinterland, und hatten unseren ganzen Krempel zum x-ten Male sortiert und umgepackt. Ja, und dann was uns genau ins Abendessen der Anruf geplatzt: Das Bataillon marschiert nun sofort zum Regimentsgefechtsstand nach Grochocice und löst Teile des Regiments in der HKL ab.
Da wir als einzige Kompanie Telefonverbindung zum Bataillon hatten, durfte ich auf der Stelle meine sämtlichen Melder zu den anderen Kompanien schicken, um auch die zu alarmieren. In aller Eile wurden die Gäule angespannt, das letzte Zeug verstaut und die Kompanie zum Antreten herausgepfiffen.
Zehn Minuten danach waren wir im Dustern auf dem Marsch. Erst kurz vor Wissmanns (der Vorgesetzte) ehemaligem Residenzdorf Sobotka bogen wir als einzige Kompanie nach rechts ab und marschierten von da noch eine Stunde westwärts, bis wir den Regimentsgefechtsstand in einer Art Gehöft kurz vor Grochocice gefunden hatten.
Während die anderen Kompanien in ihre alten Stellungen einrücken sollten, wurde mir ein unbekannter Abschnitt zugewiesen, dessen besonderer Reiz darin lag, dass sich rechts und links je eine Strafkompanie anschlossen. Die Zeit drängte, Mitternacht war fast erreicht. Statt einer persönlichen Einweisung auf der Karte bekam ich einen Melder zugeteilt, der den Weg genau kennen sollte.
Der Melder führte uns querab in einen kleinen Feldweg, der stetig sanft aufwärts ging. Unser Abschnitt sollte vier bis fünf Kilometer lang und bretteben sein, meinte der Mann. Drei Kilometer wäre es ungefähr vom Regimentsgefechtsstand bis zum Kompaniegefechtsstand, aber der läge auch noch eineinhalb Kilometer hinter dem vordersten Graben.
Wir hatten längst den ausgeleierten Feldweg verlassen und tippelten querbeet über nackte Felder. Alle drei bis fünf Minuten gurgelten ein paar schwere Koffer hoch über uns hinweg, meist ein halbes Dutzend ganz kurz nacheinander.
Als ich den Melder nach einer halben Stunde fragte, ob wir nun nicht bald am Ziel wären, fing er an zu stottern und meinte, er wäre vorhin wohl zu weit geradeaus gelaufen, wir müssten nun rechts und wieder rechts, dann wisse er wieder Bescheid. Eine Viertelstunde später stand er von allen guten Geistern verlassen da und war am Ende seiner Kunst.
Jetzt durfte ich, wie früher auch schon exerziert, wieder in aller Winde Spähtrupps hetzen, die überhaupt erst einmal einen markanten Punkt in dieser Einöde aufspüren sollten, damit wir daraus Rückschlüsse auf unseren Standort ziehen konnten. Wir standen zwar gerade in einer Art Hohlweg, aber auf der Karte fand sich ein Dutzend solcher Hohlwege und Schluchten in dem Gebiet, in dem wir uns etwa befinden mussten. Die Spähtrupps mussten also los, jeder Trupp höchstens zehn Minuten weit, stur nach Kompass in der befohlenen Richtung, dann kehrt. Ich selbst wählte auch eine Richtung, ließ die Kompanie unter Führung von Feldwebel Igelh. zurück und machte mich mit zwei Meldern auf die Socken.
Nach knapp zehn Minuten Marsch über viele flache Hügelchen entdeckten wir plötzlich in einer breiteren Senke etwas Dorfähnliches, die schwarzen Konturen von Häusern und Bäumen. Wir standen auf unserem Aussichtsberg und überlegten, welches von drei möglichen Dörfern vor uns liegen könnte. Es ließ sich aber ohne einen weiteren Festpunkt nicht eindeutig sagen.
Kurz nach uns kehrten auch die ersten anderen Spähtrupps zurück. Die meisten hatten nichts Auffälliges gefunden. Andere waren auf einen Brunnen oder eine Weggabel gestoßen, die aber nicht auf der Karte verzeichnet waren, weiterer glaubte in einiger Entfernung, aber zu weit, um noch dahin zu laufen, die schattenhaften Umrisse eines Dorfes erkannt zu haben. Das war dann auch der Schlüssel: Damit kamen zwei der drei möglichen Dörfer nicht mehr in Frage. Unser eigener Standpunkt ließ sich damit fixieren, jawohl, hier: 800 m vom Regimentsgefechtsstand entfernt! Das Rindvieh hatte uns also herrlich im Kreise herumgeführt.
Jetzt gab es nur eins: In Höllenfahrt zurück.
Ich ließ die Zugführer kommen, um sie über die Lage zu informieren und ihnen meinen Entschluss zu erläutern. Gleichzeitig ließ ich die Fahrzeuge wenden. Das war in dem flachen Abschnitt gar nicht so einfach. Aber wir konnten auch nicht noch lange herumkutschieren, bis zu einer bequemen Wendestelle. Mit Schieben und Stöhnen der Männer, die schwer in die Speichen greifen mussten, wurde mühsam ein Gefechtsfahrzeug nach dem anderen umgedreht. Einige Male wichsten uns die Russen ganz schöne Koffer in die weitere Umgebung, wodurch die Zossen auch nicht ruhiger wurden. Dann aber war das Gröbste geschafft, wir konnten unseren blamablen Rückmarsch zum Gefechtsstand antreten.
Ich ging jetzt mit den Zugführern und dem Kompanietrupp vorn an der Spitze der Kompanie, um noch Einzelheiten des Rück- und neunen Vormarsches zu bekakeln, als eine besonders dicke Serie schwerer Koffer genau über uns hinweg weit ins Hinterland blubberte. Und dann plötzlich – ich hörte nur noch ein höllisches Kreischen, sah Feuer, war tau und flog und stürzte hart auf die Erde, sprühende Blitze in den Augen, ich glaubte Schreie zu hören, rappelte mich unbewusst auf in tiefe Schwärze, torkelte, roch Pulver – da schrien welche, Gestalten auf der Erde, Brüllen, Stöhnen und Wimmern….,, Was ist den los??
Endlich stand ich wieder, sah Sterne über mir, drei Mann wälzten sich schwarz auf dem Boden, zwei lagen so still, o Gott, „Steinberg!“, der Schädel halbiert, blutige Massen; Igelh., blutüberströmt, „mein Bauch, mein Bauch…“, stöhnte er. Und da hinten einer entsetzlich still, tot, unser Sani.
Alles war durcheinander, bei den Verwundeten knieten jetzt welche. Allmählich kam wieder Ruhe und Ordnung in das Chaos. Wir betteten die Toten nebeneinander. Mein Gott, Steinberg, der halbe Kopf nur noch…..
Diese Zeilen waren sehr erschütternd für mich und vor allen Dingen für meinen Vater, dem Bruder meines Onkels.
Du schreibst, Du warst an den im Buch genannten Orten?!. Auch den Orten, die hier im obigen Auszug aus dem Buch von Herrn Hartmann genannt wurden? Diese Orte würden mich bzw. meinen Vater natürlich am meisten interessieren. Hast Du evtl auch davon Bilder, die Du mir zur Verfügung stellen könntest oder auch eine Karte über diesen Abschnitt?
Ich wollte nämlich mit Herrn Hartmann zusammen den Weg meines Onkels in der Nacht vom 13. auf den 14.01.1945 bis zu seinem Tod darauf nachzeichnen.
Wann genau mein Onkel zu der Einheit kam weiß ich noch nicht. Auf eine Antwort der WAST warte ich noch, ich denke jedoch, dass er im Januar 45 noch nicht lange bei der Einheit war, da dies so in der Todesnachricht von Hauptfeldwebel Schmitz geschrieben stand.
Grüsse
Ralph